So wurde ich nicht Formel-1-Pilot

Vorbereitung auf den Österreich-Grand-Prix: zuerst im F1-Simulator, danach im echten Monoposto. Eine Story voller Dreher, Schweiß, falschem Champagner und einem gerüttelt Maß Ehrfurcht. Plus: Gewinnspiel zum Selbst-Erleben!

Gaal, Steiermark, ums Eck vom Red-Bull-Ring, frühmorgens: Der Ort, wo sich aufstrebende Jung-Racer unter der Ägide von Motorsport-Legende Walter Penker an seiner harten Kritik abarbeiten, ist gar nicht so einfach zu finden. Im unscheinbaren Hinterhof des hiesigen VW-Käfer-Museums steht aber jener Formel-1-Simulator, an dem einschlägige Jung-Talente schwitzen, um sich schleifen zu lassen. Für die großen Gespräche mit den großen Teams. Wer schleift? Walter Penker. Der Mann war selbst Rennfahrer, später dann erfolgreicher Teamchef in verschiedenen Monoposto-Formeln. Und heute bin ich dran, um mir von ihm gehörig die Leviten lesen zu lassen…

Zur Person: Walter Penker

Walter Penker ist nur auf den allerersten Blick ein "Ungustl", wie man in Wien sagen würde. Der gebürtige Kärntner (ausgerechnet aus einem Örtchen im Mölltal namens Penk) spricht gern laut und viel, lässt einen erst dann zu Wort kommen, wenn er atmen muss. Allerdings: Nach dem ersten Beschnuppern würde ihn, den Großneffen des berühmten Bergsteigers Heinrich Harrer (richtig, der aus dem Film "Sieben Jahre in Tibet"), wohl jeder als das bezeichnen, was er tatsächlich ist – nämlich ein "Mögada" (für unsere bundesdeutschen Leser: "einer, den man mag"). 

Klar, die Begrüßung ist herzlich trocken (mit Betonung auf herzlich), und eine gemeinsame Nervositäts-Zigarette lässt er sich beim Besuch des auto touring ("Ich bin seit 33 Jahren ÖAMTC-Mitglied") auch nicht ausreden, bevor es in medias res geht. Immerhin ist dieser Mann in einer Zeit mit dem Motorsport sozialisiert worden, als derlei ungesunde Angewohnheiten noch nicht zu Facebook-Shitstorms führten, sondern als Begleiterscheinung von Weltmeistern wie James Hunt zum Usus zählten.

Wir spüren: Das ist einer, der weiß, was er will und vor allem: was er lehren kann. Denn Penker war und ist nicht nur im Auto schnell, sondern auch außerhalb: Sein größter Erfolg als Teamchef war 1993 der Gesamtsieg des Formel Opel Nations Cup (einer inoffiziellen Nationen-WM) in Estoril – einem Rennen, das damals Jos Verstappen (der Vater des heutigen F1-Überfliegers Max) gewann und bei dem auch Alexander Wurz teilnahm.

Irgendwann ist Walter draufgekommen, dass den Youngsters heutzutage die Möglichkeit zum Training fehlt – aufgrund immer restriktiverer Testfahrten auf den Strecken dieser Welt. "Heute hast du nur noch wenige Test-Tage, als Rennfahrer musst du aber trotzdem regelmäßig an dir arbeiten“, meint er. Und hat daraufhin in Eigenregie einen ziemlich lässigen Simulator in dem eingangs erwähnten Hinterhof aufgebaut. Mit PlayStation-Spielerei hat der allerdings nix zu tun: "Zu mir kommen zwar auch die Computerfreaks. Die sind dann aber bald einmal um die fünf Sekunden von brauchbaren Zeiten entfernt – und dann stagnieren sie, weil erst dann fängt das richtige Autofahren an.“ In den letzten Jahren haben in seinem Simulator Piloten aus 36 Nationen trainiert, darunter vier Formel-1-Fahrer, die letzten beiden DTM-Meister und blaublütige PS-Cracks wie Ferdinand Habsburg oder Albert von Thurn und Taxis.

Apropos Blut: Meines ist jetzt schon in Wallung, ich will fahren. Zeit für mich also, mich nun einweisen zu lassen, denn heute bin ich Walters hoffentlich neu zu entdeckendes Talent…

Zuerst im Simulator…

Harte Schule Telemetrie

Es ist völlig unerheblich, wie flott man die eigenen letzten Runden subjektiv wahrgenommen hat: Die Telemetrie, also die Daten, die das Auto an die Box sendet, lügt nie. Mitunter ein ernüchterndes Erlebnis…

Okay, jetzt zählt’s, ich muss performen, abliefern, zeigen.

 Christoph Löger, Redakteur

Nur eine Chance!

Okay, jetzt zählt’s, ich muss performen, abliefern, zeigen. Aufzeichnung des Gedankenprotokolls: "In der Castrol kann ich weiter auf die Außen-Curbs, die Remus geht ausgangs im Einser hochtourig besser als im untertourigen Zweier, die Schlossgold muss ich früher anbremsen, um die Linie für die Rauch-Würth-Kombi sauber hinzubekommen, in der Würth dann im Dreier viel früher aufs Gas, auch wenn ihr Ausgang blind ist, die Rindt dann im Vierer mit Kiesbett-Risiko meiner zwei linken Räder, dann im Eck von der Red-Bull-Mobile heftig rechts über die Innen-Curbs, um Schwung für Start-Ziel mitzunehmen."

"Super Runde!" #1

Mein analytisches Nachdenken über die eigene Performance zeigt Auswirkungen. Für einen (Simulator-)Rookie brenne ich eine Runde in den virtuellen Asphalt, die dem notorisch kritischen Walter Penker ehrliches Lob entlockt (s. Ausruf ganz am Ende des Videos). Während ich die Runde fahre, spüre ich schon nach Kurve 3, dass sie gut wird, ärgere mich aber über diesen Gedanken, weil er mich Zeit kostet.<br />
Dennoch: In diesem Umlauf setze ich alle zuvor besprochenen Telemetrie-Kritikpunkte in eine bessere Zeit um. Mit dem Resultat, dass ich am Ende nur rund 3 Sekunden über dem Rundenrekord bleibe. Der von einem Profi-Rennfahrer gefahren wurde. Für mich einer dieser Momente, in denen Eigenlob nicht stinkt, sondern duftet wie das Duschgel in einem teuren Hotel.


"Super Runde!" #2

Gleiche On-board-Perspektive, gleiche "Hot lap": ein unterwürfiger Moment, wenn ich zusehe, wie der beste Formel-1-Fahrer aller Zeiten, Michael Schumacher, die (damals noch A1-Ring benamste) wunderbare Strecke in der Steiermark im Vergleich zu mir behandelt. Da wird – obwohl beim Formel-Fahren nicht erwünscht – der Powerdrift über alle Viere gepflegt, das Gras gepflügt, um im Endeffekt nur eins zu erreichen: eine Rundenzeit, der nur die Physik Grenzen setzt…


#KEEPFIGHTINGMICHAEL

Genug simuliert!

Ich will das virtuell Gelernte nun in die Praxis umsetzen und fahre die paar Kilometer von Walter Penkers Hauptquartier rüber zum Red Bull Ring. Dort wartet ein Formel Renault 2.0 auf mich.

"Warum kein Formel 1?",&nbsp;fragen Sie sich jetzt natürlich.&nbsp;Das ist schnell erklärt. Niemand, der halbwegs bei Sinnen ist, wäre hierzulande so verrückt, einen Laien –&nbsp;selbst wenn es sich um einen professionellen&nbsp;Motorjournalisten des ÖAMTC handelt –&nbsp;in so eine Kanonenkugel zu setzen. Deshalb: der schwächere kleine Bruder des Königsklassen-Geräts, der aber erstens alle Blödheiten des F1 enthält, wie ich gleich noch lernen werde, und zweitens schwieriger zu fahren ist. Im Formel Renault gibt’s nämlich kein neumodernes "Anti-Stall", das das Absterben des Motors verhindert, und auch keine Schalt-Paddles hinterm Lenkrad. Womit man zu tun hat, ist vielmehr ein gutes, altes sequentielles Getriebe, das mittels Schaltstock und brutaler Kraft sortiert werden will, verbunden mit einer Fuß-Kupplung, deren Wirkungsbereich exakt zwei Zentimeter ausmacht…&nbsp;

Formel Renault 2.0

210 PS, 505 Kilo, kurzes sequentielles 7-Gang-Getriebe, Carbon-Monocoque, 0 auf 100 km/h in einem verlängertem Augenzwinkern. Plus alle Zutaten, die jedes professionelle FIA-Formel-Auto hat. Beflügelt von meiner Simulator-Runde nähere ich mich an…&nbsp;

… und jetzt am Ring

Plädoyer für die Formel 1

Sowohl im Simulator als auch danach im Formel Renault hatte ich persönliche Glücks-Erlebnisse. Fein gefahrene Ideal-Linien, gute Schaltpunkte, subjektiv extrem späte Bremspunkte. Alles in allem bin ich sowohl virtuell als auch in der Realität Runden gefahren, von denen ich dereinst meinem noch kleinen Sohn erzählen werde. Ich bin stolz darauf, das echte Rennauto beim ersten Anfahren nicht abgewürgt zu haben, obwohl das offenbar 99% aller Rookies passiert. Ich bin stolz darauf, eine wirklich gute Simulator-Zeit geschafft zu haben. Aber: Ich war am Limit meines Machbaren. Und dieses Limit ist so unglaublich weit weg von all dem, was einen professionellen Oberliga-Motorsportler heute ausmacht. Ich war nicht täglich stundenlang im Gym, um meine Nackenmuskeln zu trainieren. Ich war nicht im Casino in Monaco, wo mich ein Paparazzi abgelichtet hat, während ich ein Bier in der Hand hatte und die beruflichen Folgen tragen musste, die so ein kleiner Faux-pas für F1-Fahrer mit sich bringt. Ich war allein auf der Strecke unterwegs und nicht mit einer Handvoll anderer ähnlich gesinnter Verrückter, die jeden zweiten Sonntag gleichzeitig auf eine Kurve zufahren. Ich hab aber was gelernt: So sehr ich als jahrzehntelanger Fan die aktuelle Formel 1 mittlerweile kritisiere – am Können der Fahrer hat sich nie etwas geändert. Ich schwör's auf den Vettel-Finger! :-)