Frank Williams: Ein Leben für die Leidenschaft

Sein Name steht für Spirit, Speed und eine gesunde Portion Wahnsinn. Jetzt wurde das bewegte Leben des querschnittgelähmten Frank verfilmt. 

Er ist 74, kann nicht gehen, nicht stehen, nicht schwitzen, nicht alleine essen. Er braucht Hilfe von zwei Assistenten, rund um die Uhr, nur um den Alltag zu bewältigen. Aber er kann – und das ziemlich erfolgreich – sein Formel-1-Team führen: im Rollstuhl sitzend, nur scheinbar hilflos. Denn Frank Williams ist nach einem Autounfall 1986 gelähmt, vom Hals abwärts. Seine Passion für den Motorsport ist trotz des stattlichen Alters von 75 Jahren ungebrochen. Der Film "Williams" (Premiere am 11. Juli in London) dokumentiert das außergewöhnliche Leben der Formel-1-Ikone Frank Williams zwischen Familie und den Rennstrecken der Welt. Die Dokumention basiert auf dem Buch von von Franks verstorbener Frau Ginny: "A Different Kind Of Life."

Großes Kino: Die verrückteste Familie der Formel 1



Als ich Frank Williams vor acht Jahren zum ersten Mal traf, deutete er mir, mitzukommen – mit einer fast unmerklichen Kopfbewegung. Mit in sein Eckerl im Williams-Motorhome, von wo er den Eingang, die Monitore, einfach alles, was in und um sein Rennteam vorgeht, überblickt. ”Wir fahren beide die gleichen Reifen!“, waren seine ersten Worte an mich. Mehr gehaucht als gesprochen. Tatsächlich, beide fahren wir Schwalbe. Die Ikone und ich: zwei Rollstuhlfahrer, beide querschnittgelähmt, die sich damals zum Interview trafen. Und seither immer wieder Zeit finden, für einen Plausch am Rande irgend eines Grand Prix.

Und immer dann, wenn sich Francis Owen Garbatt Williams an seinen Werdegang vom fahrenden Händler zum Formel 1-Boss erinnert, ist es da – dieses besondere Funkeln in seinen Augen.

Plausch mit der F1-Ikone Frank Williams

”Yes, Crumpets!“, lacht er; englische Hefeküchlein, Brot, Gemüse und auch Suppen verkauft der geschäftstüchtige junge Frank, Sohn eines Air Force-Offiziers und einer Lehrerin, aus seinem Van. Mittel zum Zweck, denn der Teenager verfolgt einen hochtrabenden Traum – Motorsport: ”I was nuts about racing!“ 1959 kauft Frank Williams einen Austin A35 von einem eitlen, eleganten Broker. Der Motorsound ist laut, also ”lovely“, der Wagen vollgepickt mit Abziehbildern. Als der Austin endlich renntauglich ist, ist Frank pleite. Kann nicht einmal das Spritgeld für die Fahrt zur Rennstrecke aufbringen. Es sollte nicht die letzte Finanzkrise seiner Karriere sein. Egal, er will sowieso lieber Formel-Autos fahren. Er schafft es auch – irgendwie –, bleibt aber erfolglos.

Zu dieser Zeit, als Youngster in den Jugendserien Formel Junior und Formel 3, erblickt er zum ersten Mal seine Idole. Strarrt sie an, verehrt sie wie Götter: Jack Brabham und Jackie Stewart. Niemand ahnt, dass diese Superstars bald schon auf ihn starren würden.

Frank Williams gibt seine Racing-Ambitionen Mitte der 1960er-Jahre auf. Handelt von nun an mit Rennwagen und Ersatzteilen für alle möglichen Motorsport-Serien. ”Egal, ob ein spezielles Getriebe oder irgend ein anderes ausgefallenes Teil, ich konnte alles besorgen.“ Er verdient gutes Geld, kauft damit ein Formel-2-Auto für seinen Freund Piers Courage. Frank Williams erinnert sich: ”In unserer Formel-2-Zeit waren Piers und ich auch bei euch in Österreich in Langenlebarn.“ Dem  legendären Rennen auf dem Flugfeld bei Tulln.

Piers Courage: Freund & Gentleman

Piers Courage ist ein englischer Gentleman wie er im Buche steht: er kommt aus gutem Haus, besucht die besten Schulen, ist lustig, charmant, charismatisch. Und ein Motorsport-Talent, mit dem notwendigen Feingefühl im Hintern und einer Car-Control, wie sie nur Ausnahme-Rennfahrer besitzen. Williams und Courage feiern in der Formel 2 tolle Erfolge. Doch Courage will mehr: ”Sieh dich nach einem Formel-1-Wagen um!“, verlangt er eines Tages von Williams. Der entdeckt bei einem Bergrennen einen Brabham BT26, die identische Spezifikation des Werksautos. Denkt sofort, dass er diesen Renner viel effizienter einsetzen könnte. Er verhandelt. Ein Handschlag. Und 5.000 Pfund wechseln den Besitzer. 






Jack Brabham tobte wie ein Irrer, er war außer sich!






Frank Williams, Formel-1-Teambesitzer


Jack Brabham, dreifacher Weltmeister und Eigner des Brabham-Teams, denkt zu diesem Zeitpunkt, dass Williams den Brabham nicht in der Weltmeisterschaft, sondern in der Tasman Serie einsetzen würde. Doch er täuscht sich: Williams zielt nur auf die Formel 1. Hieft ein Cosworth-Aggregat ins Heck des Monocoques, zieht Dunlops auf – die damals noch den Goodyears der Werksteams überlegen waren – und setzt Piers Courage ins Cockpit. Ein potentes, konkurrenzfähiges Paket. Jack Brabham weiß das. Williams lacht breit, wenn er an ”Black Jacks“ bleiches Gesicht denkt, als sie das Auto 1969 zum ersten Mal an die Strecke bringen. ”Jack tobte wie ein Irrer, er war außer sich.“ 

Zu Recht. Denn von zehn Starts fährt Courage zweimal aufs Podium, wird zweimal Zweiter, in Monaco und Watkins Glen. Fünfte Plätze in England und Italien runden diese erfolgreiche Saison ab. Piers Courage wird in der Weltmeisterschaft Gesamt-Fünfter.

1970 ist das Jahr des Jochen Rindt – im Lotus. Er fällt aus oder siegt. Williams und Courage, nun im De Tomaso, sind nicht mehr konkurrenzfähig. Nach einem Unfall im fünften Saisonrennen in Zandvoort stirbt Piers Courage, verbrennt hilflos im Wrack, während Jochen Rindt seinen dritten von insgesamt fünf Saisonsiegen einfährt. Frank Williams verliert an diesem 21. Juni seinen einzigen echten Freund. Beim Begräbnis haben alle Fahrer – auch der eisenharte Jack Brabham – Tränen in den Augen. Aber des Blutzolls nicht genug: Auch Jochen Rindt wird diese Saison nicht überleben, stirbt an einer Leitplanke in der Parabolica im Autodrom von Monza – und wird posthum Weltmeister.

Der Neustart: Williams 2.0

Frank Williams hört auf zu sprechen. Ein flüchtiger Blick zu seinem Helfer, dem Kärntner Pflege-Assistenten Michi Waldher. Der bringt einen Trinkbecher mit Strohalm, führt ihn an Williams Mund. Selbst danach greifen, den Becher halten, kann der 74-jährige nicht.

"Die Verbesserung der Sicherheits-Standards sind die größte Errungenschaft der Formel 1“, fährt Frank Williams fort. ”Bis in die 1970er-Jahre starben jedes Jahr zwei bis drei Rennfahrer. Bis Jackie Stewart und andere Fahrer sich weigerten, irgendwo zu fahren, wo es keine Leitplanken gab.“ Aber erst nach Niki Laudas Feuerunfall 1976 auf der Nordschleife des Nürburgrings kommt es zum völligen Umdenken: ”Die Ingenieure entwickeln jedes Jahr schnellere Autos, die aber auch höheren Fliehkräften und Crash-Verzögerungen standhalten.“ Die tödlichen Unfälle in der Formel 1 gehen drastisch zurück. Der für lange Zeit letzte Tote (bis zum Tod von Jules Bianchi 2016) ist Ayrton Senna 1994 in Imola. Dass der charismatische Brasilianer in einem Williams stirbt, hat auch den hartgesottenen Frank Williams tief getroffen. Besonders aber Adrian Newey, den Konstrukteur des Todesautos FW16, heute Aerodynamik-Superhirn von Red Bull. Er leidet unter Schuldgefühlen, dem Stress der Anklage und Depressionen. Newey verliert damals all seine Haare.

Williams: Titel & Typen

In den 1970ern ist Frank Williams im Formel-1-Business etabliert. Verächtlicher Spott, wie ”Wanker Williams“, verstummt. 1976 kauft der Austro-kanadische Öl-Magnat Walter Wolf Anteile am Williams-Rennstall, doch diese Partnerschaft funktioniert nicht, sie zerbricht. Frank Williams springt ab, gründet mit Chefingenieur Patrick Head ein neues Team: Williams Grand Prix Engineering. Der Firmensitz ist anfangs noch in Didcot, heute ist er samt Fabrik und Museum in Grove, Oxfordshire. Ein konkurrenzfähiges Formel-1-Team braucht aber an allen Positionen die richtigen Leute, auch Piloten, die ein Auto Rennen für Rennen, weiter entwickeln, somit schneller machen konnten. Frank Williams sagt über diese Zeit: ”Ich hatte von all diesen personellen Dingen keine Ahnung.“ 

1977 schaffte es das junge Team noch nicht, ein eigenes Chassis zu fertigen, daher fuhr Patrick Neve (später Chevrolet-Teamchef in der WTCC) in einem March-Kundenauto.






Alan Jones war ein Macho. Er liebte die Frauen und die Frauen liebten ihn.






Frank Williams, Formel-1-Teambesitzer


Doch bereits ab 1978, mit dem finanzkräftigen Sponsor Fly Saudia im Rücken, gelingt Patrick Head, mit dem brandneuen FW06 ein Schritt nach vorn. Williams kämpft erstmals um den Konstrukteurs-Titel. Einer der neuen Fahrer ist Australier – Alan Jones. Frank Williams gerät ins Schwärmen: ”Er war brilliant. Auf der Strecke hatte er vor niemanden Angst, auch nicht vor großen Namen.“ Er war ein ”Mens Man“, ein Macho, der die Frauen liebte und die Frauen liebten ihn. Jones schmeißt Lokalrunden und lässt bei so mancher Barschlägerei die Fäuste fliegen. Williams lacht: ”Was immer er tat, er tat es mit Herz und Hingabe.“ 

1979 dann die Sternstunde: Clay Regazzoni feiert in Silverstone den ersten Sieg und Frank Williams ist überglücklich, ist angekommen – endlich: ”Unser Auto war fantastisch, wir haben nicht nur gewonnen, wir haben die Konkurrenz vernichtet.“ Alan Jones setzt 1980 den Erfolgen die Krone auf: Gewinnt den ersten WM-Titel. Von nun an ist Williams ein Siegerteam, die weltbesten Piloten werden in den nächsten zwei Jahrzehnten acht weitere Konstrukteurs- und sechs Fahrertitel einfahren: bereits 1982 holt Keke Rosberg Titel Nummer zwei.

Die Rückkehr nach dem Unfall

1986 schlägt das Schicksal zu. Frank Williams rast in einem Ford Sierra von Testfahrten in Le Castellet zurück zum Flughafen, will am nächsten Tag in London einen Halbmarathon laufen. Er kommt von der Fahrbahn ab, überschlägt sich. Spürt sofort, dass er schwer verletzt ist, weiß bereits in diesem Moment, dass er niemals wieder laufen wird.  

Frank Williams bleibt querschnittgelähmt, vom Hals abwärts. Er spricht nicht gerne über diese Zeit, nur soviel: ”Ich wusste, dass ich bei meiner riskanten Fahrweise irgendwann einen Unfall haben würde.“ Ehefrau Ginny versucht inzwischen den Kindern ein Zuhause und ein gewisses Maß an Normalität zu geben. Aber nach neun Wochen in einem französischen Krankenhaus und monatelanger Rehabilitation, plant Frank Williams wieder. Wie er wieder zurückkehren kann, zurück zu seinem Team, zurück in die Formel 1.

Die Erfolgsserie ist prolongiert: Nelson Piquet wird 1987 Weltmeister, Nigel Mansell 1992, ob seiner Aggressivität der erklärte Lieblingsfahrer von Frank Williams und schließlich 1993 Alain Prost, der Professor der Formel 1. ”Alain war emotionslos, führ immer nur so schnell wie es für einen Sieg oder einen Podiumsplatz notwendig war.“ 

Die letzten beiden Titel liegen nun schon zwei Jahrzehnte zurück, gehen auf das Konto von Damon Hill 1996 und Jacques Villeneuve 1997. Seither hat das Team, den Anschluß an zur Spitze verloren, auch nicht wieder gefunden. Bis auf wenige Highlights, wie den Sieg von Pastor Maldonado 2012 in Barcelona. Aber Frank Williams denkt positiv: ”Nur wer das beste Auto baut, den stärksten Motor im Heck und den besten Fahrer im Cockpit hat, kann Weltmeister werden. Wir wollen und werden eines Tages wieder dahin kommen.“ 

Was Frank liebt, was er hasst, wen er mag

Die Queen hat Frank Williams für sein Lebenswerk irgendwann zum Ritter geschlagen, sitzend, während andere Knights knien mussten. Aber was bedeuten schon Ehrungen? Es gibt zwar Gedanken ans Aufhören, aber Frank tut es nicht. Tochter Claire, mittlerweile seine Stellvertreterin, weiß, dass die Fabrik und die Formel 1 sein Leben sind. Daher hält der Alte die Zügel immer noch fest in der Hand – warum, will ich wissen? ”Okay, ich weiß, ich sollte irgendwann das Ruder abgeben, sollte der Jugend nicht im Weg stehen. Aber wo soll ich hingehen? Ich habe ein fantastisches, aufregendes Leben, wie es nicht vielen Menschen vergönnt ist.“ Und dann zitiert er grinsend aus seinem Lieblingsfilm, aus Top-Gun: ”I still feel the need … the need for speed!“