Steirischer Herbst

Graz muss sich in der Krise nicht neu erfinden. Auch fast ohne Touristen präsentiert sich die Mur-Metropole jetzt als quicklebendige und lebenswerte Kulturstadt. 

Ein später Nachmittag im September in der Grazer Herrengasse. Ein junges lebendiges Publikum mischt sich mit Angestellten und Beamten, die nach der Arbeit ihre Besorgungen erledigen. Schon füllen sich die Cafés, Bars und Restaurants rund um Franziskaner-, Mehl- und Färberplatz. Touristen aus dem Ausland, die an ihrer Kleidung oder der Sprache zu erkennen wären, sind nur wenige unterwegs.

Für den Gast aus einem anderen Bundesland aber, der gekommen ist, um einige angenehme Tage in der lange nicht mehr besuchten steirischen Landeshauptstadt zu verbringen, macht das zum großen Glück keinen Unterschied. Graz, so lautet der erste Eindruck, ist auch in der Tourismuskrise ein lohnendes Reiseziel, weil hier nichts künstlich für Fremde aufbereitet, hergestellt oder gar zusammengestoppelt wurde. Graz ist eine lebendige lebenswerte Stadt für sich, ohne irgendwelchen Schnick-Schnack.

"Nichts erinnert mehr an das verschlafene und verrufene Pensionopolis", bestätigt auch die Stadtführerin.

Und umgekehrt betrachtet: Weshalb sollte es keine gute Idee sein, aus der Coronavirus-Not eine touristische Tugend zu machen und Österreichs zweitgrößte Stadt neu zu entdecken? Schon 300.000 Einwohner/-innen hat die Mur-Metropole, die Wirtschaftskraft und Lebensstil mit einem kreativen kunstsinnigen Geist vereint.

Wer nach längerer Zeit wieder einmal anreist, wird sicherlich zunächst einmal den Weg hinauf auf den Schlossberg suchen. Es empfiehlt sich, dafür entweder Lift oder Bahn zu benützen, sonst wird gleich die erste ­Etappe schweißtreibend.

Und wie schön: Im "Aiola Upstairs", das eine phantastische Aussicht bietet, sind genügend Plätze frei. Noch besser sind Blick auf Uhrturm und Stadtpanorama vom Chinesischen Pavillon bzw. Bischofsstuhl einige Schritte weiter. Neu ist das Schlossberg-Museum, das auch interaktive Einblicke in die Geschichte der Stadt zeigt.

Für Durstige bietet sich ein weiterer Zwischenstopp in der "Gösser Botschaft" gleich neben der Bergstation der Schlossbergbahn an, die man dann gleich wieder für die Talfahrt nützen kann. Unten angekommen, wird man zunächst einmal vielleicht einige der zahlreichen romantischen Innenhöfe der Stadt bestaunen. Allen voran den Landhaushof, ein Meisterwerk der italienischen Renaissance. Hinter den Rundbogenfenstern tagt noch heute stilsicher der steirische Landtag. Das Kontrastprogramm dazu bietet das Landeszeughaus gleich nebenan, eine der größten historischen Waffensammlungen der Welt mit über 30.000 Exponaten, darunter eine vollständig erhaltene Pferderüstung.

Wie schön: Im Aoila Upstairs am Schlossberg sind Plätze frei, eine phantastische Aussicht wartet.

Bleiben wir einmal bei der Geschichte und bei der Grazer Altstadt als Weltkulturerbe. Die Burg ist nicht nur Sitz der steirischen Landesregierung: Im ersten Hof gelangt man zu einer Doppelwendeltreppe, einem Meisterwerk gotischer Steinmetzkunst, einer von nur drei solchen Konstruktionen weltweit. Nicht weit davon liegt der Dom, den Kaiser Friedrich III. im 15. Jahrhundert als Hofkirche erbauen ließ. Auf diesen Herrscher geht die rätselhafte Abkürzung "A.E.I.O.U." zurück, die auf zahlreichen Bauwerken und Kunstgegenständen zu finden ist und von der es bis zu 300 Deutungen gibt. Und es bleibt kaiserlich in Graz: Gleich neben dem Dom findet sich mit dem Mausoleum Kaiser Ferdinands II. das kunstgeschichtlich bedeutendste Grabmal eines Habsburgers.


Die außerirdische Insel

Das Kontrastprogramm zu diesem barocken Prunk ist selbstverständlich das Kunsthaus, dieses "Friendly Alien", in dessen Acrylplatten sich bei passendem Blickwinkel die Umrisse der Altstadt spiegeln. Ein kleiner Umweg dorthin führt über die Murinsel, die es seit 2003 gibt, als Graz Europäische Kulturhauptstadt war. Im Gegensatz zum Kunsthaus, dessen Café schon am frühen Nachmittag gut besucht ist, wirkt die leere Insel, die an diesem Tag auf der Hochwasser führenden Mur wild schaukelt, tatsächlich wie ein Fremdkörper in der Stadt.

Aktuelle Informationen über Ausstellungen im Kunsthaus gibt es hier. Die Aussicht auf Altstadt und Schlossberg von der Couch ganz oben in der "Needle" des Kunsthauses alleine ist einen Besuch wert.

Die Grazer Altstadt und die sich daran anschließende Mur-Vorstadt bieten alleine genug touristisches Programm für zwei bis drei Tage. Doch bliebe ein Besuch unvollständig ohne Visite des Schlosses Eggenberg, das in 15 Minuten Fahrt bequem mit der Straßenbahn Linie 1 zu erreichen ist. Bis ins kleinste Detail folgt dieses Gesamtkunstwerk einem ausgeklügelten Programm, das in der unruhigen Zeit seiner Entstehung Stabilität und Verlässlichkeit erzeugen sollte.

Herzstück der prachtvollen Anlage ist die nur im Rahmen einer Führung zugängliche "Beletage" mit ihren mehr als 500 Deckengemälden, zugleich Panorama der Universalgeschichte und Tugendspiegel im Geiste des Barock.

Der Garten lädt natürlich zum Spazieren und Flanieren ein. Doch wer genügend Zeit und Kondition hat, sollte auch noch das ­Archäologie-Museum beim Planetengarten besuchen. Beherbergt es doch unter anderem mit dem sogenannten "Kultwagen von Strettweg" einen der wichtigsten Funde aus der Hallstattzeit überhaupt.

Ein nützlicher Begleiter für die Graz-Reise ist die Meine-Reise-App vom ÖAMTC.

Praktische Informationen

In der Grazer Innenstadt ist die "Altstadt-Bim" gratis. Konkret gemeint ist die Strecke zwischen Jakominiplatz und Hauptplatz plus eine Station in beide Richtungen, also beispielsweise bis Schlossbergplatz oder Kunsthaus. Das 72-Stunden-Ticket für den öffentlichen Verkehr gibt es zum Beispiel an den Fahrkartenautomaten und kostet einheitlich € 12,90 pro Person. Zwei Kinder bis zum 15. Geburtstag können pro Ticket gratis mitgenommen werden. Das Ticket gilt auch für die Schlossbergbahn, nicht aber für den Schlossberglift (Erwachsene € 1,70, ermäßigt € 1,20). 

Noch bis Ende Oktober ist man auch in Graz mit Elektro-Mopeds des vom ÖAMTC eingerichteten "easy way-Sharing" um 23 Cent pro Minuten unterwegs. 

Die "Joanneums-Karte" ermöglicht für 24 bzw. 48 Stunden ab Kaufzeitpunkt den Eintritt in alle Ausstellungen des Universalmuseums Joanneum, etwa das Kunsthaus, das Schloss Eggenberg (mit Führung durch die Prunkräume) und das Landeszeughaus. 

Ein nützlicher Begleiter für die Graz-Reise ist die "Meine Reise"-App vom ÖAMTC, die es für Android-Handys und iPhones gibt. Für die Planung empfiehlt sich auch ein Besuch von Graz Tourismus.

Das ÖAMTC-Reisebüro hat Package-Angebote und Hotel-Only-Angebote für den Graz-Besuch.