Zwischenland
Die Region zwischen den Hauptstädten Österreichs und der Slowakei ist eine Reise wert. Es lohnt sich, sie auf zwei oder mit vier Rädern zu entdecken.
Carnuntum und das Marchfeld – eine Region, die zu Unrecht oft unter der Wahrnehmungsschwelle für kurze Urlaube liegt: Zu nah an Wien, zu nah an Bratislava. Und weil diese beiden Städte im Sommer sowieso voll sind, lohnt sich eine Tour durch die Region dazwischen. Zum Beispiel eine Runde, bei der man mehr über das Leben der Römer erfährt, eine mittelalterliche Stadt und ein barockes Schloss besichtigen kann und bei der schlussendlich auch der kulinarischer Genuss nicht zu kurz kommt.
Wer unsere Route nachfahren möchte, kann dies mit dem Auto, dem Motorrad, dem Fahrrad oder dem E-Bike tun, denn die Distanzen halten sich stets in Grenzen: Die komplette Tour ist von/bis Höflein 75 Kilometer lang, sie lässt sich auch in Etappen aufteilen. Wer mit dem Rad unterwegs ist, hat allerdings oft mit dem Wind zu kämpfen – nicht umsonst drehen sich in der Region ziemlich viele Windräder. Die Grafik zeigt übrigens nur die Straßen, die auch mit dem Auto befahrbar sind.
1. Höflein und Göttlesbrunn
Wer gut ausgeruht einen Tag in der Region voll auskosten möchte, könnte sich auch ein Quartier für die Nacht davor suchen. Zum Beispiel in einem der Weinbaubetriebe in Göttlesbrunn oder dem benachbarten Höflein. Weil einige vor Ort auch Gästezimmer und Frühstück anbieten, lassen sich die hervorragenden Weine ohne Risiko am Abend probieren, bevor man morgens die Route angeht.
Elf Beherberger der Region Carnuntum, die einen hohen Qualitätsanspruch stellen, haben sich zur Edition Carnuntum zusammengeschlossen. "Edition Carnuntum ist mehr als eine Marke, es ist ein Versprechen an unsere Gäste, Gastfreundschaft und Kultur der Region zu erleben", sagt Projektleiterin Margit Neubauer, die Leiterin des Tourismusbüros Carnuntum-Marchfeld. Was dabei mitschwingt: Man möchte nicht nur Tagesausflügler ansprechen, sondern auch zum Wochenend-Ziel werden, sogar für Wiener, denn bislang sei deren Interesse in dieser Hinsicht eher nach Westen und Süden ausgerichtet.
So kann man also zum Beispiel bei Manfred Edelmann eines der Gästezimmer buchen, am Abend vielleicht bei Grill-Weltmeister Adi Bittermann, beim Jungwirt oder bei einem der Winzer, die gerade ausgesteckt hat (ersichtlich im Heurigenkalender), einkehren und danach im Quartier noch ein Achterl genießen. "Der 2024er ist ein guter Jahrgang", meint Edelmann bei einem Glas Rubin Carnuntum DAC. Das ist quasi die Gebietsmarke, die rund 40 Winzer in ihrem Portfolio haben. Und immer ein Zweigelt.
Am nächsten Morgen geht es dann in einer Viertel-Autostunde nach Carnuntum. Radfahrenden sei eher eine Route über Nebenstraßen entlang der Felder und Weingärten empfohlen. Sie benötigen dafür zwischen 40 und 50 Minuten.
2. Carnuntum
Wer schon etwas älter und im Osten Österreichs in die Schule gegangen ist, war ganz bestimmt einmal in Carnuntum, einem klassischen Ziel von Wandertagen und Exkursionen. Das Carnuntum aber, das Schülerinnen und Schüler heute besuchen, ist völlig anders. Aus den wenigen freigelegten Grundmauern, die die ältere Generation noch aus ihrer Schulzeit kennt, ist heute eine einzigartige begehbare Römerstadt geworden. Hier wird experimentelle Archäologie praktiziert: Aus den einstigen Grundmauern ist mit Materialien und Methoden, die es nachweislich schon zur Römerzeit gab, ein Stadtviertel der einstigen Zivilstadt wieder aufgebaut worden. "Wenn es neue Erkenntnisse geben sollte, kann alles jederzeit wieder zurück- und neu aufgebaut werden", erklärt unser Guide. "Das ist weltweit einzigartig."
Bevor wir durch das originalgetreu wieder aufgebaute römische Stadtviertel spazieren, sehen wir uns anhand des vor dem Eingang aufgebauten Modells einmal an, was alles sich vor 1.700 Jahren unter unseren Füßen befand.
Aber jetzt! Nach dem Bezahlen des Eintrittsgelds beginnen wir unseren Rundgang durch die restaurierten Teile der einstigen 50.000-Einwohner-Stadt am Donaulimes, der militärisch gesicherten Grenze des Imperium Romanum.
3. Heidentor
Die wahre Ikone des römischen Legionslagers und der Zivilstadt Carnuntum ist das Heidentor. Es befindet sich heute südlich des rekonstruierten Stadtteils – und auch südlich der B9 in 1,5 Kilometern Entfernung. Es ist frei zugänglich und man kann auch direkt zufahren.
Ein Modell zeigt, dass es einmal ein Triumphbogen war, mit vier Pfeilern, die eine überlebensgroße Kaiserstatue umgaben. Es stand 900 Meter vor den damaligen Toren der Römerstadt.
Auf dem Weg ins zehn Kilometer entfernte Hainburg machen wir noch einen Zwischenstopp in Bad Deutsch Altenburg. Dort wollen wir aber nicht das Kurzentrum mit einer der stärksten Jod-Schwefel-Quellen Mitteleuropas, das für Reha-Aufenthalte prädestiniert ist, nutzen, sondern noch ein wenig thematisch bei den Römern bleiben. Dazu besuchen wir das Museum Carnuntinum gleich beim Kurpark, der bis zur Donau reicht.
4. Hainburg
Die Stadt Hainburg kennen die meisten Menschen wohl nur vom Durchfahren. Dabei ist sie es wert, genauer besichtigt zu werden. Dabei fühlt man sich – mit ein wenig Phantasie – ins Mittelalter versetzt: Stadtmauer, Stadttore, Karner, Pranger – all das lässt sich bei einem Rundgang entdecken.
Weil wir morgen auch noch ein dichtes Programm haben, bleiben wir über Nacht. Und zwar im Hotel Altes Kloster, das einen wunderbaren Weitblick über die Donau und ihre Auen bietet. Aber zuvor nehmen wir noch an einem ganz speziellen geführten Rundgang teil.
Gut ausgeruht fahren wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück wieder in Richtung Carnuntum. Nach fünf Kilometern, kurz vor Bad Deutsch Altenburg, geht es an einem Kreisverkehr zur Donaubrücke. Mitten im Kreisverkehr irritieren uns fünf Menschen, die dort stehen. Wir umkreisen sie und sehen: Es sind nur Skulpturen. Erich, der am Beifahrersitz mitfahrende Fotograf, googelt und findet schnell die Lösung – hier. Weil Ende der 1960er-Jahre der damalige Landeshauptmann Andreas Maurer, dargestellt durch die Skulptur im Bild rechts, die Initiative zum Bau der Brücke gab, wurde sie später auch nach ihm benannt.
5. Schloss Hof
Zwölf Kilometer sind es von der Brücke zu unserem nächsten Etappenziel. In Schloss Hof tauchen wir ein in eine der vielen Residenzen eines barocken – na ja, heute könnte man sagen – Oligarchen: Prinz Eugen von Savoyen. Für seine Verdienste als Feldherr der Habsburger, der ihren Einflussbereich vergrößern half, wurde er mehr als fürstlich belohnt. Das bedeutendste seiner Schlösser mag wohl das Belvedere in Wien sein, aber wenn es eine Art Ranking geben sollte, käme Hof gleich dahinter – zumindest unserer Meinung nach. Der Architekt ist bei beiden übrigens derselbe: Lucas von Hildebrandt baute ab 1725 ein bestehendes Renaissancekastell zu einem barocken Jagdschloss um.
Das Schloss und der weitläufige Park, der nach französischem Vorbild hinunter zur March angelegt ist, sind heute so perfekt restauriert, dass Eugen seine Freude daran hätte. Eine Sonderausstellung ist heuer ihm gewidmet.
6. Haslau
Die vorletzte Etappe führt uns mit dem Auto oder dem Motorrad in einer halben Stunde nach Haslau-Maria Ellend. Radelnde benötigen (unmotorisiert) drei Mal so lange, aber sie fahren dabei ein gutes Stück am nördlichen Donauradweg, benützen dann die Fähre, die Orth/Donau mit Haslau verbindet und können – nach diesem Sport – ohne Kalorienzählen mehr von der Drei-Hauben-Küche im Haslauer Hof genießen.
7. Höflein
Zeit für die Schlussetappe. Sie führt uns über zwölf Kilometer in Richtung Südost nach Höflein, in den Nachbarort unseres Ausgangspunkts Göttlesbrunn. Unser Ziel ist ein besonderer Weinbaubetrieb und Heuriger, der kein bisschen rustikal verkitscht und von seinem Angebot her am Puls der Zeit ist.
Winzerin Victoria Gottschuly-Grassl hat den Betrieb ihrer Eltern übernommen und zu einem Genuss-Heurigen gemacht. Weine kann man untertags außer an Sonntagen praktisch immer probieren und ab Hof erwerben, ausgesteckt ist wieder von 7. bis 17. August 2025. Thema diesmal ist Wild.
Noch ein Tipp zum Schluss: Auto oder Motorrad, Fahrrad oder E-Bike – da geht doch noch was in Sachen Verkehrsmitteln für eine Route durch diese ganz sicher unterschätzte Region. Ja, man kann sie auch mit dem Wohnmobil machen und es dort über Nacht positionieren, wo man es kaum für gesetzeskonform hält – Abstellplätze mitten in der Natur als legale Alternative zum Wildcampen quasi. Mit Blick auf Schlösser, am Rande von Parks oder am Rande von Weideland, abseits vom Trubel und im Voraus reservierbar. Ein Folder zum Download findet sich hier, einige Fotos der Stellplätze sind hier zu sehen.