Kreuzfahrt mit Handicap

Kreuzfahrten müssen sich mit Umweltkritik auseinandersetzen. Aber für Menschen mit Behinderungen sind sie eine attraktive Möglichkeit, die Welt zu sehen.

Schon in der Reha ging es mir nicht aus dem Kopf: Wohin werde ich – querschnittgelähmt und nunmehr auf den Rollstuhl angewiesen – in Zukunft überhaupt noch reisen können? "Kreuzfahrten wären perfekt für dich", wurde mir geflüstert.

Kreuzfahrten? Daran hatte ich nie gedacht. War das nicht eher etwas für betuchte, ältere Leute? Heute, 15 Jahre später und nach mehreren Hochsee-Kreuzfahrten, kann ich sagen: Es ist wahr. Kreuzfahrten sind ideal für Menschen mit besonderen Bedürfnissen, die immer noch Sehnsucht nach der weiten Welt verspüren und den Horizont nicht als endgültige Grenze akzeptieren wollen.

Im Talk: Hochsee mit Handicap

Fakt ist: Alle namhaften Reedereien, darunter Royal Caribbean, Celebrity Cruises, Norwegian Cruises, Aida Cruises, MSC, Tui-Cruises, Costa und Hapag-Lloyd-Cruises, haben ihre Schiffe weitgehend auf die Anforderungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen ausgerichtet. Tendenz steigend.

Barrierefreiheit an Bord

Schiffe dieser Anbieter sind heutzutage fast vollständig behindertenfreundlich ausgestattet, zum Beispiel verfügen sie allesamt über Aufzüge. Auch alle Decks und öffentlichen Bereiche wie Restaurants, Bars, Theater und Spas sind barrierefrei zugänglich. Sogar die Brücken der Kapitäne. Für Passagiere mit Handicap gibt es einen „Early Check-in“, auf amerikanischen Schiffen sogar mit Priority Status.

Zusätzlich sind auch noch Barrierefrei-Treffs oder Schalter für Passagiere mit Behinderung eingerichtet. Auch eine Wartung der technischen Hilfsmittel behinderter Passagiere an Bord ist möglich. Amerikanische Reedereien wie Celebrity Cruises und Royal Caribbean sind generell Vorreiter: Auf ihren Schiffen gibt es sogar höhenverstellbare Black-Jack-Tische; und alle Pools haben Lifte für nicht gehfähige Passagiere.

Je nach Größe und Kategorie sind Kreuzfahrtschiffe mit unterschiedlicher Anzahl an barrierefreien, rollstuhlgerechten Kabinen und Suiten ausgestattet. Weiters gilt: Je jünger das Schiff, um so behindertengerechter ist es. Zum Vergleich: Ältere Schiffe wie die MS Europa 2 haben zwei barrierefreie Kabinen, die Aidacara hat vier davon. Aber schon die MSC Musica hat 17, die Aidanova 27, die Norwegian Getaway 42 und das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die Oasis of the Seas, ist mit 65 solcher Kabinen ausgestattet. In der Regel haben diese Kabinen einen ausreichenden Wendekreis für Rollstühle von mindestens 1,5 Metern, Haltegriffe in Bad und WC. Die Tür­breiten variieren zwischen 85 und 90 Zentimeter. 

Apropos Rollstuhl: Nicht jeder ist für eine Kreuzfahrt geeignet. Dies gilt insbesondere für die großen schweren Elektro-Rollstühle. Die Verwendung ist zwar nicht unmöglich, aber es könnte in den engen Gängen oder in der Kabine manchmal schwierig werden. Es empfiehlt sich daher – vorausgesetzt, die Behinderung lässt es zu –, faltbare Rollstühle, entweder manuell betrieben oder mit Elektro-Unterstützung, auf die Kreuzfahrt mitzunehmen. Viele Reedereien wie etwa Caribbean organisieren auch Scooter für die weiten Wege an Bord. 

Selbstverständlich spielt auch die Hilfe für Menschen mit Hör- und Sehbehinderung eine wichtige Rolle. So stehen – gegen vorherige Anmeldung – an Bord häufig Hilfsmittel zur Verfügung, die die Wahrnehmung von akustischen Signalen an Rezeption, im Theater und ganz besonders in der Kabine erleichtern. Diese mobilen Sets wandeln Türklopfen, Anrufe und einen eventuellen Alarm in optische oder Vibrations­impulse um.

Auf manchen Schiffen sind auch Begleithunde bei vorheriger Anmeldung an Bord erlaubt. Für die Notdurft der Vierbeiner gibt es eigene Bereiche mit Mulch. Das Bordpersonal muss über die Beeinträchtigung jedes einzelnen Passagiers Bescheid wissen. Dafür ist vor der Reise immer ein Krankenblatt auszufüllen. Auch müssen alle zusätzlich benötigten Hilfsmittel vorab und zeitgerecht angemeldet werden. 

Behindertengerechte Einrichtungen an Bord

Medizinische Versorgung: Kreuzfahrtschiffe sind immer mit einem Bordhospital ausgestattet, samt Ärzten und Pflegeteam. Je nach Ausstattung sind auf manchen Schiffen, wie etwa auf den Ocean Linern von Cunard, sogar kleinere Operationen möglich; immer häufiger auch eine bestimmte Form der Dialyse. Aber grundsätzlich dient das Bord-Krankenhaus neben der Behandlung kleiner Wehwechen der Erst- und Grundversorgung.

Die Anreise. Hier ist die Hilfsbereitschaft der Reedereien vorbildlich. Gerne organisieren sie eine barrierefrei Anreise ab Haus. Voraussetzung für eine Reise bei nicht gehfähigen Passagieren: die Begleitperson. Auch da gibt es das eine oder andere Zuckerl. Bei Aida ist für Menschen, die auf Begleitung angewiesen sind und das in ihrem Behinderten-Ausweis eingetragen haben, die An- und Abreise per Bahn für die zweite Person kostenfrei. Bei Costa fährt die Begleitung unter den ähnlichen Umständen und bei Unterbringung in der gleichen Kabine sogar gratis auf dem Schiff mit.

Landgang im Rollstuhl

Landausflüge. Auf den Schiffen gibt es also kaum Probleme, die beginnen meist erst dann, wenn es an Land geht. Auch hier helfen aber alle Reedereien, Landausflüge individuell und behindertengerecht zu organisieren. Nach US-amerikanischem Vorbild bietet nun auch Tui-Cruises ("Mein Schiff"), vorerst noch testweise in der Ostsee, Ausflüge für Menschen mit Behinderung durch Spezial-Agenturen vor Ort an.

Auf allen anderen Destination haben behindertengerechte Landgänge den Vermerk "extra leicht". Und damit karibische Gewässer trotz knöcheltiefer Sandstrände auch wirklich für alle erreichbar sind, hat Royal Caribbean immer spezielle Strand-Rollstühle parat. Einige Strände wie auf der haitianischen Halbinsel Labadee sind somit zur Gänze barrierefrei.

Knifflig ist die Anlandung mittels Rettungs- oder Gästebooten. Also wenn das Schiff auf Reede liegt und nicht in einem Hafen anlegt. Hier muss man wissen, dass manche Reedereien, darunter auch Tui, die Vorschrift haben, alle Rollstuhlfahrer, die nicht gehfähig sind, nicht zu tendern. Für dadurch versäumte Ausflüge gibt es keine Möglichkeit einer Reklamation oder Rückerstattung der Kosten.

Ganz anders bei den Amerikanern, dort gibt es überall behindertengerechte Zugänge zu den Tenderbooten. Auch Hapag Lloyd ist eine der Reedereien, die den Einstieg in Boote mittels Rampen gewährleistet. Aber im Grunde ist das Tendern immer Ermessenssache des jeweiligen Kapitäns unter Abwägung der Wetter- und Wellensituation. 

Land in Sicht

Und mit einem Lächeln erinnere ich mich zurück: An das aufsteigende Adrenalin, die fünf Stufen hinunter zur Ausstiegsluke. An das auf und ab tanzende Gästeboot und an das "Wir schaffen das!" Das Anpacken meines Rollstuhls durch acht kräftige Hände, die Special-Assistance-Crew der Aida in Schwimmwesten. Kurze Spreizschritte, eine kontrollierte Übernahme und ich war drin im Tenderboot – total happy. Denn damit stand dem Landausflug auf die wilde dominikanische Halbinsel Samana nichts mehr im Wege. Es stimmt also: Kreuzfahrten sind perfekt für Menschen wie mich! 

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