Vom Winde verweht

Auf den Spuren von Scarlett O'Hara und Rhett Butler durch die US-Südstaaten Georgia und South Carolina.

Alles ist anders im Süden. Es ist heiß. Es ist feucht. Doch das Leben ist erträglich, wenn man zur besseren Gesellschaft gehört – im Georgia der 1860er-Jahre.

So erzählte Margaret Mitchell in ihrem Roman "Gone With the Wind" die Geschichte der oberflächlichen Südstaatenschönheit Scarlett O'Hara, ihrer unglücklichen Liebe zu Nachbarssohn Ashley Wilkes und dem feschen Hallodri Rhett Butler. Das Buch wurde 1936 veröffentlicht und drei Jahre später von David O. Selznick verfilmt. "Gone With the Wind" mit Vivien Leigh, Olivia de Havilland und Clark Gable ist einer der berühmtesten Filmklassiker überhaupt.

Rund vier Millionen Dollar – und sämtliche Nerven der Produzenten – kostete 1939 die Her­stellung des Epos nach Mitchells Roman, fast sieben Milliarden hat der Film bis heute hereingespielt; und die Kasse klingelt noch immer.

Dieser 78 Jahre alte, fast vier Stunden lange Hollywoodschinken prägt bis heute das Bild, das wir von den amerikanischen Südstaaten haben. Die Handlung spielt in Mitchells Heimatstadt Atlanta und den Baumwollplantagen von Georgia; im Herrenhaus Tara der O'Haras beginnt und endet die Story. Dazwischen: ein ganzer Bürgerkrieg.

Mit der Niederlage gegen die Yankees, wie die Truppen der Nordstaaten verächtlich genannt werden, endet die feudale Südstaatenkultur der Plantagen- und Sklavenbesitzer, der Margaret Mitchell nachtrauert – "eine Zivilisation, vom Winde verweht", heißt es im Vorspann des Films.

Leise spüren auch die Fans von "Gone With the Wind" diese Sehnsucht nach Tara und dem Antebellum, der sorglosen Vorkriegszeit – verkörpert von der verwöhnten "Southern Belle" Scarlett. Wir machen uns auf Spurensuche; unser standesgemäßes Reisemobil: ein Cadillac Escalade, das komfortabelste SUV, das Amerikas Autoindustrie zu bieten hat.

Margaret Mitchell House & Museum, Atlanta

979 Crescent Avenue N.E. – hier lebte die 1900 geborene Journalistin in einer kleinen Erdgeschoßwohnung, die sie tatsächlich "Die Müllhalde" nannte. Als sie 1926 krank im Bett lag, begann sie zu schreiben. Und schrieb und schrieb zehn Jahre lang.

Das Buch sollte ihr einziges bleiben. Es brachte Mitchell den Pulitzer-Preis; der Film räumte insgesamt zehn Oscars ab. (Michael Jackson hat einen davon um 1,54 Millionen Dollar ersteigert, seit Jacksons Tod ist die Gold­statuette unauffindbar.)

Jonathan, der uns durch Mitchells Haus führt, scheint Literaturprofessor zu sein, wenn auch ein sehr junger. Lebendig und liebevoll beschreibt er die rebellische Autorin und ihr Leben als "Flapper" – so wurden selbstbewusste Frauen wie sie in den Zwanzigerjahren genannt. Mitchell war zweimal verheiratet, das erste Mal sehr jung, erst 22, und nur zwei Jahre lang. Damals waren so kurze Ehen und so schnelle Scheidungen skandalös. Auch ihre Tätigkeit als Journalistin beim "Atlanta Journal" galt als nicht angemessen für die Tochter aus gutem Haus.

Road to Tara Museum, Jonesboro

Jonesboro, eine halbe Stunde südlich von Atlanta. In einer aufgelassenen Bahnstation ist das Epizentrum der Scarlett-O’Hara-Jünger untergebracht: das "Road to Tara"-Museum. Die eine Hälfte des Museums ist dem Bürgerkrieg gewidmet: Uniformen, Säbel, Kanonenkugeln, Originalfotos von erschöpften Soldaten der Konföderierten. Die andere Hälfte gilt dem Film, der gar nicht hier, sondern komplett in Hollywood gedreht wurde. Damen geraten angesichts einiger Schaufensterpuppen hinter Glas in Verzückung: Diese tragen Repliken der Kleider, die Scarlett-Darstellerin Vivien Leigh im Film getragen hatte.

Um ein bisschen Original-Tara-Gefühl zu schnuppern, führt kein Weg am Besuch einer echten Südstaatenvilla vorbei. Der Stately Oaks Plantation in Jonesboro zum Beispiel, nur fünf Minuten vom Tara-Museum entfernt. Besucher werden beim Eintritt 150 Jahre in die Vergangenheit versetzt, so authentisch präsentieren verkleidete Erzähler das damalige Leben.

The Twelve Oaks

Das wahre Scarlett-Feeling erlebt, wer sich ein Zimmer in "The Twelve Oaks Bed & Breakfast" in Covington nimmt. Diese 1836 gebaute, liebevoll restaurierte Südstaatenvilla ist heute eine entzückende Frühstückspension mit acht Zimmern. Margaret Mitchell kannte das Haus, erzählt Eigentümerin Nicole Greer; auf Wunsch der Schriftstellerin wurde nach dessen Vorbild Ashleys Heim in der Verfilmung ihres Romans entworfen.

Covington, rund 60 Kilometer westlich von Atlanta, ist auch für Vampirfreunde einen Abstecher wert. In dem kleinen Städtchen mit dem charakteristischen Uhrturm finden ständig Dreharbeiten statt, auch die TV-Serie "Vampire Diaries" entstand hier.

Am lebendigsten wird die Zeit des Antebellum in den Städten Savannah und Charleston. Die Altstadt von Savannah gilt mit ihren Sträßchen und den 24 begrünten Plätzen als eine der schönsten der USA. Keine Spur von Hektik auf den Straßen, das Herz der Südstaaten schlägt spürbar langsamer als das der Metropolen im Norden. Im Sommer ist es heiß und feucht wie in den Tropen, in Geschäften, Hotels und Lokalen schaffen Klimaanlagen dagegen frostige Verhältnisse.

Paula, die den Einrichtungsladen "Paris Market" auf der Broughton Street führt und deren Mutter aus Linz stammt, empfiehlt uns einen Ausflug auf die "Millionärsinsel" Tybee Island, dem Naherholungsgebiet der Stadt mit seinem reichhaltigen Freizeitangebot und den schönen Stränden – bloß: Wovon sollte man sich erholen müssen, wenn man in Savannah lebt?

Weiter geht's in unserem Cadillac nach Charleston, der Hafenstadt in South Carolina.

Fast fühlen wir uns overdressed in diesem Fahrzeug; Charleston begrüßt uns zunächst mit windschiefen Holzhäusern, doch das Francis Marion Hotel, vor dem wir schließlich halten, ist das erste Haus am Platz und eines der höchsten Gebäude der Stadt.

Aus Charleston stammte Rhett Butler in Mitchells Roman: die Paraderolle von Hollywoodschönling Clark Gable. Mögen anderswo Hop-on-Hop-off-Busse ihre Runden drehen, Charleston lernt man besser während einer gemächlichen Kutschenfahrt kennen.

Deren Route führt vorbei an der berühmten Rainbow Row mit ihren freundlich bunten Häusern im georgianischen Stil und runter zur Battery. Hier fiel 1861 der erste Schuss des Bürgerkriegs, gefolgt von einer langen Belagerung der Hafenstadt durch die Unionstruppen. Zu Fuß gehen wir die Strecke noch einmal ab und staunen über die prachtvollen Villen, schlendern über den lebendigen City Market und genehmigen uns einen Drink im „Toast“ in der Meeting Street.

Boone Hall Plantation, South Carolina

Etwas außerhalb von Charleston ist eine der größten und sehenswertesten Plantagen des Südens zu besichtigen. Boone Hall ist auch eine der ältesten. Man lasse sich nur nicht durch das Haupthaus täuschen, das ist vergleichsweise jung, es wurde 1936 an der Stelle und im Stil des früheren Hauses errichtet.

Schon die Zufahrt ist ein Erlebnis. Wir nähern uns Boone Hall durch eine prachtvolle Eichenallee, die als eine der schönsten des Landes gilt. Gepflanzt wurden diese mächtigen Bäume 1743.

Linker Hand sehen wir ein paar Steinhäuschen entlang der Auffahrt auftauchen: In diesen acht kleinen Ziegelhütten wohnten im 19. Jahrhundert die im Haupthaus beschäftigten Sklaven unter unvorstellbaren Bedingungen. Zwei Familien, zehn bis zwölf Menschen, mussten sich eines dieser Ein-Zimmer-Häuschen teilen. Und das war ein Privileg, denn jene Sklaven, die in der Gluthitze auf den Baumwollfeldern arbeiten mussten, hausten in noch primitiveren Holzhütten im Norden der Plantage.

Auf dem Weg zurück nach Atlanta machen wir noch einen Zwischenstopp in Madison, Georgia. Noch so eine Kleinstadt, in der jedes Haus Geschichte atmet. Da ist Heritage Hall, das Heim eines prominenten Arztes um 1830. In vielen seiner Fensterscheiben sind eingravierte Namen und Daten erhalten – eine Methode der jungen Damen seinerzeit, die Echtheit der Diamanten an den ihnen verehrten Verlobungsringen zu prüfen: Nur ein echter Diamant kann Glas so tief ritzen. Da ist Boxwood, eine dreistöckige Villa, in der Margaret Mitchell einst zu Gast war. Angeblich kam sie dort angesichts grüner Satinvorhänge auf die Idee der bekannten Szene in ihrem Roman, in der Scarlett Vorhänge ihres zerstörten Heims Tara dazu verwendet, sich ein neues Kleid zu schneidern. Und da ist Honeymoon, ein kleineres Herrenhaus, das 1937 über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt wurde, weil die Tochter des Hauses anlässlich der Verleihung des Pulitzerpreises an Margaret Mitchell eine Gone-With-the-Wind-Party schmiss, die eine ganze Woche dauerte.

Epilog

Schon am Weg von Atlanta nach Savannah waren wir in Jonesboro stehen geblieben, wollten das Road to Tara Museum besuchen. Doch es war Sonntag, das Museum war geschlossen. Vis-à-vis des Museums sollte offenbar ein Wandgemälde entstehen, die Gesichtszüge Scarlett O'Haras (vielmehr Vivien Leighs) waren schon zu erkennen. Am darauffolgenden Freitag kamen wir auf dem Rückweg nach Atlanta wieder durch Jonesboro, das Museum war diesmal geöffnet – und das Wandgemälde zwar noch nicht fertig, aber schon deutlich weiter als ein paar Tage zuvor.

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