Im Wüstenreich

Das Sultanat Oman auf der Arabischen Halbinsel versucht den Balanceakt zwischen Modernisierung und Bewahrung arabischer Tradition. Das ist durchaus sehenswert.

Eine frühe Sonne taucht die Dünen der Ramlat al Wahiba in rotgoldenes Licht. Noch schlafen die meisten Touristen, die im luxuriösen Desert Oryx Camp mitten in dieser Sandwüste eine bequeme Nacht verbracht haben. Doch ich habe es schon eilig, jede Minute dieses einzigartigen Morgens ist kostbar.

Gleich neben dem Camp türmt sich der Sand zu bis zu 200 Meter hohen Dünen auf, die erbarmungslose Winde aus dem Inneren der Arabischen Halbinsel herangeschafft haben. Fast kein Laut ist zu hören, nur ein feines Zischen und Rieseln verrät die Arbeit der Natur, während sanfter Wind meine Haut kitzelt und die noch kraftlose Sonne langsam höher steigt. Es riecht nach Abenteuer. Und Freiheit.

Allzu lange haben wir aufgrund der Pandemie aufs Reisen verzichten müssen. Ich meine jetzt nicht den klassischen Urlaub mit Wandern in den Alpen, Baden am Meer oder Ausspannen in der Ferienwohnung, sondern das reisende Entdecken von Neuem, Fremdem, Unbekanntem.

Doch in diesen Wochen und Monaten sind neue Aufbrüche wieder möglich geworden und es gibt Gelegenheiten, lange gehegte Träume wahr werden zu lassen.

Reisen nach Arabien waren auch schon vor der Pandemie in letzter Zeit kein einfaches Unterfangen. Ein Blick auf die Landkarte zeigt ein Kaleidoskop von Ländern und Re­gionen, von denen die meisten regelmäßig in unerfreulichem Zusammenhang ihren Auftritt in den Abendnachrichten haben.

Doch es gibt auch Ausnahmen, das sichere Arabien sozusagen. Dubai und die anderen Emirate am Golf etwa gehören dazu. Oder der Oman, der vielerorts als Geheimtipp gehandelt wird.

Was wird mich dort erwarten?

Durchs Wüstenreich – das Video

Zunächst einmal erwartet mich Ahmad. Er steht mit einem Namenstaferl am Ausgang des Flughafens der omanischen Hauptstadt Muscat und winkt mir zu: "Willkommen im Oman!"

Ahmad, ein freundlicher junger Mann, trägt eine Dishdasha, ein langärmeliges, hemdähnliches Gewand aus weißer Baumwolle, das bis zum Knöchel reicht, und eine Kufiya, ein arabisches Kopftuch für Männer. Das sieht alles ziemlich gut aus. Bald stellt sich heraus, dass Ahmad eigentlich aus Ägypten stammt, mit den Gewohnheiten des österreichischen Schmähs durchaus vertraut ist und auf fast alle komplizierten Fragen der Besucherinnen und Besucher aus dem fernen Alpenland eine gute Antwort weiß.

Vom Flughafen fahren wir in einem bequemen Kleinbus über von Palmen gesäumte Boulevards durch die Hauptstadt Muscat, die sich über einen 100 Kilometer langen Küstenstreifen am Golf von Oman erstreckt. Wir staunen, wie schön, sauber und modern hier alles ist.

Unser Ziel ist gleich eines der Highlights der Stadt, denn die vor 20 Jahren um angeblich 1,3 Milliarden US-Dollar erbaute Sultan-Qaboos-Moschee kann man (außer an Freitagen) nur von 8 bis 11 Uhr besichtigen. Sonst ist sie für bis zu 20.000 Gläubige gleichzeitig reserviert. Die überwältigende Pracht im Inneren in den Farben Blau, Grün und Gold mit einem Acht-Tonnen-Kronleuchter und einem aus 1,7 Milliarden Knoten handgeknüpften Teppich gibt einen ersten Eindruck vom Reichtum dieses Landes und seiner Bewohner/-innen.

Aber wie ist es dazu gekommen, zu diesem Oman, der seine arabischen Traditionen behalten möchte, aber trotzdem ein modernes Land sein will?

Ahmad führt unsere Reisegruppe in das historische Zentrum von Muscat (das übrigens nichts mit der Muskatnuss zu tun hat und "Mascat" ausgesprochen wird). Hier steht mit dem prächtigen indischen Vorbildern nachempfundenen Qasr Al Alam eine der (wahrscheinlich) sechs Residenzen des ­aktuellen Sultans Haitham ibn Tariq. Sein überaus beliebter Vorgänger Qaboos bin Said regierte nach einem Putsch 1970 genau ein halbes Jahrhundert lang bis zu einem Tod 2020 und machte aus dem verarmten isolierten Oman ein wohlhabendes Land, das sich aus allen revolutionären und kriegerischen Stürmen rundum heraushalten und seine arabisch-muslimische Kultur behalten konnte.

Unsere Gruppe ist skeptisch und fragt nach Demokratie und Menschenrechten. Darauf ist Ahmed durchaus vorbereitet: "Das ist natürlich nicht so wie bei euch. Der Sultan hat in allem das letzte Wort."

Später zeigt uns Ahmed auch die neuen Polizeikasernen, die am Rand der großen Städte während des Arabischen Frühlings errichtet wurden. Einige in unserer Gruppe sehen das so: Für ihr Wohlverhalten genießen die Omanis die Vorzüge aus dem Öl- und Gas-Reichtum. Diese können sich sehen lassen: Familieneinkommen wie in Europa, kaum Steuern, und wer sich bei der Heirat kein Haus leisten kann, bekommt vom Sultan eben eines geschenkt.

Vom Suq in Muscat zu den Oasen

Später spazieren wir durch den Suq, bestaunen die Gold- und Schmuckgeschäfte mit ihren glitzernden Auslagen, den sauberen Fischmarkt und decken uns für die Tage in der Wüste mit Kopftüchern ein.

Am nächsten Tag kann ich es dann gar nicht erwarten, die moderne Stadt zu verlassen und ins Land hinaus aufzubrechen. Wir fahren Richtung Südosten, zunächst durch eine kahle Gebirgslandschaft und dann die Küstenstraße den Golf von Oman entlang zum Wadi Tiwi (ausgesprochen: "Tui"), einem grünen Paradies aus Palmen und Süßwasser in einer tief ins Gebirge eingeschnittenen Schlucht.

Ahmad gibt den Einheimischen ein kleines Trinkgeld, dann lassen wir uns in dem kleinen Ort Harat Bidah im Schatten einer Tamarinde nieder und genießen unser mitgebrachtes Picknick: Houmus (Kichererbsenpüree), Tabuleh (Weizenschrot mit Paradeisern und Minze), gefüllte Weinblätter, dazu Fladenbrot und Tee. Was für eine wunderbare Art, die Mittagshitze vorbeigehen zu lassen!

In der alten Hafenstadt Sur übernachten wir in einem sauberen Drei-Sterne-Hotel, das ausgezeichnetes Buffet-Abendessen bietet. Ab hier werden nächtliche Ausflüge nach Ras al Jinz an der östlichen Landspitze der Arabischen Halbinsel ange­boten, wo man – unter strenger Aufsicht von Naturschützern – Meeresschildkröten bei der Eiablage an Land beobachten kann. Wie bei allen Schauspielen ist man auf die Mithilfe der Natur angewiesen. Und an diesem Abend haben sich die Schildkröten entschieden, eben lieber im Arabischen Meer zu bleiben.

In Sur führt uns Ahmad in eine Dhau-Werft. Mit diesen traditionellen ozeantüchtigen Schiffen fuhren die Omani auf Handels- oder Sklavenfahrt nach Indien und Afrika, heute werden die ganz aus Holz – ohne Schrauben und Nägel – gezimmerten Dhaus vor allem für touristische Zwecke oder als private Yachten genutzt. So eine handgefertigte Dhau kann eine Million Euro kosten.

Dann geht es in die Wüste – zunächst einmal ins Wasser. Denn im Wadi Bani Khalid können wir die Badesachen auspacken und in "Pools", die aus unterirdischen Quellen gespeist werden, ein herrlich erfrischendes Bad nehmen. Hautenge Badehosen für Herren bzw. Badeanzüge für Damen sind wie überall im Oman auch hier nicht erlaubt.

Vom Desert Oryx Camp in die Oasenstadt Nizwa

Später wechseln wir von der Stein- in die Sandwüste: 13.000 Quadratkilometer misst die Ramlat al Wahiba hinter dem bis zu 2.000 Meter aufragenden Hajar-Gebirge.

An einer Tankstelle warten bärtige Beduinen, wir steigen in ihre Geländewagen um und rasen hinaus in die Wüste. Die Dünen-Touren im Allradler samt Nervenkitzel bei Steilhang-Driftfahrten im Sand gehören ebenso zum Standardprogramm der Touristencamps in Wahiba Sands wie der morgendliche Ausritt auf einem Kamel. Die Landschaft jedenfalls ist atemberaubend.

Angesichts der scheinbar endlosen Sandwüste kann man sich gar nicht vorstellen, dass hier auch immer wieder ­Zyklone aus dem Indischen Ozean für schweren Dauerregen sorgen können, die Sturzfluten können lebensgefährlich sein.

Schweren Herzens nehme ich nach nur einem Tag und einer einzigen Nacht Abschied vom Desert Oryx Camp. Gerne hätte ich die Geheimnisse dieser Wüste noch ausführlicher erkundet. Doch der Weg unserer Gruppe führt nun wieder zurück nach Westen, zunächst zur Palastfestung Jabrin, einem Juwel omanischer Wohnkultur – errichtet 1670 als ländliche Sommerresidenz von Imam Bil’Arub, dessen Vater Sultan bin Saif die Portugiesen aus dem Oman vertrieben hatte.

Von Jabrin kann man eine kurvenreiche Straße ins Gebirge hinauf zum Jebel Shams nehmen, dem mit 3009 Meter höchsten Berg des Oman – phantastische Aussichten auf die wilde Berglandschaft inklusive.

Die alte Oasenstadt Nizwa liegt inmitten von Granatapfel-Plantagen, Rosenfeldern und Palmenhainen am Fuße dieses Gebirgs­zuges. Das 871 erbaute Fort wurde nach umfangreichen Renovierungen erst vor einigen Monaten wieder eröffnet – ein Palast, wie man ihn sich in Tausendundeiner Nacht vorstellt. Auch im anschließenden Suq, der übergeht mit Tüchern, Gewürzen, Silber- und Goldschmuck sowie den süßesten Datteln, die man sich vorstellen kann, herrscht eine angenehme, entspannte Atmosphäre.

Wir unterhalten uns darüber, wie nervtötend ein Aufenthalt in einem orientalischen Bazar sein kann, wenn man von den meisten Einheimischen wie ein Bankomat mit Füßen behandelt wird. Hier ist nichts davon zu bemerken, maximal höfliche Neugier gegenüber den Besucherinnen und Besuchern aus dem fernen Europa.

Auf der Fahrt retour Richtung Muscat – wieder auf einer dreispurigen Autobahn, eh klar – fragen wir Ahmad weiter Löcher in den Bauch. Wie sieht’s aus mit den Frauenrechten im Oman? Gibt’s eine Chance auf Demokratie wie in Europa? Wie lange wird der Öl- und Gas-Reichtum anhalten? Wie beliebt ist der neue Sultan wirklich? Wo ist die Opposition? Ahmad hat auf alles eine vielleicht nicht ganz erschöpfende, aber immer gute Antwort.

So wird es langsam greifbar, dieses Wunder auf der Arabischen Halbinsel. Zwischen den ultramodernen Emiraten und fürchterlichen Kriegen wie im Jemen haben sich die Omani auf eine kulturelle "Insel der Seligen" gerettet. Zeit, sich das anzuschauen.

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