Extremadura: Pst, geheim!

Land der Eroberer, des Jamón Ibérico, der Störche – und Geheimtipp: Extremadura. Wir entdecken ein unbekanntes ursprüngliches Spanien, das uns nicht mehr loslässt.

Es ist kein Land der Extreme, auch wenn es der Name vermuten lässt. Ex­tremadura bedeutet: jenseits oder über den Fluss Duero hinaus. Über die Grenzen hin­aus blickten die Extremeños schon früh, als im 15. Jahrhundert die Conquistadores in die neue Welt aufbrachen.






Hier sind die Menschen viel glücklicher und ausgelassener als im Norden.






Sophia, Fremdenführerin in Jerez de los Caballeros


Sie eroberten Peru, entdeckten den Amazonas und Pazifik oder suchten das Goldland Eldorado. Heute ist es nur mehr schwer nachzuvollziehen, warum sie diesen bezaubernden Ort verlassen wollten.

Denn es ist die Extremadura, die entdeckt werden will. Ein echter Geheimtipp, der ein ursprüngliches feines Spanien abseits der Party­suchenden und Strandtouristen bietet.

Die Menschen hier lassen sich ihre gute Laune nicht nehmen, auch wenn die Region zu den wirtschaftlich ärmeren Spaniens gehört. "Hier sind die Menschen viel ausgelas­sener als im Norden", erzählt uns etwa Fremdenführerin Sophia gut gelaunt. Also machen wir uns auf, um die Lebensfreude zu inhalieren und dieses Juwel zu entdecken.

Von Madrid aus ist man in rund zwei Stunden in der autonomen Region an der Grenze zu Portugal. Die Straße führt durch die Dehesa, die regional-typische Steineichen-Landschaft. Hier tummeln sich freilaufende Schafe und Rinder und mit ein wenig Glück sieht man auch Schwarzfußschweine, deren Jamón Ibérico de Bellota weit über die Landesgrenzen bekannt ist. Rund drei Monate fressen sie sich an den Steineicheln satt, die für den einzig­artig nussigen Geschmack und die Marmo­rierung des Schinkens sorgen.

Trujillo - Die Wiege der Eroberer

Der maurische Einfluss ist überall in dieser Region allgegenwärtig. Unter den Mauren erlebte Spanien eine Blütezeit, die von 711 bis zur abgeschlossenen christlichen Reconquista (Rückeroberung, in vielen Regionen der Extremadura bis ca. 1250, in ganz Spanien erst 1492) an­dauerte. So ragt über der, in der Provinz Cáceres gelegenen, Kleinstadt Trujillo eine große Burg arabischen Ursprungs, die schon von Weitem zu sehen ist. Doch Trujillo ist auch als "Wiege der Eroberer" bekannt: Gleich mehrere Entdecker brachen von hier in die Neue Welt auf. Einen der bekanntesten treffen wir am historischen Hauptplatz: Inka-Reich-Eroberer Francisco Pizarro, dem hoch zu Ross sitzend ein Bronze-Denkmal gewidmet ist.

Hinter ihm, am Turm der Kirche San Martín, sehen wir unsere ersten Störche, viele werden folgen. Die Adebare sind überall in der Region zu finden, auf Türmen, Stromleitungen oder eigenen "Storchenhotels". Die Extremadura ist ein Paradies für Ornithologen und bietet zahlreiche Plätze zum Birdwatching. Hier ist besonders der Nationalpark Monfragüe zu erwähnen, der ein Rückzugsgebiet für über 300 Vogelarten bietet. Vor Jahrhunderten noch als Räuberversteck berüchtigt, ist er heute beliebtes Ausflugsziel von Wanderern, Reitern und Vogelfreunden.

Bevor wir in die Calle de los Ballesteros in Richtung Burg aufbrechen, fällt der Palast Carvajal, der gleichnamigen Familie auf, die das Postwesen innehatte. An der Fassade findet sich mit dem Doppeladler der Habsburger sogar ein Stück Österreich.

Wir lassen die Störche und den Palast hinter uns und wandern durch die schmalen Gassen, vorbei an mit Wappen verzierten Fassaden alter Adelspaläste, hin zum Castillo, wo wir den Ausblick auf die Landschaft genießen. Von der ehemaligen arabischen Burg ist es nur ein Katzensprung zum Casa Museo de Pizarro, das sich der Familien­geschichte und dem Leben der Eroberer widmet.

Der Rundgang führt uns vorbei an den Granitfassaden der Stadtpaläste im Renaissancestil. Als wir wieder am Plaza Mayor ankommen, blicken wir auf die, für die damalige Zeit in dieser Region typischen Eckbalkone, die Arkadengänge in denen früher reger Handel betrieben wurde und bei denen heute Cafés und das Restaurant Bizcocho Plaza zu finden sind. 

Cáceres - die enthauptete Hauptstadt

Die Störche sind unsere ständigen Begleiter, während wir uns der Provinzhauptstadt Cáceres nähern, dessen Altstadt seit 1986 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist. Von der Plaza Mayor ge­langen wir durch den Arco de la Estrella (Sternbogen) in den mittelalterlichen Stadtkern. Die mit Granit­steinen gepflasterten schmalen Gassen sollten mit flachem Schuhwerk erkundet werden, um die Fassaden der ehemaligen Adelshäuser ohne Stolpern zu betrachten.

Die Provinzhauptstadt hat einen unschönen Beinamen: die enthauptete Hauptstadt. Im Mittelalter waren in der Stadt noch rund 30 Wehrtürme zu sehen, doch im 15. Jahrhundert, nachdem Königin Isabella den Thronfolgestreit gewonnen hatte, änderte sich das Stadtbild exorbitant. Sie ließ nur die Türme an den Häusern ihrer beiden Unterstützer stehen, alle anderen wurden abgerissen.

Genussreiche Extremadura

Bevor wir unser Abendessen im Restaurant La Casa del Sol mit Blick über die Stadt genießen, besuchen wir noch einige Highlights der Provinzhauptstadt, darunter den Jesuitengarten und die arabische Zisterne. An der ­Plaza de San Mateo lockt ein Schild mit ­Süßigkeiten. Neugierig folgen wir und gelangen zum Klosterladen der Klarissen, wo man durch eine kleine Drehtür gegen Bares Rosenkränze oder Mehlspeisen erhält. Ähnliche Nonnen­läden finden sich in der ganzen Provinz, zu erwähnen jener in Zafra. Wer übrigens an seinem Hochzeitstag schönes Wetter möchte, bringt den Nonnen zwölf Eier. Ob das auch für ­andere Tage gilt, ist leider nicht überliefert.

Mérida - das spanische Rom

Das Wetter ist uns glücklicherweise hold und wir entdecken in Mérida und Umgebung die römische Extremadura. Mit Superlativen wie "das spanische Rom" bedacht, besticht die circa 60.000 Einwohner zählende Regionalhauptstadt mit einzigartigen Bauwerken.

Mérida entstand aus der römischen Provinzhauptstadt Emerita Augusta, die an der Via de la Plata (Silberstraße), einer wichtigen römischen Handelsstraße, lag. Die Via de la Plata existiert übrigens noch heute und ist bei Pilgern als angenehme Alternative zum Jakobsweg bekannt.

Bereits bei der Anfahrt über den Río Guadiana erblicken wir die Puente Romano, die mit 792 Metern längste römische Brücke weltweit. Das Herz von Freunden der Antike schlägt beim Anblick des seit 1910 freigelegten römischen Theaters Purzelbäume. Wunderschön ragt es empor, kaum zu glauben, dass es Jahrhunderte unter Kichererbsen-Feldern versteckt war. Mittlerweile können die Ausgrabungsstätten des Teatro Romano, Anfiteatro und der Circo Romano bestaunt werden. Genauere Informationen gibt es im gegenüberliegenden Museo Nacional de Arte Romano. Beim Flanieren entdecken wir in der ganzen Stadt römische Bauwerke wie den Diana-Tempel oder das Foro Municipal. Die letzten Sonnenstrahlen genießen wir auf der Puente Romano mit Blick auf die Festung Alca­zaba, der ersten arabischen Wehranlage, die damals auf der Iberischen Halbinsel erbaut wurde.

Die Schinkenhauptstadt - Jerez de los Caballeros

Je weiter wir Richtung Süden kommen, desto andalusischer wird die Architektur. Weiße Häuser und verzierte Kirchtürme begegnen uns in Jerez de los Caballeros mit seinen vielen Kirchen. Eine davon, die Iglesia de San Bartolomé, verfügt sogar über einen Altar im Freien. Hier lohnt sich der Aufstieg in den von der Giralda in Sevilla inspirierten Kirchturm. Während im fernen Sevilla sogar ein Pferd (kein Witz) über die Rampe hinauf gelangte, können in Jerez nur Zweibeiner den phänomenalen Ausblick genießen. Jerez wird auch als Hauptstadt des Schinkens bezeichnet. Kleiner Tipp: Neben Ibérico-Schinken auch den Eichellikör Bellota genießen. 

Zafra - Klein Sevilla

Unsere letzte Station führt uns nach Zafra, das auch Klein Sevilla genannt wird, da das Barviertel jenem der andalusischen Hauptstadt ähnelt. Eine der Sehenswürdigkeiten der Kleinstadt ist der Alcázar von Zafra, der heute ein Parador-Hotel beherbergt. Ein Aufstieg zwischen die Zinnen des Hotel-Palastes lohnt sich, bietet sich von hier ein schöner Blick über die Stadt.

Hier mischen wir uns unter die Einheimischen, schlürfen am Plaza Chica einen Tinto de Verano (ein Rotwein-Mixgetränk) und lassen die Reise genüsslich Revue passieren. Zum Schluss die Erkenntnis: Extremadura ist doch ein Land der Extreme, nämlich der extremen Vielfalt. Und beim nächsten Besuch bekommen die Klarissen ihre zwölf Eier. Sicher ist sicher.

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