Griaß di, Himmelfahrt!

Teil 7 unserer Serie "Autoland Österreich": Wer Reifnitz hört, verbindet damit meist den Wahnsinn "GTI-Treffen". Damit tut man der kleinen Kärntner Seegemeinde aber Unrecht. Ein Lokalaugenschein außerhalb der Chaos-Tage.

Was soll man über einen Ort noch schreiben, den wegen der monothematischen Berichterstattung rund um Christi Himmelfahrt ohnehin fast jeder so gut kennt, als ob er schon oft dort gewesen wäre, obwohl dem vielleicht gar nicht so ist?

Ein Ort, der auf Jahrzehnte hinweg gebrandmarkt ist mit einem polarisierenden Drei-Buchstaben-Stempel, welcher dem einen die Welt, dem anderen aber nur Mühsal bedeutet?

Nun, man könnte sich ja einmal beide Seiten ansehen – und vergleichen.

Reifnitz am Wörthersee ist das Zentrum des vielleicht berühmtesten Fahrzeug-Treffens in unseren Breiten, das vor vielen Jahren als geheime Feiertags-Veranstaltung für Liebhaber eines Automodells begann, über die Dekaden aber zu einem mehrwöchigen Happening ausartete, dem sich irgendwann weder der betreffende Hersteller noch die regionale Politik mehr entziehen konnten – und heute schon gar nicht mehr können. Wenn man so will, war diese Zusammenkunft einst der erste Flashmob, bevor es dieses Wort überhaupt gab. Basis-Demokratie per Vierzylinder.

Nun, Sie kennen natürlich die üblichen Bilder eines GTI-Treffens, freilich auch die Berichterstattung dazu in den tagesaktuellen Medien, die jedes Jahr aufs Neue dankbar einzelne Auswüchse mit den unaufgeregten Polizei-Aussendungen verkochen und daraus kreative Realität kredenzen.

Was Sie im folgenden lesen, ist ein klassischer Lokalaugenschein. Wir besuchen einen Ort, der elf Monate im Jahr noch immer das tut, was er seit 1982 am besten kann: In einer von Österreichs schönsten Landschaften Touristen zu beherbergen. Aber irgendwann kamen halt die Autos – und mit ihnen eine neue Aufgabe für diese kleine Gemeinde.

Eine Foto-Reportage zwischen GTI-Nimbus und realem Alltag.

Mein Motto: Jeder Gast ist herzlich willkommen, der sich wie ein Gast benimmt.

Markus Perdacher, Bürgermeister von Reifnitz

Zur Einstimmung: Anreise mit "Stil"

Vor einiger Zeit haben wir uns selbst ins Getümmel eines GTI-Treffens gestürzt, um hautnah zu spüren, wie zigtausende Fans die Anfahrt zum wohl größten Automarken-Spektakel der Welt erleben. Damit wir nicht auffallen, haben wir uns damals für einen 300 PS starken Golf R als adäquates Reisemittel entschieden. Und die passenden Posen mussten erst einstudiert werden…

Turbos und Tourismus

Was sagt die Polizei?

Wir treffen Ronald Mayerhofer, Postenkommandant in Reifnitz und selbst dezidierter Autofan – wenn auch nicht von jener Marke, die man in dieser Umgebung vermuten würde: Mayerhofer fährt "schon immer" Alfa Romeo, erzählt er uns, in seiner Garage steht sogar ein rarer 4C, die kleine 240-PS-Rennflunder von Alfa. Wir plaudern mit ihm…

… über den Personaleinsatz


"Jahrelang war das Treffen nur auf die Veranstaltungswoche konzentriert, heute dauert's mit den Vor- und Nachtreffen oft länger als drei Wochen. Da sind allein auf unserer Dienststelle bis zu 40 Beamte im Einsatz, wo normalerweise nur 10 arbeiten. Dazu kommen noch andere Einheiten aus ganz Österreich, womit dann bis zu 300 Kollegen unterwegs sind, die alle Hände voll zu tun haben."

… über Unfallstatistiken

"Begonnen hat das damals alles mit 50 oder vielleicht 100 Autos. Heute haben wir an den stärksten Tagen bis zu 6.000 Fahrzeuge und 30.000 Besucher hier. Man muss ehrlich sagen, dass dafür eigentlich unglaublich wenig passiert. Vor allem die Anzahl der Verletzten durch Verkehrsunfälle, was früher ein Riesenproblem war, ist in den letzten Jahren irrsinnig stark zurück gegangen."

… über das Wort "Rennleitung"

"Den Begriff hören wir zwar immer wieder, aber grundsätzlich haben wir ein gutes Auskommen mit den Teilnehmern. Nur die Nummerntaferln unserer Einsatzfahrzeuge legen wir in dieser Woche sicherheitshalber lieber hinter die Windschutzscheibe, die sind bei den Teilnehmern nämlich mittlerweile ein sehr beliebtes Souvenir geworden."

Alltag und Abgas

Was sagt der Bürgermeister?

Markus Perdacher ist selbständiger Tischlermeister und Bürgermeister der Seegemeinde Maria Wörth, zu der auch die "GTI-Metropole" Reifnitz zählt. Zum Abschluss unseres Besuchs setzen wir uns gemeinsam ans Ufer des Wörthersees und stellen ihm Fragen…

… über Für und Wider

"Ich stehe zum GTI-Treffen, vor allem auch, weil wir als Veranstaltungsort das gut kontrolliert ablaufen lassen können. Außerhalb unserer Gemeinde ist das vielleicht nicht immer so, speziell was die immer populärer werdenden Vor- und Nachtreffen betrifft. Ich muss aber schon auch sagen: Die Hauptveranstaltung reicht uns, so ehrlich muss man sein. Ich habe kein Interesse, sowas wie ein zusätzliches Herbst-Treffen in irgendeiner Weise zu unterstützen." 

… über die Anwohner

"Mein Motto ist: Jeder Gast ist herzlich willkommen, der sich wie ein Gast benimmt. Ich sag dann immer: Wenn ein Zug im Bahnhof stehenbleibt und 150 Leute steigen aus, wird immer einer darunter sein, der sich nicht benehmen kann. Genauso ist es beim GTI-Treffen. Auswüchse wird es immer geben, das war ja früher nicht anders. Die Bevölkerung der Gemeinde ist auf die Veranstaltung sensibilisiert und ich höre immer wieder, dass man damit eigentlich leben kann. Die Beschwerden der Bürger nehmen ab, aber es gibt natürlich auch welche, die während dieser vier Tage auf Urlaub fahren, weil sie das eben nicht miterleben wollen."

… über den Tourismus-Aspekt

"Grundsätzlich ist das Treffen für uns eine Art Saisonauftakt, und der bringt natürlich Gäste. Es ist uns in den letzten Jahren gelungen, dass sich das Ganze hier im Ort zusehends beruhigt hat und auch immer mehr Familien kommen, die sich halt diese Autos anschauen wollen. Auch die Teilnehmer selbst werden ja mit den Jahren ruhiger und kommen dann später vielleicht mit den Kindern wieder auf Sommerfrische. Ich glaube, das scheint der richtige Weg zu sein."