Der Zauber des Winters

Sanfte Abenteuer und Erlebnisse im Norden Finnlands: unterwegs im Hunde-, Rentier- und Motorschlitten. 
 

Es ist wunderbar still auf dem Berg Levi oberhalb der gleichnamigen Stadt ganz im Norden Finnlands. Mit Schneeschuhen an den Füßen stapfe ich Schritt für Schritt durch einen Märchenwald, wie ich ihn noch niemals zuvor gesehen habe. Die hohen Nadelbäume sind über und über mit Schnee und Eis bedeckt, weiße Riesen, die meinen Weg bewachen.

Und war da nicht soeben am Nachthimmel ein unheimliches Glitzern und Gleißen, eine Kas­kade von Licht, die aus den Tiefen des Alls herab­gestürzt ist? Oder habe ich nur die profanen Lichter der Seilbahn-Bergstation mit dem legendären Nordlicht verwechselt? Bei unter minus 15 Grad funktionieren offenbar die Sinne nicht mehr so richtig. Mein Bart ist ohnehin schon festgefroren.

Meine tiefwinterliche Wanderung durch diesen Märchenlandschaft ist einer der Höhepunkte von Flugreisen ins Finnland jenseits des Polarkreises, die sich steigender Beliebtheit erfreuen. Ziel ist in jedem Fall der Airport von Kittilä, den man entweder mit Direkt-Charterflug ab Österreich oder per Linie mit (bequemem) Umstieg in Helsinki erreicht.

Nur wenige Kilometer von Kittilä entfernt wartet der Wintersportort Levi, bekannt auch von den alpinen Weltcup-Bewerben, die am gleichnamigen Berg stattfinden, der mit 531 Metern eine für finnische Verhältnisse beachtliche Seehöhe vorweisen kann. Levi selbst ist ein schmucker Wintersportort mit angenehmen Restaurants, Cafés und Bars sowie Hotels, die jeden Komfort bieten.

Die eigentliche Attraktion ist aber das Winter­erlebnis jenseits des Polarkreises, das auch in unseren Breiten immer mehr Fans gewinnt.

Wo ist es denn, das Nordlicht?

Und so ist auch die Charter-Maschine der Austrian, die mich im Februar dieses Jahres in gut drei Stunden von Wien nach Levi bringt, gut gefüllt mit einem Publikum, das sich von Kapitän Peter Ziegelwanger, einem Routinier auf dieser Route, gerne persönlich begrüßen lässt. Die Reise beginnt also mit einem Flug wie in der guten alten Zeit: Reservierter Sitzplatz, Getränke und Mahlzeit sind inbegriffen.

In Levi, 170 Kilometer nördlich des Polar­kreises, erwartet mich kalte klare Winterluft – aber auch ein gut geheizter Bus, mit dem die Passagiere in ihre jeweiligen Hotels im 15 Kilometer entfernten Ort chauffiert werden.

Wenn schon gegen 14 Uhr die Abenddämmerung einsetzt, beleuchten die einheimischen Samen ihre Stadt mit bunten Lam­pions, die aus Levi fast ein kleines Weihnachtsdorf außerhalb der Saison machen und zusammen mit dem glitzernden Schnee und Eis eine heimelige Atmosphäre schaffen. In ­einer Stunde Rundgang habe ich mir zwischen der Talstation des Schilifts und meinem Hotel einen guten Überblick verschafft.

Nach dem Buffet-Abendessen im Hotel mache ich mich, mit Haube und Handschuhen ausgerüstet, neuerlich auf die Socken, ­gehe hinüber zu dem kleinen, fest zugefrorenen See am Rande von Levi, wo sich auch schon zahlreiche andere Nordlicht-Späher eingefunden haben. Mittlerweile gibt es ja schon eigene Apps, die das Auftreten des Himmelsphänomens vorhersagen, zu 100 Prozent zuverlässig sind aber auch diese nicht.

Das Nordlicht (oder besser gesagt: das ­Polarlicht auf der nördlichen Halbkugel) entsteht, wenn elektrisch geladene Teilchen des Sonnenwinds auf Sauerstoff- und Stickstoff­atome in den oberen Schichten der Erdatmosphäre treffen und diese ionisieren. Bei der nach kurzer Zeit wieder erfolgenden Rekombination wird Licht ausgesandt. Polarlichter treten hauptsächlich nahe dem Nord- und Südpol auf, wo die Feldlinien des Magnetfeldes der Erde die Atmosphäre durchdringen.

Und so stehe ich gemeinsam mit anderen Schaulustigen fast eine Stunde in der kalten Polarnacht und suche nach meinem ersten persönliche Nordlicht. Dass sie im winterlichen Levi bei klarem Wetter häufig zu sehen sind, daran besteht freilich kein Zweifel. "Gestern waren sie da, phantastisch!", schwärmt eine britische Touristin. Doch ich muss mit der Einsicht zu Bett gehen, dass sich ­Naturphänomene nicht nach Touristen richten. Die nächtliche bewegungslose "No-Nordlicht-Stunde" am See war übrigens auch die einzige, in der ich während meiner Lappland-Reise etwas gefroren habe. Das kontinentale Klima macht auch Temperaturen um die minus 20 Grad durchaus erträglich, wenn man sich ordentlich einpackt und im Freien auch bewegt.

Nordischer Dreikampf: im Hunde-, Motor- und Rentierschlitten

Lautstarkes Gebell ist am nächsten Tag das Startsignal für ein weiteres sanftes Abenteuer. Mit dem Bus geht es ein Stück aus Levi hinaus zu einer Huskytour. Die Schlittenhunde sind mindestens so aufgeregt wie die Touristen, die bei der Einschulung ganz genau wissen wollen, wie man so ein Hundegespann steuert, man will ja schließlich nicht irrtümlich Kurs auf den Nordpol nehmen. Doch stellen sich entsprechende Befürchtungen rasch als unbegründet heraus. Sind die Leinen gelöst, dürfen die Hunde endlich losrennen – den Weg auf dem einige Kilometer langen Rund­parcours durch die Taigalandschaft finden sie ganz von alleine.

Als Gespannführer darf ich mich zwar wie auf einer Polarexpedition fühlen, während wir über den glitzernden Schnee gleiten. Zu tun habe ich außer ein bisschen Kurventechnik und einem kleinen Bremsmanöver zwischendurch – nichts. Und auf mich wartet am Schluss der Tour auch kein Biwak in der kalten Polarnacht samt der Gefahr, von Eisbären aufgefressen zu werden, sondern ein warmer Tee im Huskycamp und der bequeme Bus zurück nach Levi.

Der Unterschied zur Motorschlitten-Safari, die ich ebenfalls ausprobiere, könnte nicht größer sein. Für die mehrstündige Ausfahrt, die im Prinzip einmal um den Berg Levi herum und auch über zugefrorene Seen führt, muss ich mich mit einem zusätzlichen warmen Overall, einem festen Helm und dicken Überhandschuhen ausrüsten. Wie sich herausstellt, hat der Schlitten sogar eine Griff­heizung, was will man mehr!
So ein Motorschlitten hat ganz schön Power, in den Kurven muss man per Sitzfleisch ausgleichen und übersieht man bei zu hohem Tempo eine Stelle mit Tiefschnee, ist ein Crash oft nicht mehr zu vermeiden. Ich gehe diese Fahrt also etwas langsamer an, gewinne nach einiger Zeit Sicherheit und kann dann auch diese Tour voll genießen.

Die sanfte Variante eines solchen Ausfluges ist der Besuch einer Rentierfarm. Diese Tiere, die nicht nur den Norden des eurasischen Kontinents, sondern (als Karibus) auch Nordame­rika oder Grönland bewohnen, gelten ja gemeinhin als etwas dämlich, was wohl daher kommt, dass sie häufig bei Begegnungen mit Autos auf einsamen Landstraßen nicht von der Straße fliehen, sondern einfach stocksteif stehenbleiben, zweifellos ein evolutionärer Nachteil. Doch ich habe immer meine ­Freude mit den Rentieren, ich finde, sie haben die gleiche beruhigende und ausgleichende Art wie diese ganze nordische Landschaft.

Auf der Farm angekommen, werden die neugierigen Touristen in die bereitgestellten Schlitten gepackt, die unter sachkundiger Führung einer in samischer Tracht gekleideten Frau auf einer kleinen Runde durch den Wald gezogen werden. Die Samen sind die indigenen Einwohner der nördlichen Regionen Norwegens, Schwedens, Finnlands und der angrenzenden Regionen Russlands. Jahrtausende lang lebten sie in einer Art Symbiose mit den Rentieren, deren Verwertung ihnen das Überleben im Norden ermöglichte. Das Wort "Lappen", das früher eine etwas abwertende Bedeutung hatte, sollte für dieses Volk, das seine eigen­ständige Kultur in letzter Zeit immer erfolg­reicher verteidigt, nicht mehr verwendet werden, lerne ich bei einem Gespräch mit den Einheimischen.

Ein Iglu zum Verlieben

Wer sich auf eine Pauschalreise in den hohen Norden begibt, kann sich darauf verlassen, dass diese "Abenteuer" gut organisiert und – vielleicht bis auf die Schneeschuh-Wanderung – für alle Altersgruppen problemlos zu bewältigen sind. Es ist aber sicherlich auch eine gute Idee, sich für einen oder zwei Tage gar nichts vorzunehmen, vielleicht einen gemütlichen Spaziergang in die weitere Umgebung zu unternehmen oder sich etwa Langlauf- oder Alpin-Schier auszuborgen, um die Weltcup-Piste auszuprobieren.

Die Finnen haben sich aber auch noch zahlreiche andere Aktivitäten einfallen lassen, mit denen man sich am Polarkreis austoben kann, darunter Reiten mit Islandpferden, Ice-Karting und sogar Eisloch-Angeln.

Für hoffnungslose Romantiker und solche, die es vielleicht noch werden wollen, wird in Levi außerdem das sogenannte Programm "Lappland zum Verlieben" angeboten. Auf einer Anhöhe über der Taiga nächtigt man in hochwertigen Glas-Iglus mit allem Komfort, aus denen man einen grandiosen Ausblick über die tief verschneite Landschaft hat. In der Nacht genießt man aus warmen Bettchen den Blick in den Polarhimmel, an dem bei geeignetem Wetter die Polarlichter ihr buntes Spiel zeichnen. Vielleicht eine Idee für eine Überraschung während der Nordland-Reise! Auf jeden Fall sollte man rechtzeitig reservieren, denn die Glas-Iglus sind oft lange voraus ausgebucht.

Die beste Reisezeit für einen Winter­urlaub im Norden Finnlands sind wohl die Monate Jänner bis März. Während der Polarnacht ist es keineswegs stockdunkel, um die Mittagszeit herrscht einige Stunden wunderbar angenehmes Dämmerlicht. Schon ab ­Fe­bruar stehen acht Stunden Tageslicht für ­alle möglichen Aktivitäten zur Verfügung. Ich selbst war Ende Februar im Reich der Samen rund um Levi unterwegs, da war es schon länger hell als in unseren Breiten rund um Weihnachten und Neujahr.

Und wenn es Ihnen so wie mir ergeht, dass Ihnen also der Bart während der Schneeschuh-Wanderung zu einem harten Brett gefriert, dann haben Sie wenigstens ein Foto, mit dem Sie zu Hause oder auf Facebook ordent­lich angeben können.

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