Immer wieder südwärts

Eine unschlagbare Kombination für Kurzurlaube: Südlich des Brenners treffen in Südtirol die Alpen auf mediterrane Lebensfreude.

Die Mischung macht's. Die Berge und die Täler, die Dörfer, die Städte, die Burgen, die Schlösser, die Nadelwälder, die Obstwiesen und die Palmen. Das Essen und der Wein dazu.

Und die Menschen natürlich: In Südtirol vereinen sich knorriger Urtiroler Charme und italienische Lebensfreude. Wir kosten diese Mischung voll aus.

Ich geb's ja zu: Ich bin ein Wiederholungstäter. Ihr Autor ist nicht das erste Mal in Südtirol – und hoffentlich auch nicht zum letzten Mal. Er ist schon oft dieser speziellen Mischung erlegen. Ein paar Orte haben wir ja schon im Zuge der Recherche zur letzten Südtirol-Route besucht. Seither hat sich – trotz Pandemie – viel getan. Leserinnen und Leser werden jetzt viel Neues entdecken. So wie wir vor einigen Monaten…

km 22, Gsieser Tal

Wir sind diesmal nicht über den Brenner nach Südtirol gekommen, sondern via Lienz über das in West-Ost-Richtung verlaufende Pustertal. Hinter der Staatsgrenze haben wir den Kilometerzähler auf null gestellt, Innichen und Toblach passiert. Kurz danach, bei Kilometer 22, folgten wir dem Tipp eines Freundes. Er hatte uns von Gsies und dem Gsieser Tal erzählt, das kaum jemand kenne. Wir sollten am Kreisverkehr bei Welsberg rechts abbiegen. Was wir auch taten.

Es sind nur ein paar Serpentinen, auf denen die Straße an Höhe gewinnt. Kurz nach der letzten Haarnadelkurve und unmittelbar bevor sich der Blick auf das Gsieser Tal öffnet, führt sie am Schloss Welsberg vorbei, das heute der Familie Thun-Hohenstein gehört.

Das Gsieser Tal selbst ist ein Seitental des Pustertals, die Straße führt quasi als breite Sackgasse mit wenig Verkehr bis zum Talschluss. Hinter den Bergen, die es im Nordosten und Osten begrenzen, ist schon österreichisches Staatsgebiet: das Osttiroler Defereggental und das Villgratental.

Das Gsieser Tal gilt auch als kaum bis gar nicht überlaufener Geheimtipp für Wanderer. Die haben hier alle Möglichkeiten: von ausgedehnten Spaziergängen am Talblickweg (es muss ja nicht der komplette, 34 Kilometer lange sein) bis zur Gipfeltour in den Bergen der Riesenfernergruppe, dort geht es immerhin bis auf 2.837 Meter Seehöhe hinauf.

km 69, Bruneck

Nur 15 Kilometer sind es vom Kreisverkehr, an dem wir ins Gsieser Tal abgebogen sind, in unser nächstes Zwischenziel. Weil wir aber bis zum Talschluss und wieder zurück gefahren sind, zeigt der Tageskilometerzähler bei der Ortseinfahrt von Bruneck schon 69 Kilometer.

Bevor wir die Stadt zu Fuß erkunden, fahren wir über die Reischachstraße zu dem auf einem Hügel liegenden Schloss. Es handelt sich aber eigentlich um eine aus dem Jahr 1250 stammende riesige Burganlage, in dem seit 2011 das Messner Mountain Museum Ripa seinen Sitz hat, eines der von Extrembergsteiger Reinhold Messner gegründeten Bergmuseen.

Der Name Ripa ist die tibetische Bezeichnung für Bergmensch. Es geht dabei um Alltagskultur und Lebensweise in Bergregionen zwischen Alpen und Himalaja, Anden und Afrika. Für Messner sind seine Museen "der fünfzehnte Achttausender" und "die Summe all meiner Erfahrungen".

Bevor wir Bruneck verlassen, schauen wir uns noch etwas im Zentrum der inoffiziellen Hauptstadt des Pustertals (immerhin ist sie Sitz der gleichnamigen Bezirksgemeinschaft) mit ihren knapp 17.000 Einwohnern um.

Die Altstadt, die aus nur wenigen Straßen besteht, ist großteils Fußgängerzone, Parkplätze am Straßenrand sind kaum vorhanden. Für das Abstellen des Autos gibt es dennoch einige Möglichkeiten, die hier aufgelistet sind.

Wir entscheiden uns für die Parkgarage am Graben, überqueren diesen – er ist heute eine gepflasterte Allee mit vielen Lokalen samt Schanigärten –, nehmen den Durchgang bei Haus Nummer 24 und sind schon mitten in der Altstadt.

km 103, Brixen

Wir fahren weitere 34 Kilometer durchs Pustertal, bis wir den Brixner Talkessel und somit das Eisacktal erreichen. Brixen ist das Ziel unserer heutigen ersten Etappe. Als Quartier für die Nacht haben wir uns ein ziemlich stylisches Hotel ausgesucht: die Haller Suites.

Wir checken ein und freuen uns, nach der Fahrt und all den Besichtigungen etwas relaxen zu können. Das Hotel liegt auf einem Hügel in den Weinbergen überhalb der Stadt, der Ausblick vom Zimmer ist grandios.

Wir freuen uns aber auch auf das Abendessen, denn im AO, dem Restaurant des Hauses, steht ja einer der innovativsten Koch-Jungstars Südtirols am Herd: Levin Grüten. Die Liebe zu Teresa Pichler, der Juniorchefin, Gastgeberin und Sommelière, hat den gebürtiger Belgier von Kopenhagen, wo er im berühmten Restaurant Noma arbeitete, nach Brixen verschlagen.

Die Einflüsse der dort üblichen Nordischen Küche kombiniert er gemeinsam mit Teresas Bruder Simon mit Spezialitäten der Region. Für die sich daraus ergebende spannende Küche verlieh Gault&Millau drei Hauben.

Dazu gibt es hervorragende Südtiroler Weine. Sylvaner und Kerner kommen sogar aus dem eigenen Ein-Hektar-Weingarten; der Nachbar, Spitzen-Winzer Manni Nössing, der in der Szene als "Wein-Rebell" gilt, presst sie und füllt sie in seinem "Hoandlhof" in Flaschen.  

Wer mehr über die Küchenlinie von Levin Grüten und Simon Pichler erfahren möchte, sollte sich das folgende Video-Interview mit ihm ansehen, das noch vor dem Abendessen entstand.

Als ich nach einer ruhigen Nacht – das Haller liegt ja mitten in den Weinbergen – die Vorhänge öffne und sehe, wie die Morgensonne Brixen anstrahlt, weiß ich: Bevor die Reise weitergeht, muss ich hinunter in die Stadt. Ich darf sie nicht links (geografisch korrekter: am rechten Eisack-Ufer) liegen lassen.

In einer Viertelstunde ist man im Zentrum, sagt mir Gastgeberin Michaela Pichler beim Frühstück. Die Parkplatzsuche erspare ich mir somit auch, und wenn ich mir den Weg zurück hinauf ersparen möchte, könne ich ja den Citybus nehmen. Die Brixen Card, eine Karte für die Öffis (nicht nur in Brixen) und viele Gratis-Entritte in Museen bekommt jeder Hotelgast beim Einchecken überreicht.

Mittlerweile ist es Mittag geworden, die Gastgärten in der Fußgängerzone von Brixen füllen sich. Wir verkneifen aber uns einen Einkehrschwung und nehmen nur einen schnellen Steh-Espresso und machen uns auf den Weg hinauf zum Hotel. Wir wollen das schöne Wetter ausnützen und hinauf auf den Ritten fahren, um dort eine kleine Wanderung zu unternehmen. Auf dem Weg dorthin haben wir uns aber noch ein Zwischenziel ausgesucht.

km 155, Unterinn am Ritten

Wir verlassen die Stadt an der Anschlussstelle Brixen Süd und bleiben auf der Brennerautobahn A22 bis zur Abfahrt Bozen Nord, folgen stets der Beschilderung "Ritten". Biegen kurz vor der Stadtgrenze nach rechts auf die steile Serpentinenstraße ab. Wir tauchen dabei über den Sonnenhang aus dem eher schattigen Eisacktal auf, der Blick, der sich uns nun eröffnet, wird von Kurve zu Kurve schöner. Als plötzlich ein kleiner Parkplatz auftaucht, können wir nicht anders: Wir fahren rechts heran, zücken unsere Smartphones und verschicken die Fotos sofort.

Wir schrauben uns hinauf zum Ritten, dem weitläufigen Bergrücken im Südosten der Sarntaler Alpen. 8.000 Menschen leben in 15 Ortschaften auf rund 1.100 Meter Seehöhe und genießen dort 300 Sonnentage pro Jahr, mit denen der Tourismusverband wirbt.

Bevor wir in den Hauptort Klobenstein kommen, führt die Straße noch durch den Ort Unterinn. Dort hat Thomas Kohl mit seinen quasi vor der Haustür wachsenden Produkten in der Top-Gastronomie Furore gemacht: Er beliefert Spitzenrestaurants in ganz Europa mit seinen Bergapfelsäften – sortenrein oder als Cuvée. 

Im Shop treffen wir Thomas Kohls Mitarbeiterin Sophie Pichler. Sie erzählt uns mehr über den roten Apfelsaft und bittet zur Verkostung.

km 160, Klobenstein

Zehn Minuten später parken wir uns in Lengmoos, das zur Gemeinde Klobenstein gehört, an einem Teich ein und marschieren zuerst einmal zu einem sich ständig verändernden Naturdenkmal, den Erdpyramiden. Der Legende nach handelt es sich dabei um versteinerte Hexen.

Wie sie genau entstehen: Die Böden hier sind aus steinzeitlichem Moränenlehm, sie weichen bei Regen auf und rutschen ab. Einzelne Felsbrocken liegen aber so fest, dass sich unter ihnen spitze Kegel bilden, eine Art riesige Stalagmiten, deren weitere Erosion von den oben liegenden Steinen verhindert wird. Fallen diese Decksteine ab, lässt der Regen die Pyramiden kleiner werden, während sich anderswo neue Kegel bilden. Eine gute weiterführende Erklärung und ein Video gibt es hier.

Das beste Licht für ein Foto der Erdpyramiden gibt es übrigens am späten Vormittag. Deshalb hat es für uns wenig Sinn, näher an dieses Naturwunder heranzutreten. Wir wollten ja sowieso eine kleine Wanderung unternehmen – und dafür ist das Licht auf dem von uns ins Auge gefassten Weg mit der Nummer 35 jetzt am Nachmittag perfekt.

Dieser Weg hat hat einen Österreich-, genauer gesagt einen Wien-Bezug: Es ist der Sigmund-Freud-Weg, der von Klobenstein über Lichtenstern und Wolfsgruben auf rund 6,5 Kilometer nach Oberbozen führt. 

Ob ihn der wohl berühmteste Psychologe der Welt jemals selbst begangen hat? Am 9. Juli kam er mit seiner Familie zur Sommerfrische nach Klobenstein, um mehr als zwei Monate lang dort zu bleiben. Freunden schrieb er in Briefen und auf Postkarten von seiner hier entdeckten "unerschöpflichen Lust am Nichtstun", das er aber nicht die ganze Zeit genoss. Verbrieft ist, dass er sich auf dem Ritten mental auf das Abfassen seiner religionspsychologische Schrift "Totem und Tabu" vorbereitete.

In den 18 Minuten, die wir mit dem Zug von Oberbozen zurück zu unserem in Klobenstein geparkten Auto fahren, wird uns bewusst, dass Sigmund Freud 1911 wahrscheinlich auch schon mit der Rittner Bahn gefahren ist. Sie wurde 1907, als es noch keine halbwegs taugliche Straße für Touristen gab, als Verbindung vom Waltherplatz (das ist der eigentliche Hauptplatz) in Bozen hinauf auf den Ritten eröffnet.

Den Teil der Strecke mit der größten Steigung – von Bozen nach Maria Himmelfahrt – bewältigte die meterspurige Schmalspurbahn als Zahnradbahn, danach ging es ohne Zahnrad-Hilfe weiter. Diese Strecke von Maria Himmelfahrt über Oberbozen nach Klobenstein ist im Gegensatz zur Zahnradstrecke noch in Betrieb. An Stelle der Zahnradbahn verbindet heute eine Seilbahn Bozen mit Oberbozen, wir werden sie morgen benützen.

km 168, Oberbozen

Das Hochplateau, das immer schon als Fluchtpunkt der wohlhabenden Oberschicht aus der sommerlichen Hitze der Stadt galt, erlebte mit der Bahn jedenfalls einen unglaublichen touristischen Aufschwung. Bereits 1908 wurde direkt am Bahnhof Oberbozen das große "Hotel Oberbozen" eröffnet. Sein erster Direktor hieß Hans Holzner. Vier Generationen später ist das Parkhotel Holzner, unser Quartier für die Nacht, noch immer das erste Haus am Platz.

Einschub: Mit der Seilbahn nach Bozen

Am nächsten Morgen gehen wir nur ein paar Schritte vom Hotel, wo man uns die kostenlose Ritten Card übergeben hat, zur Bergstation der Seilbahn. Gestern waren wir ja mit der verbliebenen Eisenbahnstrecke nach Klobenstein unterwegs, heute nehmen wir die Seilbahn, die seit der Stilllegung des Zahnradabschnitts seit 1966 Bozen mit dem Ritten verbindet. Zuerst als Pendel-, seit einer umfassenden Erneuerung 2009 als Dreiseil-Umlaufseilbahn mit zehn Kabinen – alle vier Minuten kommt eine.

Die Rittner Seilbahn ist die längste Personenseilbahn Europas, sie überwindet in 12 Minuten auf 4,5 km Länge 950 Höhenmeter. Ihre Durchschnittsgeschwindigkeit dabei beträgt über 25 km/h.

Die Fahrt vergeht fast zu schnell, um sie wirklich genießen zu können, speziell dann, wenn man die Eindrücke in Bewegt- und Standbild festhalten möchte. Am spektakulärsten ist jedenfalls das Eintauchen in die Stadt Bozen, deshalb sollte man wenn möglich stets einen Platz an der Talseite der Kabine wählen. Aber auch Seitenblicke nach links und rechts haben ihren Reiz.

km 187, Bozen

Weil wir heute ja weiter nach Meran wollen und wieder ein neues Quartier beziehen, benötigen wir unser Auto – deshalb kippen wir nur kurz einen kleinen Espresso nahe dem Bahnhof und fahren wieder mit der Seilbahn hinauf zum Hotel nach Oberbozen. Wir wissen ja: In einer Stunde sind wir wieder hier.

Wir parken in der Lauben Garage ("Lauben Parking Portici", Einfahrt Rittner Straße) und sind zu Fuß in ein paar Minuten im Herzen der Stadt. Wir lassen uns treiben.

Es ist Mittag und wir entscheiden uns, kurz vor unserer Weiterfahrt nach Meran noch auf ein paar Brötchen einzukehren. Der Slow Food Guide empfiehlt uns die Osteria Dai Carretai in der Dr. Streitergasse 20. Schon von weitem durch die Menschentraube vor dem Lokal auszumachen – ein Indiz, dass es hier schmeckt.

km 217, Marling

Nach Verzehr der Brötchen verlassen wir Bozen auf der Staatsstraße 38, die schon mehr einer Autobahn ähnelt. Es geht das Etschtal entlang Richtung Meran. Doch bevor wir dort eintreffen, schauen wir noch in Marling, einem Dorf kurz vor den Toren Merans, bei einer der bekanntesten Schnapsbrennereien Südtirols vorbei: bei der Privatbrennerei Unterthurner. Als besondere Spezialität gilt neben dem Williamsbirnen-Schnaps der aromatische Waldler aus Waldhimbeeren.

km 221, Meran

Meran, Südtirols zweitgrößte Stadt (mit 41.000 Einwohner/-innen) ist schon lange ein Tourismusort. 1855 erhielt sie nach einem Ansuchen der örtlichen Hoteliers das Privileg, sich Kurort nennen zu dürfen, was zuerst einmal Wohlhabende und Adelige anzog. Unter anderem Kaiserin Elisabeth, die mehrere Male mit großem Gefolge auf Schloss Trauttmannsdorf zu Gast war. Zu dem Schloss führt heute ein nach ihr benannter Wanderweg. 

Die Gäste kamen nicht nur, um Lungen- oder Magenleiden mit Hilfe der guten Luft, des leicht radioaktiven Wassers oder des Mikroklimas zu heilen, das sogar Palmen gedeihen lässt. Sie genossen auch die Luxushotels und Pensionen, den Sportplatz und die Pferderennbahn sowie die Theater, Ball- und Konzertsäle, die während der Belle Époque rund um das urtirolerische Zentrum mit seinen Laubengängen herum entstanden.

Es ist Spätnachmittag geworden. Zeit für uns, unser drittes und für diese Reise letztes Quartier zu beziehen. Das Castel Rundegg ist kein historisierendes Gebäude aus der Zeit, in der Meran zum aufstrebenden Kurort wurde. Das Schloss im Stadtteil Obermais wurde schon im 17. Jahrhundert um einen uralten Wohnturm aus dem 14. Jahrhundert herum gebaut.

Wir kommen mit dem Auto, stellen es auf den Hotelparkplatz (gratis für Gäste) ab und werden es in Meran auch gar nicht mehr brauchen. Das Zentrum Merans ist in einem Spaziergang über 15 Minuten erreichbar.

Das Programm, das wir uns zurechtgelegt haben, ist so dicht getaktet, dass wir (leider!) gar nicht dazukommen, die Annehmlichkeiten des Adults-only-Hauses auszukosten. Den parkähnlichen großen Garten mit dem 17-Meter-Pool sehen wir nur vom Fenster, für den Pool im Haus und den Spa bleibt leider auch keine Zeit. Außerdem wollen wir morgen zeitig aufstehen, um eine kleine Wanderung zu unternehmen.

km 231, Algund

Ein prächtiger Morgen mit viel Sonne macht das Aufstehen zum Vergnügen. Wir schlüpfen in die Sportschuhe und marschieren die paar Schritte hinunter zum Brunnenplatz, wo wir den Bus der Linie 213 besteigen, der uns in 40 Minuten zum Eingang West des Waalwegs kurz hinter dem Ort Algund bringt.

Viele fragen sich: Was ist eigentlich ein Waalweg? Es ist ein Weg entlang eines kleinen, durch Bäche gespeisten künstlichen Bewässerungskanals – den nennt man Waal. Der Vinschgau und speziell das Land um Meran ist nicht gerade reich an Niederschlägen, speziell an den Sonnenhängen hatte man Probleme mit der Trockenheit. Bis man ab dem 13. Jahrhundert auf die Idee kam, die eher steil ins Tal herunterstürzenden Bäche in Kanäle umzuleiten, die man mit ganz wenig Gefälle kilometerweit auf halber Hang-Höhe anlegte. An diesen Waalen wurden viele kleine Wehre angelegt, mit denen sich das Wasser temporär umleiten lässt – etwa um die Obstbäume unterhalb zu bewässern. Wem wann wieviel Wasser zustand, bestimmten eigene Waalwächter, die auf den Waalwegen, die entlang der Kanäle angelegt wurden, von Wehr zu Wehr marschierten, um das Wasser umzuleiten.

Diese Waalwege sind heute noch voll in Funktion – und sie sind beliebte Spazier- und Wanderwege, führen sie doch stets aussichtsreich und fast ohne Steigung durch Südtirols Bilderbuchlandschaften. Kommen Sie mit uns auf den Algunder Waalweg.

Es ist Nachmittag, als wir Meran per pedes erreichen. Wir setzen uns in ein Café am Tappeinerweg und machen Pläne für morgen. Da wollen wir ein weiteres Messner Mountain Museum besuchen – das im Schloss Juval. Dort hat Reinhold Messner eine Wohnung, die er im Sommer auch gerne nützt.

km 245, Schloss Juval

Am nächsten Morgen starten wir vom Hotel in Meran zum Schloss Juval, das wir eine halbe Stunde später erreichen. Aber nicht ganz: Besucher müssen ihr Auto auf einem großen Parkplatz unterhalb des Felsens, auf dem Messners Schloss wie ein Adlerhorst thront, stehen lassen und in einen schmalen weißen Bus umsteigen. Warum, werden wir gleich erfahren.

Wir nehmen Platz im Bus. Es ist eine fünf Kilometer lange einspurige und steile Straße, die mit nur vier Möglichkeiten zum Ausweichen zum Schloss und Messners Museum hinauf führt. Hart am Fels und zum Teil auch in den Fels gehauen. Als uns ein Traktor mit einem Anhänger entgegen kommt, muss der Bus ein Stück im Rückwärtsgang bis zur letzten Kehre zurückfahren, um den Traktor passieren zu lassen. Nach zehn Minuten heißt es bei einem Berggasthaus: "Alles aussteigen!" Den letzten Kilometer müssen wir zu Fuß absolvieren.

Nach dieser Begegnung nehmen wir den Bus hinunter und geben "Tramin" ins Navigationssystem ein. Haubenkoch Levin Grüten hatte uns beim Abendessen in Brixen ein Glas aromatischen Gewürztraminers zum Südtiroler Ramen empfohlen. Der schmeckte uns, wir wollen mehr über diesen Wein wissen. Also auf in das Dorf, das ihm den Namen gab. Die Route führt uns in einer Stunde über Meran und Bozen zuerst zum Kalterer See.

km 313, Tramin

Vom Kalterer See ist es nur noch ein Katzensprung nach Tramin an der Weinstraße. Kurz vor der Ortseinfahrt sticht ein Meisterwerk des Architekten Werner Tscholl ins Auge: das Gebäude der Kellerei Tramin, in grün gehalten und die Ranken einer Rebe symbolisierend. Was nicht zu sehen ist: Die Photovoltaikanlage auf dem Dach, die 85 Prozent des Strombedarfs erzeugt.

Jetzt wollen wir wissen: Was hat es mit der Rebsorte des Traminer auf sich? Wir treffen Jürgen Geier, den hauseigenen Sommelier. Er kann die sechs verschiedenen Sorten Gewürztraminer ohne Blick aufs Etikett unterscheiden.

Mit dem Besuch der Kellerei Tramin hat unsere Route durch Südtirol ihr Ende gefunden. Oder doch noch nicht?

Nicht ganz. Im Fernsehen läuft eine Serie, die wir gerne verfolgen, weil sie sehr schön die Landschaft hier zeigt: die Südtirol-Krimis. Wir haben gegoogelt und das Schloss, auf dem Mutter und Stieftochter der Commissaria Sonja Schwarz (Chiara Schoras) ein Weingut betreiben, gefunden. Der Drehort ist nicht weit von Kaltern – und mit diesem Bild des TV-Winzerschlosses verabschieden wir uns aus Südtirol.