Küstenreich

Von Sorrent nach Capri, Neapel, Pompeji und an die phantastische Amalfiküste: Die beste Medizin gegen trübe Tage ist die Erinnerung an eine Traumreise nach Kampanien. 

Das Gewitter ist nur noch ein fernes Donnergrollen über den Monti Lattari, den schroffen "Milchbergen" oberhalb des Golfs von Salerno. Schon bricht die im Westen über dem Meer stehende Sonne durch die Wolken, wirft rasch wechselnde Lichtspiele auf die Küste von Amalfi.

Die Luft hier oben im Garten der Villa Rufolo von Ravel­lo ist frisch und klar, mit einem Hauch von Thymian und Zitrone, wie mir scheint. In einer nahe gelegenen Kirche stimmt eine Frau eine Arie an, deren Melodie ein sanfter Wind zu mir herüber trägt.

Der Komponist Richard Wagner soll, so wird zumindest erzählt, von diesem Terrassen­park mit seinen fotogenen Pinien zum Entwurf von Klingsors Zaubergarten für die Oper "Parsifal" inspiriert worden sein. Der Ausblick auf die Küstenlandschaft und das Ambiente des Ortes sind in der Tat so zauberhaft, dass man den Moment nicht loslassen möchte.

Es war damals eine ausgezeichnete Idee, genau das zumindest zu versuchen. Denn während ich diese Zeilen schreibe, tobt draußen bei Minusgraden ein Schneesturm, und Österreich hat sich – wieder einmal – in einen Covid-19-Lockdown verabschiedet.

Solcherart von Novemberkälte, Viren und anderen Grauslichkeiten umgeben, ist es nicht nur die Rückschau auf die glücklichen Minuten an der Riviera von Amalfi, die frische Freude am Leben stiftet. Sondern auch die Aussicht auf eine Wiederkehr an diese von der Natur verwöhnten Gestade – in einem neuen, hoffentlich besseren Jahr.

Die Sehnsucht der Nordländer nach "Bella Italia" ist seit den Zeiten der Salier- und Staufer­kaiser, die für Macht und Ehre über die Alpen in den Süden zogen, zum literarischen Gemeinplatz geworden.

In den Landschaften Kampaniens zwischen Neapel und Amalfiküste findet dieses Streben nach dem "guten Leben" – zumindest für Urlauber, die es sich leisten können – auch heute noch seine Erfüllung. Wie ein Brennglas bündelt Kampanien für sie als Reisende die Vorzüge des "süßen Lebens" in unserem südlichen Nachbarland: das quicklebendige Neapel, die süßen Weine an den Hängen des Vesuv, die Köstlichkeiten in den Restaurants von Positano oder Amalfi, Pompeji und Herculaneum, die glitzernde und gleißende Insel Capri, dahinter eine schon tief stehende Sonne.

Sorrent, Capri und die Amalfiküste

Die Kleinstadt Sorrent eignet sich prima als Ausgangspunkt für Ausflüge und Touren. Vor allem, wenn man Glück hat – also ein Zimmer mit Meerblick in einem der Hotels oben an den steilen Klippen des Tuffstein-Plateaus, zum Beispiel in der Villa Crawford.

Das 180-Grad-Panorama wird jenseits des Golfs von Neapel vom gewaltigen Kegel des Vesuv dominiert, der je nach Witterung und Sonneneinstrahlung immer wieder neue ­Fa­cetten präsentiert.

Zu Fuß ist es von der Villa Crawford ins quirlige Zentrum Sorrents, dessen Zufahrten Verkehrsstaus zu jeder Tageszeit bieten, nur eine halbe Stunde. Man trifft sich im "Fauno" oder "Ercolano" am Corso Italia. Auch ich mache es mir in diesen Bars gemütlich. Und tue erst einmal gar nichts, herrlich!

Doch ganz in der Nähe, in den verwinkelten Gassen Sorrents, locken dann doch die italienweit gerühmten Spezialitäten der "Gelateria Primavera" oder Geschäfte, in denen man den gefährlich süßen Limoncello in allen möglichen Varianten verkosten kann.

Und ich schaue auch bei Agniello Stinga vorbei, der auf der Piazza Gargiulo wunderschöne Holz-Einlegearbeiten herstellt.

Von hier sind es nur einige wenige Schritte weiter hinunter zum Hafen, von dem die Fähren nach Capri ablegen.

Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, der berühmten Insel ­einen Besuch abzustatten: per Tagesausflug, was schon aus Kostengründen die meisten Reisenden tun, oder mit Übernachtung, wofür ich mich dieses Mal entschieden habe.

Viele, die nach Capri kommen, unternehmen zuerst einmal eine Bootstour rund um den gerade einmal zehn Quadratkilometer großen Felsen, dessen Formationen während der etwa 45 Minuten Fahrt bequem zu bestaunen sind.

Nicht weniger spektakulär ist die Busfahrt hinauf nach Anacapri auf der sogenann­ten Mamma-Mia-Straße, was sich auf die erschrockenen Ausrufe der Passagiere angesichts des Abgrunds neben der Straße bezieht.

In Anacapri spaziere ich durch eine schmale Gasse mit Souvenirgeschäften hin­über zur Villa San Michele des Schriftstellers und Arztes Axel Munthe. Die Pandemie hat auch hier den Touristenstrom ausgedünnt, sodass ich den phantastischen Ausblick hinunter auf Capri in Ruhe genießen kann.

Erst abends, wenn die allermeisten Touristen wieder verschwunden sind, ist Capri die Insel der "rich and famous", die tagsüber lieber in ihren Villen bleiben. In einem Café auf der Piazetta bestelle ich (für 15 Euro!) ein Glas Rotwein – und warte. Tatsächlich: Fiona Swarovski und Karl-Heinz Grasser spazieren Händchen haltend vorbei.

Zurück am Festland erkunde ich am übernächsten Tag – stilgerecht in einem Fiat 500 Hybrid – die legendäre "Amalfitana" zwischen Sorrent und Salerno, eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. In un­zähligen Kurven windet sie sich hinüber ins mondäne Positano (Parkplatz sechs Euro pro Stunde), wo man sich gerne im "La Pergola" unten an der Nurejew-Promenade auf einen Aperitif trifft. 

Mein Lieblingsort an dieser Küste ist aber Amalfi mit seinem dem heiligen Andreas geweih­ten Dom, eine faszinierende Mischung aus arabischen, normannischen und barocken Stilelementen. Wer Bücher liebt, wird auch das "Museo della carta" mögen, in dem Kostbarkeiten aus Papier zu bestaunen sind. 

Für die Rückfahrt nach Sorrent wähle ich den Weg hinauf nach Ravello und weiter durch die Monti Lattari bis nach Gragnano. Die auf den ersten Blick nicht sehr einladende Kleinstadt ist in ganz Italien als "Hauptstadt der Pasta" bekannt. Wer echte italienische Pasta zu lächerlich niedrigen Preisen erstehen will, ist hier in den Geschäften richtig, die sozu­sagen "ab Fabrik" verkaufen. 

Von Neapel nach Pomeji und Paestum

Mit Neapel, das auf der anderen Seite des großen Golfes liegt, verhält es sich wie mit New York: Entweder man liebt es oder man hasst es. Ich habe mich schon vor vielen Jahren für die zweite Möglichkeit entschieden – und auch mein neuerlicher Besuch im Zuge dieser Reise hat nichts daran geändert.

Wer Zeit und Möglichkeit hat, sollte unbedingt das "Archäologische Nationalmuseum" mit den sensationellen Funden aus Pompeji be­suchen. Oder sogar ein Spiel des RSC Napoli im Stadio Diego Armando Maradona, der in der Stadt am Vesuv, erst recht nach seinem Tod, wie ein Heiliger verehrt wird.

Von Neapel zieht es mich weiter den Golf entlang nach Pozzuoli mit seinem Amphitheater und zu den Phlegräischen ("brennenden") Feldern, einem der sichtbaren Zeichen des "Supervulkans", der unter dem Golf von Neapel schlummert. Mitten in einem Wohngebiet zischt und blubbert es hier aus dem höllischen Untergrund. 

Apropos Vulkan, für den Besuch der Ausgrabungen von Pompeji, neben Rom wohl die berühmteste antike römische Stadt, sollte man sich einen Tag Zeit nehmen. Ich fahre dieses Mal aber auch ins nahe gelegene Herculaneum, das nicht weniger begeistern kann.

Während Pompeji beim großen Ausbruch des Vesuv 79 n. Chr. unter Asche und Bimsstein unterging, wurde Herculaneum unter einer 20 Meter dicken Lavaschicht begraben, wodurch die antike Stadt noch besser erhalten geblieben ist – unter anderem auch die Hafenanlagen.

Die Ruinen befinden sich mitten in der modernen Stadt Ercolano, was die Faszination des Platzes nur noch verstärkt. Einige der prächtigen Mosaike können sogar noch vor Ort bestaunt werden. Viele Schätze liegen wahrscheinlich noch unter Stadt und Lava begraben.

Die alten Griechen haben es mir besonders angetan. Daher fahre ich auf dieser Reise auch noch zu den Ausgrabungen von Paestum ganz im Süden Kampaniens. Mit in meinem Cinquecento ist Victoria, die vor vielen Jahren von Deutschland in den Süden gezogen ist und jetzt hier als Reiseleiterin für Touristen arbei­tet.

Die Saison ist fast zu Ende, und wir spazieren in Ruhe zwischen den 2.500 Jahre alten, phantastisch erhaltenen dorischen Tempeln, die geradezu göttliche Harmonie re­präsentieren. Und reden. Über die Ursprünge von Recht, Demokratie und Philosophie. Davon, was man wissen kann, und wie Wissen entstanden ist bzw. noch heute entsteht.

Auch das kann uns also das Reisen lehren: Dass wir unsere Fragen immer neu stellen müssen und die Antworten nie endgültig sein können.

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