Radverkehr beginnt im Kopf

Weniger Stau, weniger Emissionen, mehr Lebensqualität: Als Verkehrsmittel hat das Fahrrad durchwegs positive Eigenschaften. Dennoch sind die Öberösterreicher Radmuffel.

Noch vor dem Auto und weit vor Moped oder Motorrad ist das Fahrrad das meistverkaufte Verkehrsmittel. Der österreichische Neuwagen-Markt belief sich 2017 auf exakt 353.320 Stück. Was kaum einer weiß: Der Markt für neue Fahrräder ist in Österreich von den Stückzahlen her größer als der Pkw-Markt und liegt schon seit einigen Jahren konstant über der Marke von 400.000 Neufahrrädern. Allerdings fahren die Oberösterreicher hauptsächlich in der Freizeit mit dem Rad. Im Alltagsverkehr spielt das Fahrrad nach wie vor nicht die Rolle, die es haben könnte.

Lediglich 5,2 Prozent der Wege legen die Oberösterreicher mit dem Fahrrad zurück. Der motorisierte Individualverkehr kommt auf 67,6 Prozent, der öffentliche Verkehr auf 10,2 Prozent. Selbst das Zufußgehen ist mit 15,1 Prozent Verkehrsmittelanteil fast dreimal so beliebt wie das Fahrrad. Allerdings darf man diese Zahlen nicht für bare Münze nehmen. Die Daten stammen aus der oberösterreichischen Verkehrserhebung 2012. Diese Studie wird nur alle zehn Jahre durchgeführt. 

Dass sich an den Werten großartig was verändert hätte, daran glaubt Christian Hummer, Radverkehrsbeauftragter des Landes Oberösterreich, ohnehin nur bedingt. "Sicher ist zwar, dass heute mehr Radfahrer auf der Straße oder auf den Radwegen zu sehen sind als 2012. Allerdings sind auch mehr Autos unterwegs, ebenso fahren mehr Menschen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Mobilität nimmt insgesamt zu, am meisten nach wie vor der Pkw-Verkehr", sagt Hummer. Eine Hoffnung hat der Radverkehrsexperte dennoch: "Der Boom der Elektrofahrräder fand vor allem in den vergangenen fünf Jahren statt. Die E-Bikes waren in der letzten Verkehrserhebung also noch weitgehend nicht drinnen. Hier könnten sich tatsächlich Wege verlagert haben."

Die Radinfrastruktur ist keineswegs perfekt, vom Standard in Norddeutschland oder Skandinavien ist unser Bundesland noch weit entfernt. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert und verbessert: Die Radwege wurden mehr, viele Einbahnen öffneten sich für Radfahrer, es wird gerade ein Radverkehrs-Check bei Straßenbauprojekten entwickelt, ebenso gibt es bessere und vor allem mehr Radabstellanlagen als noch vor zehn oder 20 Jahren. Doch mit infrastrukturellen Maßnahmen allein ist es ohnehin nicht getan. "Der Radverkehr ist im Prinzip eine Kopfangelegenheit. Es muss in allen Bereichen der Mobilität mitgedacht werden, in der Kommunalpolitik genauso wie in der übergeordneten Verkehrspolitik", sagt Hummer. "Um den Radverkehr zu fördern, braucht es Bewusstseinsbildung und Marketing. Der ­Arbeitgeber muss mitspielen, aber auch die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel, Schulen, Universitäten und Einkaufszentren. Nur durch dieses gesamtheitliche Mitdenken kann man den Verkehrsmittelanteil des Fahrrades erhöhen." ­Außerhalb der Städte hängt der Radverkehrsanteil außerdem ganz entscheidend vom allgemeinen Infrastrukturangebot ab. Sind Schulen, Nahversorger, Postpartner, Gasthäuser oder Kultur- und Freizeiteinrichtungen im Ortszentrum angesiedelt, erhöht das automatisch den Anteil des Rad- und Fußverkehrs.

Beim Radverkehr ist das Leitprojekt in Oberösterreich die Errichtung eines Radhauptrouten-Netzes im Großraum Linz. Insgesamt acht besonders gut ausgebaute und möglichst ungehindert befahrbare Radwege sollen mittelfristig nach Linz führen – sternförmig aus folgenden Umlandgemeinden: Gallneukirchen, St. Georgen an der Gusen, Enns, St. Florian, Traun, Alkoven/Leonding, Ottensheim und Haselgraben. 

In weiten Teilen befahrbar ist bereits die Hauptroute von Traun nach Linz. Zentrumsseitig endet sie allerdings noch in Gaumberg. Die Hauptroute von Puchenau nach Linz wird derzeit umgebaut, ein Teil der bisherigen Radweg-Trasse rückt wegen des Westrings näher in Richtung Donau. Für einen Teil der Hauptroute entlang der Donau Straße B3 soll der Baubeginn ebenfalls heuer erfolgen. Die restlichen Radhauptrouten befinden sich allerdings erst im Planungsstadium (siehe Illustration).

Während Oberösterreich im Radtourismus überaus erfolgreich ist, hinken wir beim Alltagsradeln einigen Bundesländern hinterher: Im Durchschnitt legen die Oberösterreicher pro Jahr nur 220 Kilometer auf dem Drahtesel zurück. Die Tiroler kommen auf 250, die Salzburger auf 350 und die Vorarlberger sogar auf 505 Kilometer. Weniger als die Oberösterreicher fahren nur die Burgenländer, Kärntner und die Wiener mit dem Fahrrad. Außerdem ist in Wien die Kilometerleistung nur deshalb so gering, weil das Öffi-Netz perfekt ausgebaut ist und viele Wiener innerstädtisch mit U-Bahn oder Bim fahren.

Dass der Radverkehr in Oberösterreich mehr Bedeutung bekommt, ist auch dem ÖAMTC ein Anliegen. "Rund 30 Prozent der Pkw-Jahresverkehrsleistung sind Fahrten bis zu fünf Kilometern. Dabei steigt der Treibstoffverbrauch bei der Autonutzung schnell auf zehn ­Liter pro 100 Kilometer oder mehr. Wer auf der Kurzstrecke bewusst aufs Rad umsteigt oder zu Fuß geht, kann beträchtliche Kosten einsparen und seine Emissionsbilanz deutlich verbessern", sagt Josef Thurnhofer, Landesdirektor des ÖAMTC Oberösterreich.