Chillen mit Alpakas

Eine Pause einlegen und die Natur genießen – das fällt uns in der heutigen hektischen Zeit zunehmend schwer. Doch auf dem Auszeithof in St. Aegyd gelingt's.

Die Kinder stressen, die Arbeit sowieso, irgendwann wird alles zu viel. Gerade in unserer hektischen Welt, in der wir ständig erreichbar sein sollen, ist es manchmal notwendig, sich für ein paar Tage ­eine Auszeit zu gönnen, um zur Ruhe zu kommen und neue Kraft zu schöpfen. Vor Kurzem war es bei mir so weit.

Ich wollte weg, so richtig weg, aber ohne weit fahren zu müssen. Es sollte in die Natur gehen, gerne an einen Ort mit Tieren, dafür mit möglichst wenig Menschen. Nach kurzer Recherche stieß ich auf die Angebote von Green Care ­(siehe Infokasten). Ich entschied mich für den Auszeithof in St. Aegyd am Neuwalde, Niederösterreich, da auf dem Bauernhof auch gesundheitsfördernde Angebote wie Alpakaspaziergänge, Burn-out-Prävention oder Klangmeditation angeboten werden.

Auf dem Hof, der rund 30 Minuten vom Pilgerort Mariazell entfernt ist, empfängt mich Besitzerin Barbara Enk. Sie ist keine klassische Bäuerin, sondern Psychotherapeutin und auch in der Palliativbetreuung tätig. Obwohl der Hof seit rund 150 Jahren in Familienbesitz ist, übernahm ihn die 53-Jährige erst vor vier Jahren und begann ihn zu renovieren. "Ohne wirklichen Plan, was daraus werden wird", lacht die Niederösterreicherin. Aus dem Hühnerstall wurde ihre Praxis. Im Stall darüber wohnen die Alpakas. Im Haupthaus gibt es bis zu vier Gästezimmer.


Ihre Kundschaft ist vielfältig – Erholungs­suchende, Pilger, Burn-out-Gefährdete und Krebspatienten. Auch sogenannte "Wwoover" (Menschen, die für Kost und Logis am Hof mithelfen) kommen. Bei Barbara gibt’s übrigens nur das Zimmer, die Kost übernehmen die Gäste selbst. "Oft werde ich eingeladen, mit ihnen zu essen, manchmal kochen alle getrennt." Locker ist die Devise am Auszeithof. Alles kann, nichts muss. Fernseher gibt's keinen, Internet schon. Für Barba­ra schafft diese Gäste-Kombination "die optimale Wohngemeinschaft auf Zeit. Besser hätte ich es mir nicht wünschen können."

Vom Bauern- zum Alpakahof

Die Modernisierung gelang, ohne die Authentizität des alten Hofes einzubüßen – von der gemütlichen Stube mit Kamin und Kuckucksuhr über die Küche mit Holzofen bis hin zu den Zimmern, die allesamt mit alten Möbeln bestückt sind. Knarzende Dielen gehören hier ebenso dazu wie die Katzen Lilli und Mio. WC und Dusche sind am Gang – nicht luxuriös, dennoch gemütlich. Als Alpaka-Fan war für Barbara schnell klar, dass die Wiese vor dem Hof ideal für die Tiere wäre. Aus zwei Alpakas wurden 16, die auf ­Namen wie Pedro, Picasso oder Turmalin hören.

Wandern, mithelfen, spinnen

Die unterschiedlichen Gäste finden hier Erholung und Ruhe. Wie ein junges Paar aus Deutschland, das gerne mit anpackt und bei den Alpakas ausmistet. "Wir waren früher schon einmal hier und genießen das Wiedersehen sehr", erzählt Jana. Neben der Mitarbeit am Hof trainiert sie für einen Marathon: "Hier kann ich abschalten, den Alltag vergessen und Kondition aufbauen."

Die Wolle der Alpakas verwendet Barbara zum Spinnen, so richtig oldschool am Spinnrad. Sie gibt auch Spinnkurse für Interessierte. "Keine Sorge, man kann sich nicht stechen", erklärt die 53-Jährige und zeigt mir, wie es funktioniert. Dafür ist Geduld und ausreichend Zeit nötig. Spinnen entschleunigt und beruhigt.

St. Aegyd liegt am Wiener Wallfahrerweg und bietet für Wandernde viele Optionen, etwa ­einen Urwald und die Hausberge Gippel und Göller. Wer lieber in Begleitung wandern möchte, der kann bei Barbara eine Alpaka-Tour buchen.

Alpakas sind ideale Therapietiere. Sie zeigen ihre Grenzen ganz deutlich und daraus lernen auch die Menschen.<br />
 

Barbara Enk, Psychotherapeutin, Krankenschwester und Bäuerin

Das Wandern ist des Alpakas Lust

Genau das Richtige für mich. Gemeinsam mit den Tieren wandern wir zum Hochplateau. Zuvor gibt die Besitzerin noch Instruktionen: ­"Alpakas mögen es nicht sehr, wenn sie gestreichelt werden. Sie zeigen ihre Grenzen deutlich."

Das fällt bei den flauschigen und herzigen Wesen schwer und verlangt Selbstbeherrschung. Grenzen akzeptieren, das lernen hier nicht nur die Gäste, denn die Tiere werden auch bei verschiedenen tiergestützten Therapien am Auszeithof eingesetzt.

Ich genieße die Zeit mit den Tieren und orientiere mich an ihrem individuellen Rhythmus. Bleibt Pedro stehen, dann raste ich mit ihm und genieße die Natur. Mühelos zeigen die sensiblen Alpakas, wie wichtig Geduld, Akzeptanz und Rücksicht sind.

Mein Fazit: Ja, ein Aufenthalt am Auszeithof hat eine gewisse therapeutische Wirkung. Die kurze Zeit der Entschleunigung war für mich ideal. Das Handy wegzulegen, die Natur zu genießen und sich auf die wichtigen Dinge des Lebens zu besinnen, tut gut. Und die Alpakas sorgen für gute Stimmung – auch ohne Kuscheln.

Mehr Infos zum Auszeithof Enk gibt' hier.

Über Green Care

Das "Green Care"-Projekt bietet landwirtschaftlichen Betrieben neue Einnahmequellen: Zertifizierte Höfe nutzen je nach Zielgruppe gezielt Natur, Tiere und Pflanzen für gesundheitliche, soziale und therapeutische Ange­bote – von Auszeiten bis zum betreuten Wohnen. So schafft Green Care soziale Dienstleistungsangebote dort, wo sie gebraucht werden und unterstützt damit den Erhalt der kleinstrukturierten Landwirtschaft.

Infos: greencare-oe.at