Auf den Spuren der Ybbstalbahn

auto touring radelte 54 Kilometer von Waidhofen an der Ybbs bis Lunz am See auf einer ehemaligen und neben einer bestehenden Bahntrasse.

Dass eine Nebenbahn wie die schmalspurige durchs Ybbstal eingestellt wurde, ist traurig. Aber dass ihre Trasse als Radweg weiterlebt, ist ein Grund zum – Radeln!

auto touring-Leserinnen und Leser wissen: Die Redaktion radelt gern. Und sie hat ein Herz für Strecken auf alten Bahntrassen. Denn die sind nämlich, wenn sie aufgelassen und zu Radwegen umgestaltet werden, nicht zu toppen: Auf Viadukten pedalierend Täler zu überbrücken, in beleuchteten Tunnels Berge zu durchqueren und wunderbare Landschaften abseits des Autoverkehrs zu genießen – das hat was, keine Frage. Deshalb gehören auch die Reportagen über den Alpe-Adria-Radweg, die Thayarunde oder den Radweg von Triest hinauf in den slowenischen Karst zu den beliebtesten Geschichten dieses digitalen Magazins.

Man hat am Ybbstal-Radweg an alles gedacht, was Radlers Herz erfreut. Schuf Parkplätze am Beginn der Strecke und mittendrin, baute Bahnhöfe zu Labestationen und Haltestände zu Unterständen um, in denen sogar die Fahrpläne für den regelmäßig verkehrenden Radtramper-Bus angebracht sind, der einen samt Fahrrad wieder zurück an den Ausgangspunkt bringt: vorbildlich!

Prolog: Waidhofen an der Ybbs

Fotograf und Reporter sind am Rad keine verbissen strampelnden Kilometerfresser, sie ziehen eher entspanntes Genussradeln vor. Und sie wollen sich auch etwas abseits des Radweges umsehen. Deshalb haben Sie ein Quartier in Waidhofen gesucht und gebucht: Die Frühstückspension Haus Hoher Markt, liegt sehr zentral und ruhig in der Fußgängerzone, hat eine Frühstücks-Terrasse mit Blick über die Dächer der Altstadt bis hin zum Sonntagberg und einen eigenen Rad-Abstellraum. Das Auto kann übrigens zu vernachlässigbaren Gebühren (und zwischen 18 und 8 Uhr kostenfrei) am nahen Kinoparkplatz abgestellt werden. 

Zeit für einen Stadtrundgang.                                

Los geht’s!

Die paar Kilometer Weg vom Zentrum Waidhofens bis zum Beginn des neu angelegten Radwegs sind nicht gerade das, was sich Radler von einem neu angelegten Weg erwarten. Besser sei es, mit dem Auto die Stadt auf der B31 zu verlassen und beim Bahnhof Gstadt, dem Endpunkt der Citybahn, die Räder auszupacken und zu starten, sagen Auskenner. Denn speziell an Wochenenden sei der neu angelegte Parkplatz am tatsächlichen Beginn des Radwegs rasch voll.

Zur Erläuterung: Der richtige Parkplatz befindet sich natürlich vor dem Bahnhof. Und der ganz neu errichtete offizielle für die Radweg-Benutzer liegt gleich hinter der Brücke links nach dem nächsten Kreisverkehr.

Gleich zu Beginn der schönste Teil

Die kolportierten Kosten von zehn Millionen Euro für die Errichtung des Ybbstal-Radwegs zeigten rasch Wirkung: Allein in den ersten fünf Monaten nach seiner Eröffnung im Vorjahr wurden 37.000 Nutzer gezählt. Und auch die Betreiber der Hotels und Pensionen sowie die Gastwirte am Streckenrand registrieren regen Zulauf von Radlern.

Kaum zu glauben, dass das so genannte Ofenloch, die wildromantische Schlucht zwischen Gstadt und Opponitz, einmal eine gottverlassene Gegend war, die erst mit der Eröffnung der Ybbstalbahn am 15. Juli 1898 für den Verkehr erschlossen wurde. Die heute die Ybbs begleitende B121 wurde erst viel später (und nach Fels-Sprengungen) gebaut.

Die Strecke windet sich in lang gezogenen Schleifen der Ybbs entlang, oft recht nahe am Fluss, und der Höhenunterschied (man radelt von Waidhofen ja flussaufwärts) ist kaum wahrnehmbar.

Und gleich darauf der Höhepunkt

Viadukte und Brücken wies die Ybbstalbahn – und weist der Ybbstal-Radweg heute – viele auf. Aber auf Tunnels wurde aus Kosten- und Zeitgründen verzichtet – bis auf eine einzige Ausnahme: Kurz nach Opponitz (in Fahrtrichtung nach Lunz) gibt es einen, der gleich hinter einer Brücke beginnt und exakt 87,2 Meter lang ist. Schön für Radler: An heißen Tagen bietet etwas Abkühlung, und im Gegensatz zu früher ist er nun beleuchtet.

Wer noch stärkere Abkühlung sucht, zweigt unmittelbar vor dem Nordportal nach rechts vom Radweg ab und wechselt auf den Abstecher zum wilden (aber höchst offiziellen) Badeplatz. Dort gibt es sogar Hängematten und eine Grillschale .

Weiter an der Ybbs entlang

Der Radweg auf der einstigen Bahntrasse macht seinem Namen alle Ehre: Er folgt weiterhin dem Lauf der Ybbs. Das Ybbstal ist nun längst nicht mehr so eng wie zum Beginn der Strecke, und auch die Straße kommt dem Radweg kaum wirklich nahe. 

Eineinhalb Kilometer hinter dem Tunnelportal befand sich früher der kleine, nach dem Schloss Seeburg am anderen Ybbsufer benannte Haltepunkt. Man hat ihn nach dem Abbau der Strecke stehen gelassen und zu einem Rastplatz für Radler umfunktioniert – samt Hinweisen auf den Radtramper-Shuttlebus, der einem die Rückfahrt mit dem Rad erspart, sauberer Mülltrenn-Anlage und einem Mostbrunnen, der mit den Produkten von sieben Bio-Bauern befüllt wird. 

Mostbrunnen?

Weiter geht die Fahrt nun moderat– also auch in diesem Bereich ohne größere Steigungen – aufwärts, schließlich folgt die hier beschriebene Fahrtrichtung ja der Ybbs flussaufwärts. Es geht durch eine entspannte Landschaft, zuerst noch ein Stück nach Süden und dann nach Westen, vorbei an Hollenstein (Tipp: Konditorei Schwarzlmüller im Ort, gutes Eis), St. Georgen (Tipp: die Gulaschwirtin, die fast jedes Jahr vom Land für das beste Gulasch ausgezeichnet wird) und Kogelsbach (Tipp: Radweg-Stüberl im ehemaligen Bahnhof), bis nach rund 25 Kilometern Göstling erreicht ist.

Eine Runde durch Göstling

Göstling an der Ybbs also. Die Gemeinde an der Eisenstraße ist nicht nur Generationen von Ostösterreichern ein Begriff, die hier zum höchstgelegenen Schigebiet Niederösterreichs abbogen – dem Hochkar. Auch Schifans aus dem ganzen Land haben vielleicht schon von der 2.000-Seelen-Gemeinde gehört, stammen doch Stars dieses Sports wie Olga Pall (vor 50 Jahren war sie Abfahrts-Olympiasiegerin), Thomas Sykora oder Kathrin Zettel von hier.

Grund genug, sich in Göstling umzuschauen. 

Das letzte Drittel des Ybbstal-Radwegs hat begonnen. Er führt nun abwechselnd einmal an der Straße und einmal an der für Nostalgiefahrten genutzten Bahnstrecke mit ihren 750 Millimeter Spurweite, weiterhin ganz leicht bergauf. Nach neun Kilometern ist Lunz am See erreicht. Aber nach drei Viertel dieser letzten Etappe gibt es bei Kasten eine höchst interessante Brücke zu sehen: die Töpperbrücke.

Sie ist nach Andreas Töpper benannt, einem frühen Industriellen, der in seinen Eisenwalzwerken in Scheibbs und Lunz am See bis zu 800 Arbeiter beschäftigte. 1855 ließ er in Kasten bei Lunz am See eine Brücke mit Figuren aus Eisenguss schmücken. Die Figuren stellen die Namenspatronen des Ehepaares Töpper – die Heilige Kaiserin Helena, den Apostel Andreas – sowie den Heiligen Johann Nepomuk und den Heiligen Florian – dar. Zwar stürzte die Brücke bald – 1861 nach einem besonders starken Unwetter – ein, sie wurde aber gleich danach wieder aufgebaut. 

Ziel erreicht: Lunz am See

Die Eisenwurzen-Marktgemeinde liegt nicht wirklich direkt am See, aber der Ybbstal-Radweg führt – durch den Ort und dann am Waldrand – dorthin. Er führt vorbei am alten Bahnhof, von dem heute noch die Nostalgiezüge der Ybbsthalbahn (sic!) nach Kienberg führen, und am Amonhaus, dem um 1600 entstandenen einstigen Sitz einer Hammerherren-Familie.

Nach ein paar Kurven ist der See erreicht.

Der auf über 600 Meter Seehöhe gelegene See ist rund 1.700 Meter lang, bis zu 500 Meter breit und an seiner tiefsten Stelle 34 Meter tief. Er ist der einzige natürliche See Niederösterreichs, hat eine Wasserqualität der Güteklasse 1 und erwärmt sich im Hochsommer auf kaum mehr als 22 Grad.

Wer ihn per Rad ansteuert, ist fein heraus und erspart sich die Parkgebühr, die bis 18 Uhr eingehoben wird. Wer mit dem Radtramper-Bus zurück nach Waidhofen will, sollte noch die kurze Fahrt zum Nostalgiebahnhof einplanen: Dort startet der letzte Bus mit Radanhänger spätestens um 17:40 Uhr (an Samstagen, Sonn- und Feiertagen) an Werktagen (diese werden allerdings nur im Juli und August bedient) sogar um 16:55.

Kleiner Exkurs: der Radweg nach Ybbsitz

Vom Ausgangspunkt des Ybbstalradwegs bei Gstadt führt auch ein weiterer, knapp sieben Kilometer langer Radweg auf und parallel zur Trasse der ehemaligen Nebenbahnlinie nach Ybbsitz, der Kleine Ybbstalradweg, benannt nach der Kleinen Ybbs, die sich bei Gstadt mit der "richtigen" Ybbs vereint.

An der Kleinen Ybbs und vor allem in Ybbsitz wurde schon zu Beginn der Neuzeit das Eisen des nahen Erzbergs verarbeitet, in den ersten Schmieden und Schleifereibetrieben. Schmieden und Ybbsitz – das war und ist eine Erfolgsgeschichte, die sich im Eisen-Erlebnismuseum FeRRUM gut nachvollziehen lässt. Aus einigen Schmieden entwickelten sich sogar große Industriebetriebe, andere wiederum sind nur noch als Relikte an der Schmiedemeile zu besichtigen.

Wer das mit dem Rad tun möchte, sollte jedoch viel Kondition mitbringen: Bis zur Tannhäuser Schmiede geht es entlang des Prollingbachs wirklich steil bergauf. Der Kleine Ybbstalradweg hingegen erfordert kaum Kondition.

Zu guter Letzt noch der Hinweis auf eine der Lieblings-Websites der Radler-Fraktion innerhalb der auto touring-Redaktion: "Bahntrassenradeln" nennt sich eine penibel gestaltete Website, in der sich eine ziemlich vollständige Übersicht über die Radwege auf ehemaligen Bahntrassen in vielen Ländern, ausführliche Wegbeschreibungen und umfassende Fotodokumentationen finden – selbstverständlich auch für die hier beschriebene Route.

Und auch eine offizielle Homepage gibt es für den Ybbstal-Radweg – Pflichtlektüre vor Fahrtantritt.