Rausch der Farben

Costa Rica & Panama – ein Paradies für Vogelkundler, Naturliebhaber und Outdoorfreaks. Viele der Tiere und Pflanzen sind einzigartig.  
 

Ich werde aus meinem Traum gerissen: ein Getöse, ein Geschrei – ein Gebrüll wie von einem Raubtier. Ich habe sieben Stunden Zeitverschiebung und leide noch unter Jetlag. Ich schaue auf mein Handy: 5 Uhr. Bin ich in Afrika? Die Laute klingen bedrohlich – wie von einem Löwen. Ich erinnere mich an die Worte unseres Guides Otto gestern Abend: "Die Brüllaffen hört man kilo­meter­weit." 

Aber so laut? Sie sind ja nur etwa 60 Zentimeter groß. Ich springe auf, schnappe meine Kamera, lege sie wieder hin. Es ist ja doch noch finster. Vorsichtig öffne ich die Tür ­einen Spalt breit. Ob der Brüllaffe direkt vorm Zimmer sitzt? Niemand da. Ich öffne die Tür ganz, bin nun mittendrin im Dschungel-Konzert.

Ich bin jetzt hellwach. Exotische Vögel zwitschern und singen immer lauter in den Brüll-Pausen. Es dämmert. Das Konzert hat seinen Höhepunkt erreicht. Das ist Costa Rica. Ich bin angekommen, bin glücklich – bin mitten im Dschungel. Weit und breit kaum Zivilisation. Die Sonne geht auf, es wird wärmer. Das Konzert verstummt. 

Video: Dschungelleben in Costa Rica

Tierreichtum am Fluss

Auf geht’s zu unserer morgendlichen Flusssafari im Caño-Negro-Naturschutzgebiet. Hunderte Kaimane säumen das Ufer, liegen auf der Lauer. Auf den sonnigen Baumkronen thronen Grüne Leguane, als ob sie das rege Treiben am Fluss beobachten würden. Helmbasilisken flitzen über die Wasseroberfläche. "Deswegen werden sie auch Jesus Christ ­Lizards genannt", erklärt unser Reiseleiter ­Otto. Sie können übrigens auch ihre Farbe ändern, um optisch mit der Umgebung zu verschmelzen.

Otto zeigt auf zwei Kormo­rane, die ihre ausgebreiteten Flügel trocknen lassen: "Die sind ausgezeichnete Taucher."

Vom Wasser aus kann man die Tiere am besten beobachten, denn mit dem kleinen Boot kommen wir besonders nahe an das spektakuläre Geschehen heran, ohne die ­Lebewesen zu stören. 

Unzählige Male schlägt der Schlangenhalsvogel den Fisch, den er mit seinem Schnabel aufgespießt hat, gegen den dicken Ast. Jedes Tier verfolgt ein anderes Ziel: Die männlichen Blatthühnchen, auch Jacanas genannt, haben harte Arbeit zu leisten. Sie müssen noch vor der Paarung ein robustes und schönes Schwimmnest bauen. Otto lacht: "Sonst läuft mit dem Weibchen erst mal nichts." 

Unser kleines Boot ist noch immer mitten im Geschehen. Wir fahren vorbei an Eis­vögeln, Seeadlern, Schwarzkopfgeiern und unzähligen Schnee-, Tiger-, Silber- und ­Löffelschnabelreihern. Hier wird jeder Urlauber zum Hobby-Vogelkundler. 

900 verschiedene Vögel zählt das kleine Land, das sind mehr Arten als in ganz Europa. Costa Rica ist um ein Drittel kleiner als Österreich und gehört dennoch zu den artenreichsten Ländern der Welt. Ein Viertel der Landesfläche steht unter Naturschutz, auch das ist einzigartig. 10.000 verschiedene Pflan­zen wachsen im tropischen Regen-, Man­gro­ven- und Nebelwald, der zu den meist gefährdeten Landökosystemen der Erde zählt. 

Bunte und aufregende Tierbegegnungen

Ab in den Dschungel

Das Spiel von Licht und Farben im Blätterdach des Regenwaldes erleben wir sehr eindrucksvoll im Hängebrückenpark Mistico, gleich beim Vulkan Arenal Nationalpark. Wir wandern durch den Dschungel vorbei an dem aktiven Vulkan, dürfen ihn aber aus ­Sicherheitsgründen nicht besteigen.

Otto zeigt uns den über die Kronenschicht hinausragenden Kapokbaum: 500 Jahre alt, 70 Meter hoch. Ich spaziere rund um ihn herum und zähle 52 Schritte. Wir gehen weiter und sehen eine Wanderpalme, die sich, wenn sie zu wenig Licht bekommt, mit ihren langen Wurzeln am Boden einfach weiterbewegt. "Und aus dieser Palme da drüben werden die essbaren Palmherzen gewonnen", deutet der Reiseleiter. "Köstlich, das ist eine Delikatesse bei uns."

Costa Ricas große Naturschauspiele

Garten Eden

Costa Rica heißt "reiche Küste" und wird auch die Schweiz Mittelamerikas genannt, da es sich in puncto Wohlstand und politischer Stabilität deutlich von seinen Nachbarstaaten abhebt. Das Land ist sicher, es gibt kein Militär, keine bettelnden Kinder, und Umweltschutz wird großgeschrieben.

Das Ökoparadies ist auch Eldorado für Abenteurer: ob Raften, Canopy oder Surfen am Pazifik. In Puerto Viejo, dem alten Hafendorf an der karibischen Seite, können auch Einsteiger surfen lernen. Hier sind die Rastas und Hippies zu Hause. Im Dorf reihen sich farbenfrohe Häuser aneinander: Geschäfte, Restaurants und Bars, aus denen Reggae-Beats tönen.

"Pura vida" heißt reines Leben. Das sagen wir zur Begrüßung oder einfach so. Es ist aber mehr als das, es ist unser Lebensstil.

Otto, Guide

An der Karibikküste

In einigen Gebieten Costa Ricas reicht der Regenwald bis an die Küste heran, wie etwa im Nationalpark Cahuita, der nur wenige ­Kilometer von Puerto Viejo entfernt liegt. Einzigartig ist diese Vermischung mit dem Mangrovenwald. Bade- und Schnorchel-Equipment nicht vergessen, Fernglas und Wanderschuhe einpacken!

Die Wege sind sehr gut markiert. Ein paar Urlauber leihen sich ein Kajak und fahren den Fluss entlang. Wir wandern entlang der puderweißen Karibikstrände, bleiben dabei immer wieder im Urwald stehen. Ohne unseren Guide wären wir wohl an allen Highlights vorbeigelaufen. Er zeigt uns eine Fledermaus, ruhend in einem großen Blatt. Weißkopf­kapuziner­äff­chen schwingen sich von Baum zu Baum. Der Waschbär dürfte Menschen gewohnt sein, er schnuppert unbekümmert weiter.

Was für ein Glück: Ein Faultier am Baum ist gerade aufgewacht, hängt akrobatisch an einem Arm. "Meistens bewegen sie sich eine Woche nicht vom Fleck und schlafen tagelang", erzählt Otto. "Unglaublich, 80 Prozent ihres Körpers sind Muskelmasse." Aber ­irgendwann müssen sie ja doch "ihr Geschäft" verrichten und klettern in Zeitlupe den Baum hinunter.  

Cahuita Nationalpark & Puerto Viejo

Zu Fuß nach Panama

Von Cahuita erreichen wir in einer Fahrstunde Sixaola, die Grenze zu Panama. Wir gehen zu Fuß über die Brücke, erreichen das Nachbarland. Nur wenige Kilo­meter entfernt befindet sich ein weiteres Paradies: die ­Inselgruppe Bocas del Toro. Wir gönnen uns ein paar Tage Ruhe, gehen schnorcheln, erkunden unbewohnte, karibische Inseln, bevor wir in das Flugzeug nach Panama-Stadt steigen.

Vom Urwald in den Großstadtdschungel

Da bin ich nun, in einer Stadt mit dem Sonnenaufgang über dem Karibischen Meer und dem Sonnenuntergang über dem Pazifik. Ich spaziere abends die Uferpromenade Avenida Balboa mit all ihren Jachten und Booten entlang. Weibliche Instagram-Models posieren in High Heels, Burschen toben sich auf Klimmzugstangen aus. Am Crossfit-Parcours trainieren Sportler. Während ihnen Schweißperlen über die Stirne laufen, genieße ich den Blick auf die Skyline, die von der Abendsonne in ein rosafarbenes Licht getaucht wird. 

Über die Cinta Costera radelt man direkt in die Altstadt Casco Viejo. Die Kolonialstadt wurde bei einem Piratenüberfall 1671 zerstört und anschließend auf einer felsigen Halbinsel am Fuß des Cerro Ancón wieder aufgebaut, wo sie sich noch heute befindet. Seit 1997 zählt sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zu den kulturellen Sehenswürdigkeiten, die sorgsam restauriert wurden und werden, gehören der Präsidentenpalast sowie historische Häuser und Kirchen. Der goldene Altar, der heute in der San-José-Kirche steht, wurde während der Plünderung durch die Piraten von den Einheimischen gefinkelt "versteckt": mit Tonerde schwarz angemalt.

In der Altstadt stehen an jeder Ecke Polizei und Militär. Touristen sind hier sicher. Geht man ein paar Schritte weiter, gelangt man in den nicht überwachten Stadtteil El Chorrillo und erlebt das ursprüngliche Panama – am besten auf einer geführten Tour bei Tageslicht. Wer alleine auf Entdeckung geht, dem zeigen die Einheimischen freundlich, aber bestimmt den Weg zurück in die Altstadt. 

Ein Streifzug durch Panama City

Panama: Kanaldurchquerung

Eine Bootsfahrt, die noch lange in meiner Erinnerung bleiben wird, ist die Fahrt durch den 82 Kilometer langen Panamakanal. Wer, wie ich, nicht den ganzen Tag unterwegs sein möchte, kann eine mehrstündige Teildurchfahrt von Corte Culebra bis nach Panama-Stadt unternehmen. Wir fahren direkt vor einem Container-Schiff durch die Schleusen. Warten in den Kammern, bis sich das Wasser absenkt und die Schleusentore geöffnet werden.

"Das sind die Originaltore aus dem Jahre 1914", erzählt mir der Schiffslotse Rolando. Vor 20 Jahren wurde der Kanal an Panama übergeben, davor lag er in den Händen der USA. "Container-Schiffe benötigen etwa zwölf Stunden, bis sie durch den Kanal gefahren sind", so der Schiffslotse. Die Gebühren sind schwindelerregend hoch: Mehrere 100.000 US-Dollar kostet eine Durchfahrt für einen Container-Riesenfrachter. 

Wir fahren in Panama-Stadt ein. Vor der Skyline sind sie wieder da, die Farben: Gelb, Blau, Rot, Grün. Wie bunte Falten am Meer wirkt das Dach des Biomuseo, dessen Form ans Guggenheim-Museum in Bilbao erinnert. Der Eindruck stimmt: Gebaut wurde es ebenfalls vom Stararchitekten Frank Gehry.

Die Tour ist hier zu Ende: Die Farben, Tierlaute und berauschenden Düfte werden aber noch lange meine Sinne beleben.

Video: Fahrt durch die Kanal-Schleusen

Angebot von ÖAMTC Reisen

Das ÖAMTC-Reisebüro bietet Costa Rica & Panama City zu mehreren Terminen an. Nähere Infos unter Tel. 0810 120 120, in allen Filialen und im Internet-Portal von ÖAMTC Reisen.

Die Reportage ist auch in der April-Ausgabe 2019 von auto touring erschienen.