Querfeldein durch die Masuren

Im Škoda Kodiaq unterwegs durch eine wunderbar weite Landschaft im ehemaligen Ostpreußen.

Die Masuren? Kannte ich bislang nur aus dem Fernsehen. Aus Dokus in den deutschen Dritten mit Titeln wie "Weihnachten in den Masuren", "Sommer in den Masuren" oder "Wildes Masuren". Und immer waren es die Bilder, die mich dabei faszinierten. Sie zeigten stets ein weites Land mit sanften Hügeln, riesigen Weizenfeldern, dichten und weniger dichten Wäldern und unzähligen Seen. Und darüber ein endlos erscheinender Himmel, der das alles in ein ganz spezielles Licht tauchte, wie es nur noch in der Provence oder an Andalusiens Costa de la Luz zu finden ist. Ich hatte die Masuren als Sehnsuchtsziel auf meinem Radar, nahm mir vor, irgendwann einmal hinzufahren.

Und plötzlich hatte ich die Chance, auf Einladung von Škoda mit deren neuem SUV, dem Kodiaq, die Masuren zu durchqueren. Ich musste sie einfach wahrnehmen.

Die Masuren: Ein Land wie aus dem Bilderbuch – aber auch ein Land wie ein gebeuteltes Schicksal. Ein Teil Ostpreußens, bewohnt von deutschen, vornehmlich evangelischen Siedlern. Nachdem die Pest ganze Dörfer und Landstriche entvölkert hatte, kamen 1732 auch Protestanten aus Salzburg auf Einladung hierher. 1871 ging Ostpreußen im Deutschen Kaiserreich auf, wurde 1918 ein Teil Deutschlands. 1944/45 dann Flucht und Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung – nur wenige durften bleiben. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der nördliche Teil Ostpreußens mit der Hauptstadt Königsberg zur Sowjetunion und ist heute russisch (Königsberg heißt jetzt Kaliningrad), der südliche gehört seither zu Polen. Eine Reise durch die Masuren ist heute eine Reise durch einen Teil Polens – genauer gesagt durch die  Woiwodschaft Ermland-Masuren.

Die Tour durch die Masuren

Ab Beginn stand ein Flug nach Warschau, wo bereits zwölf Škoda Kodiaq 4x4 (mit 150 oder 190 PS starken TDI-Motoren) auf uns warteten. Die ersten 150 Kilometer unserer Route waren völlig unspektakulär: Zuerst einmal um das Zentrum von Polens Hauptstadt herum, dann durch endlos scheinende Gewerbegebiete und vielbefahrene Straßen bis nach Pułtusk, einer der ältesten Städte des Landes. Pułtusk war Schauplatz zweier großer Schlachten, einmal im Großen Nordischen Krieg 1703 und dann während der Napoleonischen Kriege 1806.

Auch die weitere Route Richtung Norden verlief auf den nächsten 60 Kilometern völlig unspektakulär. Aber nach der Mittagspause ging's los. Und zwar genau in dem Moment, in dem wir das asphaltierte Straßennetz verließen und über staubige Schotterpisten und gepflasterte Güterwege fuhren. Bis wir die Johannisburger Heide erreichten, deren Name eigentlich ein Trugschluss ist: Handelt es sich doch um eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete in Europa. Dichte Tannenwälder, aufgelockert durch Laubbaumbestände. Kiefern, Fichten, Eichen, Linden, Birken und Ahorn. Dazu Moore und Sümpfe. Und über lange Strecken keine Menschenseele – außer uns.

Die Strecke war von echten Profis ausgesucht worden, jenen Spezialisten, die quasi im Hauptberuf die Sonderprüfungen der Polen-Rallye zusammenstellen. Deshalb zeigt die Karte oben auch nicht die wirklichen Querfeldein-Strecken, sondern die touristischen auf den ganz normalen Asphaltstraßen.

Die Wege, die wir unter die Räder nahmen, waren viel selektiver und sind für eine gemütliche Tour mit der Familie weniger geeignet.

Als sich das Dickicht der Wälder lüftete, eine Überraschung: ein wunderschöner See mit dem für uns unaussprechlichen Namen Brzozolasek, umgeben von dunklen Wäldern – ein Idyll. Und auf der einzigen Wiese am See ein Fachwerkhaus mit Liegewiese und Badesteg, das Jabłoń Lake Resort.

Tag zwei der Tour

Die Nacht verbrachten wir in Mikołajki, zu deutsch Nikolaiken. Die Stadt am gleichnamigen See verdankt ihren Namen dem Heiligen Nikolaus, dem Beschützer der Fischer und der Segler. Sie soll nach und nach zu einem Segelrevier von Weltgeltung ausgebaut werden – der riesige Spirdingsee ist erstens ja nicht weit und zweitens mit unzähligen anderen Seen verbunden. Die ersten Yachten sind bereits im Hafen, die ersten Segler aus den USA und aus Frankreich schon da, sie wohnen so wie ich im Hotel Mikołajki. Es ist ein moderner Neubau, der auf einer Insel gegenüber der Stadt errichtet wurde, und von meinem Zimmer hatte ich den perfekten Fotoblick. 

Pünktlich um acht Uhr früh standen die Kodiaqs wieder bereit, unsere Tour ging weiter. Der Himmel, der gestern noch so wunderbar blau war, ergraute jäh, als wir bereits eineStunde lang auf schlechten Pisten nach Westen unterwegs waren. Die düstere Lichtstimmung durchaus passend zum nächsten Zwischenziel: Adolf Hitlers ostpreußisches"Führerhauptquartier", die Wolfsschanze bei Rastenburg, heute Kętrzyn. Hier verbrachte der Diktator im Zweiten Weltkrieg 848 Tage, hier traf er alle Entscheidungen vom Angriff auf Stalingrad bis zur Zerstörung Warschaus – und hier fand am 20. Juli 1944 das Attentat auf ihn statt. Claus Schenk Graf von Stauffenberg deponierte während einer Lagebesprechung mit Hitler und seinen Generälen eine Aktentasche mit Sprengstoff unter dem Kartentisch. Stauffenberg flüchtete kurz vor der Explosion, die vier Menschen das Leben kostete, Hitler wurde nur leicht verletzt. Dennoch lief die "Operation Walküre" an – und scheiterte.

Zurück nach Nikolaiken geht es wieder durch die Johannisburger Heide. Wir passieren dabei mitten in der Landschaft stehende verlassene Gutshöfe mit verfallenden Bauten aus Backstein und Scheunen ohne Dächern. Die Menschen, die hier lebten, sind wahrscheinlich 1944/45 geflüchtet oder wurden vertrieben. Und die, die aus anderen Gebieten Polens hier angesiedelt wurden, wurden bald darauf gezwungen, in landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften einzutreten, für die neue Bauten gleich neben den alten errichtet wurden. Vielerorts verfallen diese gerade – und die ursprünglichen Höfe werden wieder herausgeputzt.

Stets gut in Schuss scheinen hingegen die Kirchen in den Dörfern. Die Masuren waren bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mehrheitlich evangelisch, die zugezogene Bevölkerung fast ausschließlich katholisch. Viele verlassene evangelische Kirchen erlebten damals quasi eine Gegenreformation – und sind heute allesamt gut erhalten.

Was uns auch noch auffällt: Überall in der Heide finden sich Storchennester. Jeder vierte Storch weltweit soll sich um diese Zeit hier befinden. Sie leben und brüten auf Rauchfängen, Kirch- und Wassertürmen, Strom- und Beleuchtungsmasten. Die Masuren sind bei Meister Adebar und seinen Artgenossen äußerst beliebt: Hier hat er beste Lebensbedingungen. Er schätzt die vielen Seen und Tümpel, die ihm reichlich Nahrung bieten: Frösche, Mäuse, Würmer. Aber auch Wiesen und Weiden bieten den Störchen ein Festmahl. Zuerst staunen wir noch, als wir die Schreitvögel sehen: majestätisch gelassen hinter Traktoren hergehend und zwischen Kühen stelzend. Wir beobachten, wie sie mit ihren langen Schnäbeln ihre Nahrung aufpicken. Doch bald schauen wir gar nicht mehr hin: Dieses Schauspiel ist Alltag hier.

Bis Ende August leben die Störche in den Masuren, dann brechen sie auf – über den Balkan, die Türkei und den Bosporus, über Iran und Irak fliegen sie nach Ägypten, wo sie dem Nil südwärts folgen und in Südafrika ihr Winterquartier nach drei Monaten und 10.000 Flugkilometern erreichen.

Wir machen Pause auf einem Bauernhof, beobachten noch einmal den Storch des Hauses und sehen uns die für Ostpreußen so typischen Trakhenerpferde an.

Eben, als die Sonne schon recht flach steht und ihr Licht die Farben wohlig warm erscheinen lässt, erreichen wir Nikolaiken. Wir stellen die Kodiaqs ab und schlendern über die neue Fußgängerbrücke durch die Stadt zum Hafen, wo bereits ein Zweimaster auf uns wartet. Mit ihm sollen in den Spirdingsee stechen, um dort den Sonnenuntergang zu genießen.

Tag drei der Tour

Wieder starten wir morgens um acht, und zehn Minuten später verlassen wir schon das asphaltierte Straßennetz. Die Landschaft, die wir durchqueren, ist am dritten Tag unserer Querfeldein-Tour bereits ein Déjà-vu: endlose Felder, Wiesen und Wälder, sanfte Hügel und Seen. Wir haben 185 Kilometer vor uns, sie führen direkt nach Westen. Das Ziel ist Katy (Kanthen), ein ganz kleiner Ort, in dem nur ein paar Menschen leben. Und dennoch kommen Jahr für Jahr Zigtausende hierher. Sie alle beobachten ein technisches Schauspiel, das in Europa einzigartig ist.

Gerade als wir ankommen, erleben wir noch mit, wie ein Schiff über einen Berg fährt. Das seltsame Schauspiel passiert schon seit mehr als 150 Jahren im Westen Masurens. Der Oberländische (auch Oberländer oder Oberland-) Kanal entstand 1844–1860, um die großen Waldgebiete um Städte wie das Elbląg (Elbing) oder das 81 Kilometer entfernte Ostróda (Osterode) mit dem Frischen Haff und der Ostsee zu verbinden. Bloß waren dabei auf einer Teilstrecke von 9,5 Kilometer mehr als 100 Höhenmeter zu überwinden. Als Alternative zu 30 Schleusen bot sich die verwegene Konstruktion eines Schlepplifts für Schiffe an. Über fünf hügelige Teilstrecken werden sie mit Hilfe von Rollwagen durch Wasserkraft über grüne Wiesen gezogen.

Während wir wie gebannt verfolgen, wie ein Ausflugsschiff mit wild fotografierenden Touristen nach Überwindung der fünften Bergauf-Etappe gerade in die Fortsetzung des Kanals gleitet, wird ein Buffet mit regionalen masurischen Spezialitäten aufgedeckt. Bevor wir zur Schlussetappe nach Marienburg aufbrechen, sollen wir uns mit frisch geräuchertem Aal und Gebackenen Mäusen stärken. Warum nicht?

Start frei zu den letzten 50 Kilometern unserer Offroad-Tour durch die Masuren. Das Ziel der Schlussetappe heißt heute Malbork und hat immerhin fast 40.000 Einwohner. Bekannt ist das einstige Marienburg vor allem wegen seiner riesigen Ordensritterburg auf einem Hügel am Nogat-Fluss, mit deren Bau in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begonnen wurde, als die Hochmeister des Deutschen Ordens ein Zentrum des Deutschordensstaates schufen. Wir parken die Kodiaqs an der ehemaligen Vorburg direkt vor dem Haupteingang. Ich kann nur staunen über die Gewaltigkeit der Backstein-Burg, deren gesamter Komplex 20 Hektar umfasst, zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt und im Vorjahr fertig restauriert wurde. Alle Kriegsschäden sind jetzt eliminiert.

Ich stapfe zusammen mit dutzenden Touristen über die den ersten Wehrgraben überspannende gedeckte Brücke zum Mittelhof, die Führung durch den Hochmeisterpalast kann beginnen. Dann geht es weiter hinauf über den ehemaligen Wassergraben zum Hochschloss. Echt spannend der Kontrast der modernen Kunstwerke zum Innenhof des Backsteingotik-Juwels!

Alles hat ein Ende, auch meine Tour durch die Masuren. Sie führte mich über 785 Kilometer, mindestens 600 davon ziemlich holprig. Der Škoda Kodiaq ist zwar kein wirklicher Geländewagen, aber die zum Teil wirklich recht ruppigen Pisten meisterte er souverän und komfortabel. Die Ersatzreifen auf dem Dach blieben ungenutzter Ballast. Es gab zwar zwei Reifenschäden – aber bei den Octavia-Begleitfahrzeugen. Der Spritverbrauch betrug laut Bordrechner 6,9 l/100 km. Wer die Tour nachvollziehen will und sich dafür einen Kodiaq bestellt, kann die Reise erst im nächsten Jahr antreten: 10 Monate beträgt die Wartezeit auf Škodas SUV-Bestseller zur Zeit. 

Wir machen noch ein Abschieds-Gruppenbild, bevor wir in die Helikopter umsteigen, die uns über 60 Kilometer nach Danzig bringen. Ein letztes Mal sehen wir noch die Masuren – diesmal von oben.