Strafzettel? Das war ich nicht!
Wer ungerechtfertigte Strafen vorschnell zahlt, verzichtet oft auf jede Chance, sich zu wehren. Wie man Organ- und Anonymverfügungen von Strafverfügungen unterscheidet, Fristen korrekt einhält, Beweise sichert und gezielt Einspruch erhebt.
Hand aufs Herz: Auch bei größtem Bemühen können im Alltag kleine Übertretungen der Verkehrsregeln passieren. Wenn plötzlich ein Strafzettel hereinflattert, meist Wochen nach dem Verstoß, stellt sich mitunter die Frage: Stimmt der Vorwurf? Und wenn nicht: Wie reagiere und wehre ich mich korrekt?Was Autofahrer:innen in Österreich tun können – ganz besonders, wenn die Schuld unklar ist oder wenn ein Irrtum vorliegt.
1) Zunächst: Art des Schriftstücks erkennen
Zuerst sollte geklärt werden, welches Schriftstück vorliegt. Handelt es sich um eine Organstrafverfügung, eine Anonymverfügung oder eine Strafverfügung? Und wie unterscheiden sie sich?
Organstrafverfügungen ahnden vor Ort durch einen Polizisten oder am Fahrzeug hinterlegt geringfügige, sofort feststellbare Übertretungen wie Falschparken, Handy am Steuer oder Gurtmangel. Anonymverfügungen gehen postalisch an die Zulassungsbesitzerin oder den Zulassungsbesitzer bei typischen Massendelikte wie Parkvergehen, geringen Tempo- oder Rotlichtverstößen ohne Gefährdung sowie Behinderung. Strafverfügungen erlässt die Behörde bei schwereren oder strittigen Fällen bzw. nach Nichtzahlung. Sie richten sich an den konkret beschuldigten Lenker und können binnen zwei Wochen beeinsprucht werden.
„Gegen Organstrafverfügungen und Anonymverfügungen bestehen keine direkten Rechtsmittel“, erklärt Matthias Nagler von den ÖAMTC-Rechtsdiensten. „Einwendungen sind erst im nachfolgenden Verfahren beziehungsweise gegen eine Strafverfügung möglich.“
2) Bei Zweifel vorerst nicht zahlen
„Bei Unklarheiten oder dem Verdacht eines Irrtums sollte eine Organ- Anonym- oder Strafverfügung nicht sofort bezahlt werden“, rät Matthias Nagler. Erst im ordentlichen Verfahren kann eine inhaltliche Stellungnahme oder Rechtfertigung berücksichtigt werden. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die spätere Strafe dadurch auch höher ausfallen kann. Wird dem Rechtsmittel nicht stattgegeben, erfolgt zudem ein Eintrag im Verwaltungsstrafregister. Ein Tipp des Experten: Mit Polizisten an Ort und Stelle zu diskutieren, bringt erfahrungsgemäß nur wenig. „Zeigt man sich vor allem bei kleineren Delikten einsichtig, kommt man mitunter mit einer Ermahnung davon. Ist man wirklich der Meinung, die Strafe wäre ungerechtfertigt, gilt es, freundlich auf eine Anzeige zu bestehen“, erklärt der Jurist.
3) Fristen im Blick behalten
Bei einer Organstrafverfügung muss die Zahlung innerhalb von 14 Tagen am Konto der Behörde einlangen. Eine fristgerechte Zahlung beendet die Angelegenheit. Ein Rechtsmittel ist nicht vorgesehen. Bei einer Anonymverfügung gilt in der Regel eine Zahlungsfrist von vier Wochen ab Zustellung. Eine fristgerechte Zahlung schließt das Verfahren ab, ohne dass die lenkende Person ermittelt wird.
Gegen eine Strafverfügung kann binnen zwei Wochen ab Zustellung oder Hinterlegung Einspruch bei der erlassenden Behörde erhoben werden, und zwar schriftlich oder mündlich zur Niederschrift.
4) Zustellung und Post sorgfältig prüfen
Fristen im Verwaltungsstrafverfahren beginnen grundsätzlich mit Zustellung. Vorsicht: Der Fristenlauf beginnt bei Hinterlegung, nicht erst bei tatsächlicher Behebung des Schriftstückes in der Postfiliale. Als zugestellt gilt ein Dokument bereits ab dem ersten Tag, an dem das behördliche Schreiben zur Abholung bereitliegt. Nur bei glaubhafter Ortsabwesenheit gibt es Sonderregeln.
5) Beweise sofort sichern
Relevante Beweise wie Beschilderung, Bodenmarkierungen, Parkschein- oder Handypark-Belege, Uhrzeit und ggf. Sichtverhältnisse sollten umgehend fotografisch dokumentiert werden, wenn man glaubt, vielleicht zu Unrecht aufgeschrieben oder geblitzt worden zu sein. „Insbesondere bei Parkstrafen erhöhen Übersichts- und Detailfotos mit Zeitstempel die Chancen in einem späteren Verfahren oder Einspruch“, erklärt ÖAMTC-Experte Nagler.
Tipp: Anders als im gerichtlichen Strafverfahren gilt bei Verwaltungsübertretungen die Unschuldsvermutung nicht. Vielmehr muss sich grundsätzlich der Beschuldigte freibeweisen.
6) Lenkererhebung korrekt beantworten
Geht eine Lenkererhebung ein, ist die tatsächlich lenkende Person innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung bekanntzugeben. Bei Unterlassung oder unzureichender Beantwortung droht eine eigene Strafe. Die Antwort sollte fristgerecht, vollständig und nachweisbar übermittelt werden, etwa per eingeschriebenem Brief oder über eine geeignete elektronische Einbringung, um zusätzliche Verfahren zu vermeiden.
Tipp: Der Zulassungsbesitzer muss wissen, wer das Fahrzeug zu welchem Zeitpunkt gelenkt hat. Die Aussage, sich nicht mehr erinnern zu können oder „zu glauben“, wer das Fahrzeug gelenkt hat, reicht zur korrekten Beantwortung nicht aus.
7) Einspruch gezielt nutzen
Gegen eine Strafverfügung kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch erhoben werden. Das Schreiben muss die Strafverfügung eindeutig bezeichnen und als Einspruch erkennbar sein. Der Einspruch kann sowohl den Schuldspruch als auch die Strafhöhe betreffen. Es empfiehlt sich, Beweise und eine klare Begründung beizulegen oder rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Anwaltszwang besteht im Verwaltungsstrafrecht erst vor den Höchstgerichten.
Speziell bei Geschwindigkeitsvorwürfen gilt es, die Mess-Toleranz und die Umstände zu thematisieren. Im ordentlichen Verfahren können Einwände zur Messmethode, Kalibrierung/Wartung des Geräts, Aufstellung, Sichtlinie, Wetter oder falscher Spurzuordnung vorgebracht werden. Nachweise dazu erhöhen die Glaubwürdigkeit. Die beschuldigten Fahrerinnen und Fahrer können die entsprechenden Unterlagen anfordern. Sie können um Akteneinsicht ersuchen, um Messprotokolle, Eichscheine und Fotos zu prüfen. Unstimmigkeiten sollten im Einspruch benannt werden.
Achtung: Richtig und pünktlich zahlen, wenn gewünscht
Wenn die Zahlung fristgerecht und vollständig erfolgt, ist die Angelegenheit in der Regel erledigt. Hierfür sollte unbedingt der Original-Zahlschein oder die korrekte Geschäftszahl beziehungsweise Identifikationsnummer verwendet werden, damit die Zahlung auch richtig zugeordnet werden kann. Eine geringfügig verspätete Zahlung wird manchmal noch akzeptiert, zumindest aber im weiteren Verfahren angerechnet.
Fazit: Rechtsmittel sorgfältig und ehrlich prüfen
Eine Verkehrsstrafe zu beeinspruchen kann zeit- und nervenaufreibend sein – und mitunter teuer, falls dem Rechtsmittel nicht stattgegeben wird. Als Beschuldigter sollte man sich daher ehrlich überlegen, ob man wirklich unschuldig ist und welche Beweise man vorlegen kann. Die bloße Aussage, die Tat nicht begangen zu haben, reicht in den seltensten Fällen. ÖAMTC-Mitgliedern steht die kostenlose Rechtsberatung (https://www.oeamtc.at/mitgliedschaft/leistungen/rechtsberatung/) des Clubs zur Verfügung, um die Chancen eines Einspruchs besser beurteilen zu können. Sinnvoll kann auch eine Rechtsschutzversicherung (www.oeamtc.at/versicherung)
sein.