Der Lausbub aus Bologna
Andrea Kimi Antonelli dominierte fast jede Nachwuchsklasse und viele sagen ihm eine ähnliche Zukunft wie die Multi-Weltmeister Max Verstappen oder Lewis Hamilton nach: Wie tickt der 19-Jährige Italiener, der für das Formel-1-Team von Mercedes fährt? auto touring hat ihn beim Großen Preis von Österreich 2025 getroffen.
Keine Chance, man möchte den Druck auf ihn so gering wie möglich halten. Als auto touring das erste Mal mit Andrea Kimi Antonelli sprechen will, herrscht gerade richtig viel Interesse an dem Italiener. Es ist Juni 2024, der Große Preis von Österreich steht bevor und im Mercedes-Formel-1-Team wird um die Frage gerungen, wer in der kommenden Saison Lewis Hamilton ersetzen soll, der zu Ferrari wechseln wird. Schon damals geistert immer wieder ein Name durch die Medien: Andrea Kimi Antonelli.
Kimi Antonelli: Sein Weg in die Formel 1
Der Italiener wird am 25. August 2006 in Bologna geboren. Motorsport ist ihm in die Wiege gelegt. Vater Marco fuhr Rennen und besitzt einen Rennstall. Es dauerte also nicht lange, bis der kleine Kimi das erste Mal im Kart sitzt. Mercedes-Formel-1-Teamchef Toto Wolff und Gwen Lagrue, der das Nachwuchsprogramm leitet, erkennen Kimis Talent früh: Im April 2019 nahmen sie den damals 12-jährigen Italiener ins Junioren-Programm von Mercedes auf. Was danach folgt – ob im Kart oder später in den Formel-4-Klassen – beschreibt Wolff mit dem Wort "Dominanz".
Crash im ersten Outing
Das erste Mal an einer offiziellen Formel-1-Session nimmt Kimi im Zuge des Großen Preises von Italien 2024 teil. Im ersten freien Training fährt er den Mercedes seines späteren Teamkollegen George Russell. Die Erwartungen sind hoch und dass Antonelli aus dem motorsportverrückten Italien stammt, erhöht den Druck: "Nicht nur die Medien blicken auf ihn, sondern ein ganzes Land", sagt Toto Wolff. Kimi Antonelli erfüllt die Erwartungen, ist schnell, verdammt schnell – aber nur zehn Minuten lang. Dann, in der legendären Parabolica, der letzten Kurve des Autodromo Nazionale di Monza, bricht ihm das Heck des Formel-1-Wagens weg. Er crasht gegen die Bande, die Kraft, die beim Einschlag auf den damals gerade 18 Jahre alt gewordenen Burschen wirkt, beträgt heftige 52 g. "Kimi, all good. All good, Kimi", lässt ihn Toto Wolff nachdem klar war, dass Kimi okay ist, via Teamradio wissen. Die Sänfte in seiner Stimme ist sinnbildlich für den Umgang, den Wolff mit Kimi pflegt: "Wir wollen so gut es geht Druck aus der Situation nehmen."
Ein Auftritt wie Elvis Presley
Allein: So wie 2024, als Kimi Formel 2 fährt, funktioniert das nun nicht mehr. Kimi ist jetzt in der Königsklasse – und zwar bei einem Top-Team. Großer Rummel inklusive. Aus einer Interview-Anfrage und -Absage 2024 folgte eine Zusage 2025. Fast exklusiv: Nur Kimi, auto touring – und zig andere Medien, die sich um ihn tummelten.
Aber Kimi bleibt cool, lacht entwaffnend, beantwortet alle Fragen (diese lesen Sie weiter unten), vorbildlich und manchmal auch mit Augenzwinkern: "Er ist ein Spitzbub, hat einen riesen Schmäh und ein total natürliches Charisma," sagt auch Toto Wolff. "Wir hatten ein ,Townhall Meeting' bei Adidas. Da waren 1.000 Mitarbeiter:innen in einer Präsentationshalle. Kimi ist dort aufgetreten wie Elvis Presley. Als er das erste Mal ,Hi everyone' gesagt hat, war klar: Der Raum gehört jetzt ihm," so der Teamchef weiter. Doch Lausbub sein reicht nicht und die Saison ist bis jetzt durchwachsen: Neben einem starken Debüt in Australien und seinem ersten Podium beim Großen Preis von Kanada gab es auch viele Ausfälle. Der Druck wächst.
Kimi Antonelli im Gespräch
Kimi, wie fühlst du dich in der Rolle einer öffentlichen Figur?
"Das ist nun mal Teil des Sports. Je besser man performt, desto größer wird die öffentliche Aufmerksamkeit. Man muss das annehmen und schätzen: In Kanada riefen die Fans meinen Namen, als ich aus dem Auto gestiegen bin. Ich hatte Gänsehaut."
Du hast den Sitz von Lewis Hamilton geerbt. War es einschüchternd, in die Schuhe eines siebenfachen Weltmeisters zu treten?
"Nein, das würde ich nicht sagen. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich jemanden ‚ersetze‘. Lewis ist eine Ikone des Sports und es wäre nicht fair, mich mit ihm zu vergleichen. Ich sehe mich einfach als einen weiteren Fahrer bei Mercedes. Allerdings gibt es natürlich Erwartungen, wenn man für so ein Top-Team fährt – auch, wenn mir bei meinem Einstieg so wenig Druck wie möglich gemacht wurde."
Wie geht’s dir nach der Schule?
"Es ist gut, dass ich diese Reise endlich abgeschlossen habe. Sie war nicht so einfach, besonders das letzte Jahr mit dem Einstieg in die Formel 1. Es war schwierig, die Balance zwischen Schule und Rennfahren zu finden. Jetzt kann ich den vollen Fokus auf die Formel 1 legen."
Wie würdest du deine Beziehung zu Toto Wolff beschreiben?
"Ich kenne ihn seit 2018. Er war es, der mich in das Mercedes-Nachwuchsprogramm brachte. Toto ist ein großer Unterstützer, ist immer für mich da, besonders in den schwierigen Momenten. Auch wenn er manchmal etwas harsch sein kann. Aber klar, er ist competitive und will das Beste für mich und das Team. Für ihn zählt nur der Sieg und so sollte das auch sein. Auch mich treibt es an, gewinnen zu wollen. Natürlich: Ein Podium ist nett, aber was du wirklich willst, ist zu gewinnen und der Beste zu sein. Wir verstehen uns aber auch abseits des Tracks gut: Letztes Jahr war ich mit ihm in Kitzbühel und wir sind zusammen auf einer vereisten Strecke Auto gefahren. Das hat sehr viel Spaß gemacht."
Wart ihr auch Skifahren?
"Nein, ich darf nicht, das steht so in meinem Vertrag. Aber ich war seit Ewigkeiten nicht mehr Skifahren und würde ich mich wohl umbringen (lacht). Es ist also besser, dass sie mich davon abhalten."
Du hast seit kurzem deinen Führerschein – welches Auto fährst du?
"Ich habe einen AMG GT 63 – Mercedes war sehr gut zu mir (lacht)."
Was sind die Unterschiede zwischen dem Fahren auf der Straße und Rennfahren?
"Es ist etwas ganz anderes. Du realisierst erst, wie sehr viel sicherer eine Rennstrecke ist und wie vorsichtig man auf der Straße sein muss. Es gibt einfach mehr Faktoren, die man berücksichtigen muss: Ampeln, Fußgänger, andere Autos. Wenn du mit deinem Auto wirklich Spaß haben möchtest, bring es auf die Rennstrecke und nicht die Straße."
Also noch keine Strafe bekommen?
"Nur eine, ich war ein wenig im Stress (lacht). Aber abgesehen davon fahre ich immer vorsichtig. Auch, weil die Strafen nachhause kommen und ich mich dann meiner Mama stellen muss – sie ist der final boss."
Wie würdest du deinen ersten Sieg feiern?
"Ich bin nicht der große Party-Tiger. Was sicherlich damit zu tun hat, dass ich seit dem Kart-Fahren in einer sehr professionellen Umgebung mit älteren Menschen arbeite und nie das normale Leben eines jungen Typen hatte. Aber klar: Wenn der erste Sieg da ist, werde ich schon eine Party organisieren. Nur würde ich nicht zu sehr Gas geben. Stell dir vor, wir sind in der Mitte eines ‚Triple Headers‘: Ich kann ja am nächsten Renn-Wochenende keinen Hangover haben."