Raimund unter Strom

Rallye-Koryphäe Raimund Baumschlager düst ab sofort rein elektrisch über Stock und Stein – im Škoda Kreisel RE-X1. Wir durften das irre Gerät unter Anleitung des Rekordmeisters noch vor den ersten Renneinsätzen fahren.

Die größte Umgewöhnung für ihn seien vor allem die verschobenen Bremspunkte und die fehlende Kupplung, sagt Raimund Baumschlager ruhig übers Bordmikro zu mir, als wir an diesem Nachmittag im Powerdrift durch eine langgezogene High-Speed-Kurve des PS Racing Centers Greinbach in der Steiermark rutschen. 

Ich antworte mit einem gepressten "auf jeden Fall", weil mir nichts Besseres einfällt, während wir – meiner Einschätzung nach – soeben einen dieser Bremspunkte um gefühlt 50 Meter verpasst haben und ich interessiert Insekten beobachte, die zahlreich an meiner Seitenscheibe zerplatzen.

Erstkontakt

Ich sitze akkurat festgeschnallt neben dem 14-fachen Rallye-Staatsmeister und gleich vorweg: Nein, Raimund hat den Bremspunkt natürlich nicht verpasst. Er macht mit mir bloß eine Ausnahme und fährt – höchst unüblich bei "zivilen" Beifahrern, aber auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin – "auf hundert Prozent".

Und ja, das fühlt sich heftig an: Ich werde es später daran bemerken, dass meine untrainierten Bauchmuskeln nach dem Aussteigen ständig von selbst kontrahieren.

Kurzer Einwurf: Während Raimund deswegen über mich lacht, der fast 20 Jahre jünger, aber körperlich nicht einmal halb so fit ist wie er, denke ich mir, dass ich mich dafür vielleicht revanchieren könnte.

Zum Beispiel gleich an dieser Stelle mit dem folgenden ORF-TV-Beitrag aus dem Jahr 1990, in dem sowohl seine fahrerische Klasse, aber auch die spannende Haartracht der Neunziger eindrucksvoll festgehalten wurden…

(Beachten Sie dabei bitte zweierlei: Erstens die für heutige Ohren ungewohnt angenehme Stimme des Sprechers aus dem Off und zweitens die Tatsache, dass TV-Beiträge zum Thema Rallye im heimischen Sportfernsehen damals tatsächlich 16 Minuten dauern durften.)

Fernsehen zum gern sehen: "Mundl" 1990…


… und heute, 31 Jahre später, auf ÖAMTC TV

Zurück ins Auto

Das Fahrzeug, mit dem wir heute unterwegs sind – Sie haben's im Video oben schon gesehen –, ist ein Novum: Der Škoda Kreisel RE-X1 ist nämlich das weltweit erste vollelektrische Rallye­auto samt erforderlicher Straßenzulassung und entstammt im Großen und Ganzen einer Kooperation zwischen Škoda (die Technik-Basis liefert das Serienmodell Fabia), dem oberösterreichischen Elektro-Spezialisten Kreisel und Baumschlagers eigener Firma BRR.

Was "Mundl" damit (zuerst) in der Rallye-ÖM vorhat?

"Podiumsplätze sind die ersten Ziele, wir wollen aber freilich auch gewinnen. Das Auto haben wir ja schließlich nicht entwickelt, damit wir irgendwo um Platz 10 oder so mitfahren."

Eines ist klar: Wir haben dieses Auto sicher nicht entwickelt, um damit irgendwo im Mittelfeld mitzufahren. Wir wollen freilich gewinnen.

Raimund Baumschlager, Rallye-Rekordmeister

Die E-Auto-typische Schwierigkeit: das Gewicht. Rund 170 Kilo mehr im Vergleich zur Konkurrenz müssen wegen des schweren Akkus mitgeführt werden.

Im Gegenzug ist der RE-X1 aber im Einsatz "relaxter" zu fahren (O-Ton Baumschlager): "Im Verbrenner kommst echt ins Schwitzen, in dem Ding hier wird maximal mein Rücken feucht."

Aber sehen wir uns die Technik des Fahrzeugs doch genauer an…

Die Eckdaten: Škoda Kreisel RE-X1

5, 4, 3, 2…

auto touring fährt…

Raimund und ich tauschen Plätze. Ich bin jetzt dran und beginne mit einer behutsamen Aufwärmrunde – sowohl für mich als auch die Reifen.

Es reicht schon das Einlenken in die erste Kurve, um zu spüren, wie unfassbar exakt dieses Ding ist: Lenkrad einen Zentimeter drehen und der Kreisel-Škoda fährt zentimetergenau dorthin, wo ich ihn haben möchte.

Nach der fünften Runde, die Reifen sind jetzt wieder warm und ich ein wenig forscher, gebe ich Vollstrom: Instanter Hirnschmerz ist die Folge der irren Beschleunigung…

Selbsterfahrung

Fazit

Knapper formuliert kann ein Schluss-Satz eigentlich nicht ausfallen – dennoch fällt mir zum Ende dieser Story nicht viel mehr ein als: Raimund und ich haben an diesem gemeinsamen langen Nachmittag noch oft die Schalensitze gewechselt.

Und was ich dabei gelernt habe: Es gibt viele gute Gründe, warum ich mein Leben mit Schreiben bestreite – und er mit seiner zur Spitze getriebenen Kunst des Autofahrens.

Eine Lektion in angewandter Demut.