Sicher zur Schule

Eine Schulwartin und zwei engagierte Pensionisten erzählen von ihrem täglichen Einsatz als Schulweglotsen. Dabei geben sie gute Tipps und sprechen über ihre Erfahrungen.

Gerti Gratzer ist Schulwartin und seit 16 Jahren Schulweglotsin in Deutsch Brodersdorf. Im ebenfalls niederösterreichischen Gablitz gibt es seit 15 Jahren Schulweglotsen. Zwei von ihnen sind die Pensionisten Rudolf Mrstik, früher Softwareentwickler bei Austrian Airlines, und Wolfgang Schuster, Bäckermeister und ehemaliger Bäckereibesitzer. Alle drei nehmen ihre Aufgabe sehr ernst, sind engagiert und haben Freude daran, den Volksschulkindern ihr Wissen auf der Straße weiterzugeben.

Die Aufgaben von Schulweglotsen sind anspruchsvoll und verlangen Durchsetzungskraft und Klarheit. Wir sprechen über vernünftige Kinder, Besonderheiten vor Ort und Autofahrer, die es morgens zu eilig haben.

Plus: Tipps für Eltern, Kids und Autofahrende um den Schulweg sicher zu meistern.

Weitere Infos zum Thema Schulweglotsen gibt's hier.

Interview mit Schulweglotsin Gerti Gratzer

Die Schulwartin aus Deutsch Brodersdorf ist seit 2006 begeisterte Schulweglotsin.

— Seit wann bist du Schulweglotsin?

Gerti Gratzer: Ich habe 2006 begonnen. Damals habe ich mich bei der Gemeinde beworben. Zunächst habe ich nur die Kinder, die mit dem Bus aus der Nachbarortschaft Seibersdorf gekommen sind, über die Straße begleitet. Später haben sich die Eltern dafür eingesetzt, dass ich das für alle Kinder und vor der Schule machen soll. Dort gibt's erst seit sechs Jahren einen Zebra­streifen. Seither bin ich für alle die Gerti.

— Gibt es Erlebnisse, die dir in Erinnerung geblieben sind?

Gerti Gratzer:Ja, mir ist schon einiges untergekommen. Einmal war ein Mädchen dabei, das sehr couragiert war, mich ignoriert hat und gleich schnurstracks über die Straße gelaufen ist. Als sie das ein zweites Mal machen wollte, habe ich zu ihr gesagt: "So, meine Dame, ich bin für den Zebrastreifen verantwortlich und schaue darauf, dass euch nichts passiert. Erst wenn ich sage, ihr dürft gehen, dann dürft ihr gehen." Danach waren wir beste Freundinnen (lacht).

— Wie regelst du den Übergang?

Gerti Gratzer:Ich lasse die Kinder zu mir kommen, dann stellen wir uns hin und ich sage ihnen: "Jetzt schauen wir zuerst links, dann rechts und noch mal links. Wenn ich sage, es geht, dann geht ihr rüber."

— Gab es gefährliche Situationen?

Gerti Gratzer:Ja, es kommt leider immer wieder vor, dass ein Auto stehen bleibt und ein zweites nicht gleich reagiert. Manchmal steht die Sonne auch so ungünstig, dass man überhaupt nichts sieht. Auch um die Kurve kommen die Autofahrer immer viel zu schnell. Auf das Schild ´"Vorsicht Kinder" wird oft zu wenig geachtet und in der Früh haben es immer alle sehr eilig. Einmal war einer dieser "Monster­traktoren" viel zu schnell unterwegs. Der konnte sich gerade noch einbremsen.

— Sind manche Kinder auch ungestüm?

Gerti Gratzer:Ein wenig. Einige kommen mit Roller und wollen gleich drüberfahren. Das geht nicht.

— Wird deine Arbeit gut angenommen?

Gerti Gratzer:Ja, sehr. Schön ist, wenn zum Beispiel eine Mutter ihr Kind begleitet und vor dem Zebra­streifen zum Kind sagt: "Wir können schon gehen." Und dann schaut das Kind erst mich an und wartet auf meine Erlaubnis (lacht).

Schulweglotsen Wolfgang Schuster und Rudolf Mrstik im Gespräch

Die beiden Pensionisten Wolfgang Schuster und Rudolf Mrstik sind seit vielen Jahren beliebte Schulweglotsen in Gablitz in Niederösterreich.

— Was gefällt Ihnen an Ihrem Job?

Rudolf: Die Motivation für uns beide ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Lotse zu sein, ist ein feiner Dienst an der Gemeinschaft.

— Wie wird man Schülerlotse?

Wolfgang: Wir hatten eine kurze Einschulung durch die Polizei. Die Aufgabe ist klar: Wir sollen die Kinder, die am Gehsteig warten, sicher über die Straße bringen.

Rudolf:Wichtig ist: Autofahrer sind für ihr Tun selbst verantwortlich, aber wir können durch Handzeichen kommunizieren und kleine Ratschläge geben. Aber wir dürfen nicht direkt eingreifen oder gar strafen, das darf nur die Polizei.

Wolfgang: Wir stehen hier täglich von halb acht bis acht Uhr morgens – bei Wind und Wetter. Das Aufstehen fällt mir leicht, als Bäcker war mein Arbeitsbeginn ja immer um ein Uhr nachts (lacht).

— Wie sieht Eure Ausrüstung aus?

wolfgang:Im Sommer tragen wir ein leuchtgelbes Gilet. Wir haben einen wattierten Wintermantel und einen Regenmantel. Dazu kommen Verkehrskelle und ein hellroter Leuchtstab.

— Wie schwierig ist Ihre Aufgabe?

Rudolf: In Gablitz stehen wir zwischen Hauptstraße, Ferdinand-Ebner-Gasse und Kirchengasse. Diese drei Straßen bilden ­keine richtige Kreuzung, zwei der Straßen sind versetzt und es gibt keine Ampel. Das fordert eine Regelung und viel Aufmerksamkeit. Am Morgen sind natürlich alle gleichzeitig unterwegs: Kinder, Eltern, Arbeitende, Pensionisten.

Wolfgang: Da ist was los. Einige Autofahrer haben es eilig. Es wird gehupt. Manchmal werden Vorrangregeln verletzt. An der Ferdinand-Ebner-Gasse ist ein Stoppschild. Das wird nicht immer beachtet, viele fahren zu tief in die Kreuzung hinein. Aus meiner Sicht wäre es vernünftig, eine Schwelle zu bauen.

Rudolf: In der Kirchengasse, einer Sack­gasse, ist eine große Baustelle und ein Ärztezentrum. Da ist viel Verkehr. Außerdem gibt es in der Hauptstraße ein Hotel, da sind morgens oft Reisebusse am Weg oder verstellen den Kindern die Sicht. Dazu kommt an manchen Tagen die Müllabfuhr. Für mich ist es wichtig, alles im Blick zu haben. Die Kinder müssen daher immer vor mir über die Straße gehen. Sie sind klein, haben einen anderen Blick­winkel. Darauf achten wir.

Wolfgang: Leider erleben wir, dass manche Eltern keine guten Vorbilder sind. Sie plaudern mit anderen oder überqueren die Straßen, wann und wie sie möchten, auch diagonal. Wir können dann nur eine freundliche Bitte aussprechen, denn als Begleiter der Kinder sind die Eltern verantwortlich. Meist sind unbegleitete Kinder disziplinierter und halten sich an Regeln.

— War es auch schon mal richtig gefährlich?

Wolfgang: Ich kann mich nicht erinnern. Aber es gibt schwierige Autofahrer. Ich denke da an eine bestimmte Dame. Sie hat das Telefon am Ohr, den Kaffee in der Hand und eine Zigarette im Mund. Logisch, dass sie nicht reagieren kann. Wieder andere fahren einem direkt am Bauch vorbei. Das regt mich auf.

Rudolf und Wolfgang: Das Wichtigste für uns ist, dass die Kleinen achtgeben und ­sicher über die Straße kommen. Sie sind lieb, grüßen und oft sind sie uns dankbar. Da entsteht schon eine richtige Beziehung.

— Gibt es auch eine offizielle Anerkennung für Euch, schließlich ist das ja ein freiwilliger Dienst?

rudolf: Zu Weihnachten bekommen wir immer ein sehr nettes Geschenk vom Elternverein. Das ist schön. Die Gemeinde Gabitz zahlt außerdem einmal im Monat ein Mittagessen im Gasthaus Schreiber, das nutzen wir meist gleich für ein Lotsentreffen. Aber wir machen diese Arbeit wirklich gern.

Sicherheitstipps für Eltern

Jedes Jahr aufs Neue beginnt für tausende Kinder die Schule. Dabei stellen nicht nur Hausaufgaben und Schularbeiten eine Herausforderung dar, sondern bereits der tägliche Schulweg. Worauf Eltern achten sollten, erfahren Sie hier: 

Damit vor allem die kleinsten den täglichen Schulweg alleine bewältigen können, ist es wichtig ihn vorab mehrmals zu üben. In dieser Übungs- und Eingewöhnungsphase sind alle Verkehrsteilnehmenden gefordert sehr aufmerksam zu sein. "Um Kindern mit guter Anleitung sicheres Verhalten zu zeigen und damit ihren Selbstschutz zu stärken, ist es nicht nur unerlässlich, den Schulweg vorab mehrmals zu üben, sondern auch Eventualitäten und nötige Verhaltenshinweise mit ihnen zu besprechen. So können Eltern ihre Kinder auf unvorhergesehene Situationen vorbereiten, um im Notfall Hilflosigkeit oder Hektik zu vermeiden und die Kompetenzen der Kinder zu stärken", erläutert ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.

Verhalten vorzeigen: Kinder lernen durch Beobachtung. Richtige Verhaltensweisen vorzeigen und erklären. Regeln oft wiederholen.

Rollentausch: Sich vom Kind führen lassen. Das Kind erklären lassen, was und warum es etwas macht. So können Fehler gleich ausgebessert werden. Loben nicht vergessen!

Auf Augenhöhe: Eltern sollten sich auf Augenhöhe des Kindes begeben, um mögliche Sichthindernisse zu erkennen und potenzielle Gefahrenstellen an Polizei oder Behörde melden, um sie zu entschärfen.

Sichtbarkeit: Bei der Kinderkleidung auf gut sichtbare, helle und bunte Kleidung achten. Auch an Kleidung und Schultasche zusätzliche Reflektoren oder Folien anbringen. Mit Reflektoren ausgestattete Personen sind bereits ab 130 Metern Entfernung erkennbar, dunkel gekleidete erst ab 25 Metern. "Kinder sollten wissen, dass sie nicht automatisch von anderen Verkehrsteilnehmenden gesehen werden. Sie sollten konzentriert sein und verstärkt Sicherheitsblicke nach beiden Seiten durchführen, um sichere Querungslücken zu finden," sagt ÖAM&C-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger.

Video: Den Schulweg meistern

Üben im Echtbetrieb: Damit das Kind das Verkehrsaufkommen so erlebt, wie es am täglichen Weg ist – und nicht nur sonntags.

Hektik vermeiden: "Besonders in der Früh ist es wichtig, nicht hektisch zu werden. Zeitgerecht aufstehen, stressfrei fertig machen, sowie aufmerksam und konzentriert sein beim Verlassen der Wohnung – all das trägt zur Unfallvermeidung am Schulweg bei. Sollte es dennoch später werden, dann sollten Eltern und Kinder konzentriert und ruhig bleiben. Die Kinder können ruhig einige Minuten später, aber dafür sicher, in der Schule ankommen", so Seidenberger.

Achtung bei Baustellen: Ab und zu den Schulweg beobachten, ob es neue Baustellen oder andere Hindernisse am Weg gibt. Falls notwendig, eine neue, sichere Alternative suchen und auch diesen Weg mit den Kindern üben.

Keine Angst machen, nicht überfordern: Kinder sollen lernen, mögliche Gefahrenquellen zu erkennen. Dabei sollten sie nicht überfordert werden und Eltern sollten den Entwicklungsstand ihrer Kinder (siehe weiter unten im Text) berücksichtigen.

Diese und weitere Tipps zum Thema Kindersicherheit und Schulweg, sowie viele zusätzliche Infos finden Sie hier.

Verhaltensempfehlungen müssen oft wiederholt und besprochen werden, damit sie sich beim Kind einprägen. Das Gelernte sollte also immer wieder und in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Marion Seidenberger
ÖAMTC-Verkehrspsychologin

Hier gibt's Tipps für Kids

Doch nicht nur für Eltern haben wir Tipps. Worauf Kids besonders achten sollten, gibt's hier zu lesen. 

Konzentration: Ob am Weg oder auf der Straße - Kinder und Eltern sollten sich immer auf den Verkehr konzentrieren. Ablenkungen durch Handy, Musik oder Videos vermeiden, also das Smartphone lieber in der Schultasche lassen.

Augen auf: Auch bei grünen Ampeln zur Sicherheit in beide Richtungen blicken. Auf abbiegende Fahrzeuge und Radler achten.

Austoben daheim, nicht am Weg: Laufen, raufen oder drängeln ist keine gute Idee. Vor allem im Haltestellenbereich solltet ihr immer auf genügend Abstand zum Gehsteigrand achten. Lieber einmal Bus oder Straßenbahn verpassen, als unaufmerksam zu sein.

Aufpassen - auch am Zebrastreifen: Nicht darauf verlassen, dass die Fahrzeuge anhalten. Immer stehen bleiben und schauen, ob Autos kommen und warten bis sie anhalten. Sind Schulweglotsen vor Ort, dann dort die Straße überqueren und auf deren Anweisungen achten.

Lieber stehenbleiben: Manchmal glaubt man: "Es geht sich noch aus". Aber: Im Zweifelsfall unbedingt stehenbleiben und genau schauen.

Achtung bei parkenden Autos: Kinder können zwischen parkenden Autos aufgrund ihrer Größe oft schlecht gesehen werden und sehen selbst auch kaum die Bewegungen auf der Straße. Achtung bei Garagen und Ausfahren! Immer genau schauen.

Diese und weitere Tipps findet ihr hier.

Hinweis für Verkehrsteilnehmende

Zur Erinnerung an alle Autofahrer/-innen: Kinder sind laut StVO vom Vertrauensgrundsatz ausgenommen. Daher vorausschauend und achtsam fahren!

Ebenso gilt bei Kindern die Regelung "Unsichtbarer Zebrastreifen": Sie besagt, dass "Kindern das ungehinderte Überqueren der Fahrbahn ermöglicht werden muss, sobald ihre Absicht zum Überqueren erkennbar ist. Sieht man also ein Kind am Straßenrand, sollte man bremsbereit fahren, um ihnen gegebenenfalls jederzeit ein gefahrloses Queren zu ermöglichen.

Möchte das Kind über die Fahrbahn gehen, sollte man Blickkontakt suchen und mit einem Handzeichen ein eindeutiges Signal geben. Gleichzeitig gilt es, auf den Gegenverkehr zu achten.

Bei Kindern gilt der Vertrauensgrundsatz nicht – also muss der Autofahrer etwaige 'Verhaltensfehler' von Kindern ausgleichen.

Marion Seidenberger
ÖAMTC-Verkehrspsychologin

Info: Entwicklung der Sensibilität für gefährliche Situationen bei Kindern

5 – 6 Jahre:
"Wenn ich das Auto sehe, dann sieht es mich auch."
Das Kind verfügt noch nicht über ein vorausschauendes Gefahrenbewusstsein. Es lässt z.B. plötzlich Mamas oder Papas Hand aus und läuft einfach drauf los.

7 – 8 Jahre:
"Stehen zu bleiben, wenn es gefährlich wird, fällt mir schwer."
Das Kind lernt jetzt langsam, Gefahren vorauszusehen. Es bleibt z.B. normalerweise am Randstein stehen, um in alle Richtungen zu schauen. Wenn ein Ball auf die Straße rollt, läuft es aber immer noch hinterher.

9 – 10 Jahre:
"Ich gehe lieber bei der Ampel über die Straße."
Das Kind beginnt, vorbeugende Verhaltensweisen einzusetzen. Es erkennt z.B. gefährliche Stellen und macht auch einen Umweg, um sicher ans Ziel zu kommen.

11 – 14 Jahre:
"Das Auto fährt aber schnell! Ich bleibe besser stehen."
Das Kind kann sich zunehmend auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren, sein Verhalten auf der Straße wird für andere Verkehrsteilnehmende berechenbarer.

(Quelle ÖAMTC: "Sicher auf dem Schulweg")

Alle Infos finden Sie kompakt in der ÖAMTC-Broschüre: Sicher auf dem Schulweg. Download hier.

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