Azoren: Wandern im Atlantik

Zu Fuß geht es entspannt über tiefgrüne Kraterlandschaften, oft mit Walen und Delfinen im Blickfeld – und danach ein extrafrischer Fisch am Teller.

Grün, soweit das Auge reicht. Und blau in allen erdenklichen Schattierungen. Wir stehen am Miradouro da Boca do Inferno, der Aussicht in den Höllenschlund. Sicher der unpassendste Name überhaupt – wer den wohl verbrochen hat? Denn wir genießen den schönsten Ausblick unserer Reise. An allen Seiten fast senkrechte Steilhänge, wie von grünem Samt überzogen. Weit unter uns kleine Krater mit dunkelgrünen Seen, weiter vorne der Riesenkrater von Sete Citades mit den beiden Seen Lagoa Verde und Lagoa Azul. Und hinter dem hoch aufragenden Kraterrand bis zum Horizont der dunkelblaue Atlantik.

Motto für den Augenblick: tief durchatmen, innehalten, genießen – und versuchen, die vielen Selfie-Sammler auszublenden. Denn der Miradouro ist kein Geheimtipp, aber trotzdem ein Pflichtstopp auf der Azoren-Hauptinsel São Miguel.

Der Ausblick ist das lohnende Ziel eines der über 80 markierten Wanderwege auf den neun Azoren-Inseln, wir erreichen ihn aber schon nach einem lockeren Spaziergang von einem nahen Parkplatz aus. Der schma­le Pfad ist von unzähligen Hortensien gesäumt. Von Juni bis August muss die Blütenpracht überwältigend sein.

Die Zufahrt ist nicht so leicht zu finden. Zur Orientierung: Der Parkplatz des Rundwanderweges Serra Devassa ist gleich vis-à-vis. Und weil wir schon da sind, machen wir uns gleich auf diese Fünf-Kilometer-Berg-und-Tal-Runde.

Von Krater zu Krater – Serra Devassa-Rundwanderung

Königliche Aussicht

Ein paar Kilometer weiter stoppen wir am Vista do Rei, der königlichen Aussicht. Einerseits ist der Blick auf den riesigen, 300 Meter tiefer liegenden Riesenkrater von Sete Cidades atemberaubend. Andererseits zeigt sich an der Ruine des Betonbunker-ähnlichen Hotels "Monte Palace" aus den 1980er-Jahren, wie ein Projekt schiefgehen kann, über Jahre hindurch mit tatkräftiger Unterstützung von Vandalen zerfällt und von der Natur zurückerobert wird.

"No Stress – Açores!" stand auf dem T-Shirt im Airport-Shop – und genau das ist es. Schon nach wenigen Tagen haben wir runter geschaltet, sind um ein, zwei Gänge langsamer unterwegs.

In Österreichs Bergwelt erprobte Wanderer werden auf den Azoren übrigens kaum an ihre Grenzen stoßen. Oft scheint es sogar, als ob wir über heimische Almen wandern, über Teichalm, Rax, Koralpe, Postalm oder auf den Schafberg. Mit dem Unterschied, dass wir hier meistens unter 1.000 Metern Seehöhe unterwegs sind. Seehöhe bedeutet hier eigentlich Sehhöhe, denn die Weiten des Atlantik sind von fast überall zu überblicken. Sein raues Klima ist für den Almen-Charakter verantwortlich, offene Grasflächen wechseln sich mit dichtem Buschwerk oder Wäldern ab. Nur dass hier keine Fichten, Buchen oder Lärchen stehen, sondern japanische Sicheltannen, Wacholder-, Lorbeer- und Erica-Wälder. Ja, richtig gelesen, die Erica azorica ist mit unserer Alpen-Erika verwandt, wird aber einige Meter hoch und durch die knorrigen, verkrüppelten Stämme wähnt man sich in einem verwunschenen Märchenwald – speziell, wenn auch noch luftig-leichte Nebelschwaden durchziehen.

Die Erica azorica ist mit unserer Alpen-Erika verwandt – nur halt ein bisserl höher (beachten Sie zum Vergleich die Wanderer). Und im Nebel oder Nieselregen wirken die Buschwälder geheimnisvoll, fast märchenhaft. 

Fünf Inseln in zwölf Tagen

Auf den Azoren wird nicht nur das Wetter für Europa gemacht, die neun Inseln selbst sind einzigartige Wetterküchen. So zitiert etwa Manuel, der freundliche Kellner im Hafenrestaurant, eine alte Weisheit: "Auf den Azoren kann man an einem einzigen Tag alle vier Jahreszeiten erleben." Und ergänzt: "Man schaut am Morgen raus. Sind Wolken da, fährt man zum Baden halt auf die andere Inselseite, denn dort scheint dann meistens die Sonne. Auf dem Hochplateau der Inselmitte wechselt es sowieso ständig. Im Sommer, so Juli bis September, ist es stabiler, da kann's dann schon ein paar Tage hindurch gleich bleiben. Aber über 30 Grad hat’s kaum."

Wir sind Ende Mai auf den Azoren, verbringen auf drei der neun Inseln jeweils ein paar Tage und schauen uns zwei weitere Inseln bei Tagesausflügen mit der Fähre an. Und überall das gleiche, das Wetter wechselt ständig – auch mehrmals am Tag. Da ist es von Vorteil, mit dem Mietauto flexibel zu sein, geplante Aktivitäten und Wanderungen kurzfristig ändern zu können. Dass wir für uns passende Wanderungen schon vorab gecheckt haben, stellt sich somit als Zeit sparend heraus. Die umfangreiche Azoren-Website visitazores.com war hilfreich. Hier kann aus den über 80 Wanderrouten nach Insel, Schwierigkeit, Länge und Routenform gesucht werden – wir suchten Rundwanderungen aus, weil wir ja wieder zum Auto zurück wollten und es eher langweilig ist, auf Streckenwanderungen den gleichen Weg zurück zu latschen.

Essen auf den Azoren?

Gut, häufig sogar ausgezeichnet – und immer günstig. Auf dem Hinflug hat uns eine überaus nette Flugbegleiterin der portugiesischen TAP und gebürtige Azoreanerin zwei Tipps für São Miguel gegeben. Zwei Volltreffer! Einerseits die Restaurant-Bar Caloura nahe Agua de Pau, wo gegrillt auf den Tisch kommt, was kurz zuvor ins Netz ging. Andererseits das Steakhaus der Associação Agrícola de São Miguel in Rabo de Peixe an der Nordküste.

Allerdings gibt’s auch noch viele "traditionelle" Restaurants, in denen sich Fisch oder Fleisch (vom Grill oder in fettigem Backteig) den großen Teller mit Salzerdäpfeln oder Pommes frites und lieblos geschreddertem Salat teilen müssen.

Schluchtwanderung im Süd-Osten

Um nach Faial da Terra zu kommen, nehmen wir die nördliche Küstenstraße und fahren weiter die Ostküste runter Richtung Süden – Gott sei Dank! Denn die Straße schlängelt sich großteils hoch über den Klippen dahin, bietet uns grandiose Ausblicke auf kleine Buchten und auf den malerischen Leuchtturm Farol da Ponta do Arnel. Dann wiederum geht's durch dichten, sattgrünen Urwald, stellenweise sind die Straßenränder von grellbunten Blumen gesäumt, die ersten Hortensien entfalten ihre üppige Pracht, mannshohe Agapanthus-Lilien beugen sich über die Leitplanken.

Faial da Terra – Tour mit Überraschungen

Immer in Bewegung

Die Azoren liegen auf dem mittelatlantischen Rücken, an dem die Kontinente aus­ein­an­der­drif­ten – und zwar genau dort, wo nordamerikanische, eurasische und afrikanische Platte ein „Dreiländereck“ bilden. Dieser Lage verdanken die neun Azoren-Inseln ihre Existenz. Im Osten die größte, São Miguel mit der Hauptstadt Ponta Delgada. Sie liegt auf der eurasischen Kontinentalplatte, wie auch die fünf zentralen Inseln: Auf Terceira bleiben wir ein paar Tage, ebenso auf Faial, von wo aus wir mit der Fähre Tagesausflüge nach São Jorge und nach Pico unternehmen. Graciosa lassen wir dieses Mal aus, genau wie die beiden östlichen Inseln, Flores und Corvo, die bereits auf der amerikanischen Kontinentalplatte liegen und sich allmählich von den anderen Inseln entfernen, rund zwei Zentimeter pro Jahr. Und das kleine Santa Maria im Südosten hat auf der Azoreanischen Mikroplatte irgendwie einen Sonderstatus.

Die Lage in der hyperaktiven Schnittstelle zwischen den Kontinenten erklärt auch die Hunderten Vulkane und die vielen heißen Quellen. Die bekanntesten sind wohl auf São Miguel zu finden. Die kochend heißen Pools und brodelnden Schlammlöcher rund um den Lagoa das Furnas bzw. die Thermalbecken der Caldeira Velha im üppigen Urwald am Nordhang des Pico Barrosa.

Kurs auf die zentralen Inseln

Faial, unsere nächste Insel, erreichen wir nach kurzem Flug. Faial ist anders. Anders als São Miguel. Kleiner, nahezu rund, übersichtlicher. Die Hauptstadt Horta wird vom geschäftigen Hafen dominiert, in dem unzählige Segelboote liegen. Rund 1.400 Kilometer westlich des Mutterlands Portugal ist Horta traditionell der letzte Hafen für Transatlantik-Segler auf ihrem Weg nach Amerika und umgekehrt der erste auf dem Weg nach Europa. Und da, so der Aberglaube, alle vom Pech verfolgt sind, die sich nicht auf den Kaimauern verewigen, sind diese über und über mit aufwändigen oder auch künstlerisch weniger wertvollen Malereien geschmückt.

Ein Muss: Das Peter Café Sport, eine Restaurant-Bar mit legendären Gin-Tonic-Kreationen, in der wir auch ganz passabel Fisch essen. Plafond und Wände sind vollgepflastert mit Wimpeln, Fahnen, Erinnerungstafeln, Notizzetteln und Plaketten von Atlantik- und Weltumseglern. Das Publikum reicht von übertrieben gestylten Japanerinnen und müden Wanderern über Rucksacktouristen bis hin zu Seebären und -innen, denen wir ansehen, dass sie lange auf See waren.

Die tollste Wanderung auf Faial

Unser Plan: Einmal rund um die Caldeira, den Riesenkrater im Inselzentrum. Es ist zwar stark bewölkt, wir fahren aber trotzdem rauf. Über eine kurvenreiche, von Hortensien gesäumte Straße, durch Alleen, die zu grünen Tunneln werden, weil von beiden Seiten Äste weit reinhängen und durch immer dichter werdenden Nebel.

Unser Optimismus wird belohnt: Knapp unter dem Kraterrand durchstoßen wir die Nebelgrenze, über uns blauer Himmel, Sonnenschein. Ein erster Blick in den Krater von der Aussichtsplattform gleich beim Parkplatz. Und los geht's. Permanent an der Kante entlang, über Stock und Stein. Wenn zwischendurch der vom Atlantik aufsteigende Nebel aufreißt, genießen wir die grandiose Aussicht – das saftige Grün der Insel geht ins dunkle Blau des Atlantik über. Am Horizont ragt auf der Nachbarinsel Pico der gleichnamige Vulkankegel weit in die Wolken – und darüber hinaus. Nach gut zweieinhalb Stunden sind wir zurück, haben auf acht Kilometern den Krater umrundet – und fahren zurück, runter in die Nebelsuppe.

Essen beim Nationalhelden

Am westlichen Stadtrand von Horta liegt der kleine Fischerhafen Porto Bim – mit kleinem Sandstrand und zwei Lokalen. Das Genuino gehört Genuino Madruga, dem ersten Allein-Weltumsegler der Azoren. Wir speisen vorzüglich und haben Glück: Der Chef ist da. Er erzählt gerne von seinen Erlebnissen und so brauche ich keine Überredungskünste, um ins Gespräch zu kommen.

Geboren 1950 ist er schon als Kind mit einem selbst gebauten Boot zum Fischen rausgefahren und hat die Transatlantik-Segler bewundert. In den 1970ern traf er den französischen Weltumsegler Marcel Bardiaux und seinen Lieblingssänger, den belgischen Chansonnier Jacques Brel, der ebenfalls begeisterter Segler war. Seit damals ließ ihn die Idee einer Allein-Weltumsegelung nicht mehr los.

Im Oktober 2000 war es für den langjährigen Berufsfischer soweit, Madruga stach mit seinem elf Meter langen Segelboot "Hemingway“ in See, überquerte den Atlantik, kam durch den Panama-Kanal in den Pazifik und machte seinen ewig geplanten Pflichtstopp in der Südsee: auf der Marquesas-Insel Hiva Oa, um das Grab von Jacques Brel aufzusuchen. Hier hatte der Sänger seine letzten Jahre verbracht und war unweit der letzten Ruhestätte des Malers Paul Gauguin begraben worden. Stolz zeigt uns Genuino die Bilder in seinem Bildband über seine zwei Weltumsegelungen.

Genuino erzählt in seinem Restaurant gerne von seinen zwei Weltumsegelungen und zeigt uns dabei gerne die Fotos in seinem Bildband.

Die größte Herausforderung? "Das war das Trinkwasser, denn nicht überall war was zu bekommen. Oft musste gesammeltes Regenwasser reichen“, erklärt er uns. Bei der zweiten Umsegelung sei das kein Thema mehr gewesen, denn "nach der Rückkehr im Mai 2002 wurde ich gefeiert, Sponsoren haben mir fürs zweite Mal eine Mini-Entsalzungsanlage spendiert“, erzählt Genuino und erwähnt stolz die Medaille, die ihm die portugisische Admiralität verliehen hatte.

Die ultimative Herausforderung der zweiten Umrundung hat er sich selber aufgehalst: die Route um Kap Horn. "Speziell da hat mir die Erfahrung als Fischer geholfen. Wellen und Wetter muss man lesen können, um rechtzeitig richtig zu entscheiden. Am Kap war's die Hölle. Kein Schlaf, immer voll konzentriert, extrem kalt – und pausenlos ging irgendein innerer Alarm los!"

So war er von August 2007 bis Juni 2009 unterwegs, war der erste Portugiese und damals zehnter Alleinsegler weltweit, der Kap Horn in Richtung Pazifik umrundet hat. "Wie beim ersten Mal hab' ich viele interessante Menschen getroffen", sagt er mit verklärtem Blick. Und wie beim ersten Mal hat Genuino überall Mitbringsel gesammelt. Die sind nun auf den zwei Etagen seines Restaurants zu bewundern – und jeder der fragt, bekommt gerne ausführliche Antworten.

Rendezvous im Atlantik

Treffpunkt Hafen, 9 Uhr. Ein kleines Hütterl, auf einem Ständer hängen Regenjacken und Schwimmwesten, an der Wand ein Plakat mit Walen und Delfinen. Zwei junge Damen und ein bärtiger Seebär mit sonnengegerbter Haut stehen davor. Wir fahren zum Whale watching, bekommen ein ausführliches Briefing und können es gar nicht erwarten, wie der Weltumsegler auf den Atlantik raus zu fahren. Los geht's, Schwimmwesten sind Pflicht. Skipper Pedro und die beiden Meeresbiologinnen (und Rettungsschwimmerinnen) stehen hinten auf dem Kommandostand des Zodiak-Schlauchbootes. Wir zwölf Passagiere sitzen auf zwei parallel laufenden, gepolsterten Balken hintereinander – die Beine links und rechts wie beim Reiten – und halten uns an stabilen Griffen fest.

Ich frage mich nach ein paar Minuten rasanter Fahrt, wie wir auf der riesigen Fläche zwischen Faial und den Nachbarinseln Pico und São Jorge auch nur irgendwas finden sollen. Kaum gedacht, taucht neben uns ein Delfin auf. Und gleich noch einer, ein anderer springt aus dem Wasser, klatscht neben dem Boot wieder rein. Meeresbiologin Ana erklärt, es seien Common Dolphins (Gewöhnlicher Delfin), "erkennbar an den hellen Flanken. Die haben Spaß daran, Boote zu begleiten." Ein größeres Beobachtungsboot nähert sich, begleitet von dunklen Delfinen, die dort ab- und bei uns wieder auftauchen. "Das sind Bottlenose Dolphins (Großer Tümmler)", sagt Ana, "die schwimmen einfach dahin, ohne sich großartig darum zu kümmern, wer ihre Route kreuzt."

Plötzlich meldet sich Pedro: "Look back!" Beim intensiven Delfine beobachten haben wir den Pottwal glatt übersehen, der keine 50 Meter hinter uns meterhoch eine Fontäne gen Himmel bläst. Nach ein paar Atemzügen reckt er seine riesige Schwanzflosse aus dem Wasser, um möglichst senkrecht abzutauchen. "Darauf warten alle", meint Pedro.

Was wir nicht wissen: Den Pottwalen, die das ganze Jahr über zwischen den Azoreninseln in gut 1.000 Metern Tiefe nach Riesentintenfischen jagen, ist heute nicht nach Fressen. Dafür treffen sie sich an der Oberfläche zum Spielen – "socialising" sagt Pedro. Diese eine aus dem Wasser gereckte Schwanzflosse sollte an diesem Tag die einzige bleiben.

Im Lauf unseres Dreistunden-Trips beobachten wir zwölf Pottwale und unzählige Delphine – darunter drei seltene Risso-Delfine. Die sind größer als die Großen Tümmler und haben eine fast weiße Haut. Und als Bonus begleiten uns auf der Rückfahrt ein paar Fliegende Fische.

Und immer wieder schweift mein Blick über den Atlantik, allerdings jederzeit mit einer der Inseln irgendwo im Augenwinkel. Genuino Madruga fällt mir ein: Wie oft er wohl sehnsüchtig nach Land Ausschau gehalten hat?

Übrigens: Delfine und Pottwale sind Zahnwale und auf den Azoren sesshaft. Im Gegensatz dazu ziehen die Krill (= Kleinkrebse) fressenden Bartenwale mit den Futterschwärmen den kühlen Gewässern nach – im Frühjahr nach Norden, im Herbst nach Süden. Zu ihnen gehören auch die größten Meeressäuger, Blau- und Finnwal – leider waren die aber schon ein paar Wochen vor uns da…

Tagestour nach Pico

Überraschungsbesuch im Busch

Wir biegen ab, fahren über eine holprige Schotterstraße, halten an, steigen aus und hören irgendwo am steilen, dicht bewachsenen Hang über uns lautes Reden. Jenny meint: "Er ist da" und ein paar Schritte später stehen wir in der Steinhütte von Antero, dem Whale Spotter. Er hat gerade drei Pottwale im Visier, ca. acht Kilometer weit draußen und leitet per Funk zwei Wal-Beobachtungsboote hin. Keine Ahnung, wie, denn Hinweise wie "beim großen Baum links" funktionieren auf offener See ja nicht – und Portugiesisch versteh' ich auch nicht…

Antero war Walfänger, bis 1984 der Walfang auf den Azoren verboten wurde. Er ist irgendwie dabei geblieben, nur hat er die Harpune gegen ein extrastarkes Fernglas getauscht. Wenn das Wetter passt, ist er schon früh am Morgen da, bevor die ersten Boote auslaufen. Und am Nachmittag noch einmal.

Auf allen Azoren-Inseln gibt's die Whale Spotter. Ohne einen geübten Spotter hätten auch wir am Vortag wohl unsere Pottwale und Delphine nicht so punktgenau gefunden – und jetzt wird auch klar, warum Pedro immer wieder gefunkt hat.

Ab ins Museum und zurück nach Faial

Spezialität auf Faial

Zum Abendessen haben wir uns gleich im Hafen von Horta das Canto da Doca ausgesucht. Hier gibt's ausschließlich Selbstgebrutzeltes vom Lava-Stein. Wir wählen aus verschiedenen Fleisch- und Fisch-Kombinationen, die schön trappiert auf Platten serviert werden. Dazu eine 400 Grad heiße Lavaplatte, etwa 15 mal 15 cm groß und los geht's. Das Fleisch grillen wir selber, gewürzt wird nur mit Salz, Kräuterpfeffer und Zitronensaft, sonst wird der Stein verschmutzt. Saucen, Pommes und Salate dazu – fertig. Ein Gedicht, und etwas ganz Spezielles.

Wie auf dem Mond?

Der wüstenhafte West-Zipfel Faials darf nicht ausgelassen werden. Im September 1957 begann hier das Meer zu brodeln. Nach einem Jahr war der Vulkan Capelinhos aus dem Atlantik gewachsen und hatte eine neue Halbinsel geformt. Der nahe Leuchtturm war teilweise unter Asche begraben, umliegende Dörfer wurden großteils, der kleinen Fischerhafen komplett zerstört. Beim Leuchtturm wurde ein sehenswertes, unterirdisches Vulkanismus-Museum eingerichtet, auf den Turm selbst steigen wir über eine ewig lange Wendeltreppe und genießen die tolle Rundumsicht.

Noch besser ist es, den Abhang auf knirschendem Lavasand zu erklimmen. Auf der Sandfläche und zwischen schwarzen Felsbrocken wachsen erste karge Pflänzchen. Hier eröffnet sich der perfekte Blick auf den Vulkankegel, der allerdings schon auf ein Drittel seiner ursprüngliche Ausdehnung reduziert wurde, weil das eruptierte Material viel zu weich ist, um der Brandung des Atlantik zu widerstehen. Wer den Capelinhos selbst erwandern will, muss sich übrigens im Besucherzentrum anmelden, denn die Anzahl der Wanderer pro Tag ist begrenzt.

Tagestour nach São Jorge

Die zweite Nachbarinsel von Faial, erreichen wir für ebenfalls mit der Fähre. Von weitem erkennbar: Die Insel schaut anders aus. Steil abfallende Klippen, nur im Westen etwas flacher – langgezogen wie ein schwimmender Kornspitz. Wir fahren mit unserem Guide über die Insel. Auf dem flachen Hochplateau grasen Rinderherden auf von Hortensienhecken begrenzten Weiden (Hortensien schmecken den Rindern nicht).

Am Inselrand geht’s an allen Seiten oft senkrecht runter, unzählige Miradouros (Aussichtspunkte) bieten spektakuläre Panoramen. An einigen Stellen sehen wir nun von oben doch winzige Buchten oder schmale, flache Küstenstreifen, die Fajãs – gesprochen "Faschas". Manche sind nur auf steilen Pfaden zu Fuß erreichbar und Ziele spektakulärer Wanderrouten. Leider haben wir zu wenig Zeit…

Vereinzelt gibt's Ansiedlungen direkt am Meer, eine davon ist die Fajã dos Vimes. Der Ort: ca. 80 Einwohner, ein paar Steinhäuser, kleine von Steinmauern umrahmte Felder – und am zerklüfteten Steilhang ein Urwald, der in eine kleine Plantage übergeht: die einzige Kaffeeplantage Europas. Ein paar Stauden, die hier dank mildem Mikroklima gedeihen. Der Kaffee aus der winzigen Rösterei? Gut, nicht zu kräftig. José Nunes, der Besitzer höchstpersönlich, serviert ihn uns. In den Verkauf kommen nur ein paar Sackerl, was den hohen Preis erklärt. Ich nehme mir lieber eine Espressotasse mit der Aufschrift "Café Nunes" als Souvenir mit.

Erwähnenswert noch die kleinen Molkereien auf São Jorge, die den typisch würzigen Azorenkäse produzieren und der 2.000-Einwohner-Hauptort Velas, der trotz seiner geringen Ausmaße urbanes Flair ausstrahlt. Hier entern wir auch die Abendfähre zurück nach Faial.

Dritter und letzter Inselwechsel

Terceira, unsere fünfte Azoren-Insel, erreichen wir wieder per Flugzeug. Sie war vom 15. bis ins 18. Jahrhundert Portugals Transatlantik-Rastplatz. Geschützt an einem Naturhafen gelegen erhielt die Hauptstadt Angra do Heroísmo eine gewaltige Festung zum Schutz vor Piraten, denn hier wurden die Schiffe mit den wertvollen Ladungen aus Südamerika für die Weiterfahrt nach Portugal aufbereitet. Vom Reichtum dieser Epoche zeugen die prächtigen Kirchen, Bürgerhäuser und Stadtpalais, die Angra zu einer sehenswerten Renaissance-Stadt machen. Viele davon mussten nach dem Erdbeben 1980 renoviert oder wieder aufgebaut werden.

Krater-Wanderung auf dem Monte Brasil

Zu einer herrlichen Rundwanderung ganz ohne Anfahrt starten wir direkt von unserem Hotel im Zentrum von Angra do Heroísmo: auf den Monte Brasil, dem Krater, der als Halbinsel vor dem alten Hafen liegt.

Zugegeben, die Wanderung selbst ist statt in dreieinhalb auch in zweieinhalb Stunden zu schaffen. Aber nur, wenn man nirgendwo innehält, um den Blick schweifen zu lassen, die vielen herrlichen Aussichten zu genießen und die Atmosphäre der einzigartigen Botanik auf sich wirken zu lassen – und das wäre echt schade drum.

Ab in die Unterwelt

Rocha do Chambre heißt die Wanderung im Hochland von Terceira, die uns auf einen weiteren Krater führen soll. Es ist leicht bewölkt als wir an der Küste aufbrechen und ziemlich nebelig am Start der Route. Nach den ersten zwei Kilometern auf einer Sandstraße, durch dichtes Buschwerk und über scharfkantige Lavaschotter-Wege wird der Nebel dichter, es beginnt zu regnen. Also: Abbruch, zurück zum Auto.

Aber auf Terceira gibt’s tolle Alternativen, die sowieso auf unserer To-do-Liste stehen. Wir bleiben also auf der Hochebene – und gehen in den Untergrund.

Zuerst in die nahezu waagrechte Höhle Gruta do Natal, durch die vor Tausenden Jahren Lava floss. Es ist dunkel, feucht und stellenweise ziemlich niedrig, daher herrscht Helmpflicht. Die ganz niedrigen Passagen sind allerdings für uns Normalbesucher gesperrt und nur bei speziellen Führungen zugänglich.

Nur ein paar Kilometer weiter wird’s noch spektakulärer, im Algar do Carvão. Das ist der vor gut 2.000 Jahren entstandene Vulkan Pico do Carvão, der nach dem Ausbruch nicht in sich zusammenkrachte – üblicherweise bleibt von einem Vulkan ja nur ein Einsturzkrater zurück, der sich nach oben hin weitet. Nein, dieser Vulkan-Kegel blieb stehen. Leider gibt’s kein Bild von außen, wir hatten extremen Nebel, keine 20 Meter Sicht.

Zwölf Tage Azoren vergingen viel zu schnell – alle geplanten Wanderrouten und Aktivitäten haben wir nicht geschafft. Wohl auch, weil wir uns bald dem langsameren Tempo auf den Atlantikinseln angepasst haben – ich erinnere mich nur allzu gerne ans T-Shirt: „No Stress – Açores!“.

Klar ist: Santa Maria und Graciosa wollen wir auch noch sehen – und Flores und Corvo, die beiden westlichsten Inseln sowieso, bevor sie ganz nach Amerika abgedriftet sind… Dann wieder mit maximal flexibler Planung und Kleidung für alle Fälle, denn: „Auf den Azoren kann man an einem einzigen Tag alle vier Jahreszeiten erleben.“

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