auto touring fährt: Elektro-Rallycross

In 1,8 Sekunden auf 100 km/h: Der elektrische "Projekt E"-Bolide von Manfred Stohl weist in die Zukunft des Rennsports. Wir durften uns am Wachauring damit drehen. 

Glatt ist's heute, hm?", sagt Rallye-Crack Manfred Stohl unbeeindruckt neben mir, nachdem ich gerade den Bremspunkt verpasst habe und wir uns folglich per anmutiger Pirouette von der Strecke des ÖAMTC Fahrtechnik Zentrums Melk/Wachauring ins Aus verabschieden.

Ich bin in den Fahrersitz seines "Projekt E" STARD Ford Fiesta Electrx geschnallt – ein elektrischer Rallycross-Prototyp, den Stohl entwickelt hat und dessen Lenkrad er mir heute vertrauensvoll überlässt, um damit exklusiv ein paar Runden auf der Rennstrecke zu drehen.

Als der Horizont aufhört, vor uns sein kurzes, aber beeindruckendes Ringelspiel zu veranstalten, ist mein erster Gedanke: Kein Wunder bei dem Sauwetter. Es ist nämlich eiskalt an diesem Wintertag, der Asphalt nass und wegen des dichten Nebels sehe ich kaum bis zur nächsten Kurve. Ich tappe damit natürlich ausgerechnet in jene Ausreden-Falle, die mich im Verkehrsfunk ansonsten so ärgert: "Unfall wegen Glatteis", hört man da ja oft. Dabei wäre "wegen nicht angepasster Geschwindigkeit" die weitaus korrektere Wortwahl. 

Egal, ich wische den Gedanken schnell weg, die Situation ist auch so peinlich genug. Immerhin sitze ich gerade mit einer echten Rallye-Legende mitten in der niederösterreichischen Nebelsuppe, und es ist in diesem kurzen Augenblick unangenehm still an Bord. Still vor allem auch deshalb, weil dem ausgerittenen Rallycross-Fiesta kein Verbrenner-Leerlauf-Getöse entfleucht, sondern bloß vergleichsweise leises Sirren.

Mir taugt das elektrische Rennfahren irrsinnig. Das ist sicher die Zukunft.

Manfred Stohl, Rallye-Profi

Der Rennsport wird elektrisch

Vorweg: Der Trend zur Elektrifizierung macht – siehe Formel E – auch vor dem Motorsport nicht Halt. Die nächste Serie, die nun unter Strom gestellt wird, ist die Rallycross-WM. Für diese Aufgabe haben sich die Veranstalter mit Manfred Stohl und seiner Firma STARD (Stohl Advanced Research and Development) zusammengetan. 

Nicht ohne Grund: Stohl und seine Mannschaft haben die entsprechende Expertise und schon vor einiger Zeit einen ersten elektrischen Rallycross-Boliden auf die Räder gestellt (der auto touring hatte damals bereits Gelegenheit zur Mitfahrt), jetzt gibt's die Weiterentwicklung in Form des STARD Ford Fiesta Electrx, der die Strom-Zukunft der WorldRX-Serie einläuten soll.

Schon in der neuen Saison werden diese Projekt-E-Rallycross-Autos bei ausgewählten europäischen Rennen (zusätzlich zu den aktuellen Verbrenner-Supercars) an den Start gehen. Ziel: Die Zuschauer sollen die Möglichkeit haben, neben den gewohnten WRX-Fahrzeugen auch die elektrische Alternative zu erleben.

Apropos erleben: Noch viel früher können Sie, liebe Leserin und lieber Leser, beim Erlebnis E-Rallycross hautnah dabei sein. Und zwar jetzt gleich am imaginären dritten Sitz hinter Manfred Stohl und dem Autor dieser Zeilen…

Video: Hektisch elektrisch

Steckbrief: STARD Ford Fiesta Electrx


Gewicht: 1.440 Kilogramm
Antrieb: drei E-Motoren (einer vorne, zwei hinten)
Gesamtleistung: 450 kW (612 PS)
Drehmoment: 1.100 Newtonmeter
Akkukapazität: reicht für rund 10 Rennminuten (im fiktiven Alltag für ca. 280 Kilometer)
Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 1,8 Sekunden (bei Optimalbedingungen)
Spitze: 240 km/h
Preis: rund 200.000 Euro

Technik im Detail

Ausflug ins Graue

Genug der technischen Details, jetzt geht's ans Eingemachte. Begleiten Sie mich doch auf meiner ersten Ausfahrt mit einem der technisch spannendsten Rennauto-Prototypen, die der Motorsport momentan in der Pipeline hat…

Der Profi und der Amateur

Die Schönheit der Chance

Motorsport-Fans der alten Schule müssen jetzt stark sein, denn: Was sich bei Serienfahrzeugen längst abzeichnet, wird über kurz oder lang auch Rennautos treffen – nämlich der kriechende Tod des Verbrennungsmotors. Immer strengere Lärm- und Abgasvorschriften werden künftig über die Existenz großer Motorsport-Serien entscheiden, brüllende Rennmotoren und beißende Benzindämpfe irgendwann nur mehr ein Minderheitenpublikum anziehen. Ob eingefleischten Fans das gefällt oder nicht, die Entwicklung macht vor persönlichen Befindlichkeiten nicht Halt.

Die Elektrifizierung des Rennsports kann man nun als lästigen Eingriff in geliebte Gewohnheiten sehen – oder aber als Chance, diesen Sport überhaupt dauerhaft zu retten. Viele Hersteller, Teams und Fahrer haben das bereits begriffen. Nicht nur Einzelkämpfer wie Manfred Stohl und seine Mannschaft, sondern – wenn man etwa die Formel E betrachtet – auch milliardenschwere Automobil-Unternehmen, die den Zapfschlauch langsam rausziehen und im Gegenzug den Stromstecker anschließen.

Und ganz ehrlich: Wenn die Zukunft des Motorsports solche Autos wie den elektrischen STARD-Fiesta hervorbringt, dann mache zumindest ich mir – als ehemaliger Benzinbruder – überhaupt keine Sorgen, dass wir nicht auch künftig spannende Rennserien erleben werden. Dieses Gerät, das ich für diese Geschichte nämlich fahren durfte, ist weitaus kompromissloser und brutaler als das Gros seiner fossil angetriebenen Kollegen. Es ist nur leiser dabei und stinkt nicht. Daran kann man sich gewöhnen, oder?