Interview: Ilka Minor

Sie gibt den Männern die Richtung vor: Rallye-Copilotin Ilka Minor im Talk.

Das erste Anbremsen kommt unerwartet. Wie bei einem Säugling, dessen Nackenmuskulatur noch schwach ist, klappt mein Kopf nach vorne. Für mich unvorstellbar, wie ich hier, am Beifahrersitz eines Skoda Fabia RS Rally2, noch den Schrieb lesen soll.

Für Ilka Minor: business as usual.

Die gebürtige Kärntnerin, mit dem auto touring zuletzt für die Geschichte "Formel Super Frau" im Gespräch, zählt zu den erfolgreichsten Rallye-Copilotinnen der Welt. 2005 stand sie mit Manfred Stohl neben Sébastien Loeb in Zypern auf dem Stockerl. 2010 wurde sie zum "Beifahrer des Jahres" gewählt.

auto touring hat mit ihr über ihren Job gesprochen.

— Wenn du eine Stellenbeschreibung ins Netz stellen müsstest: Wie würdest du die Aufgabenbereiche deines Jobs beschreiben?

ilka minor: Puuh. Logistikbetreuung vom Fahrer. Termine im Blick haben. Hotels, Leihautos und Flüge buchen, administrative Abnahmen, Und: mentaler Ansprechpartner sein, wenn mal eine Rallye nicht so läuft. Zusammengefasst: Mutter für alles.

— Und was sind die Anforderungen? Was muss ein Co-Pilot, ein Co-Pilotin können?

ilka minor: Sie muss sich auf den jeweiligen Fahrer einstellen können. Sie muss sich in den Regularien auskennen. Sie muss sich auf die Rallye vorbereiten, sodass man nichts verpasst. Sie muss Zeiten rechnen können – damit man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Und natürlich einen Schrieb schreiben und lesen können.

— Wie schaffst du es, dass dir auf einer Sonderprüfung nicht schlecht wird?

ilka minor: Als Kind ist mir beim Mitfahren im Auto immer schlecht geworden. Irgendwann einmal ist das dann antrainiert, dann wird einem nicht mehr schlecht. Und in einem Rallye-Auto wirst du ja nicht so sehr hin und her geschleudert. Da bist du eng angegurtet und eingeklemmt im Sitz.

Wie schaffst du es, dass dir nicht schlecht wird (zum Beispiel, wenn du, wie am Foto, mit Lukas Dunner durch die Luft fliegst)?

— Wie bist du Beifahrerin geworden?

ilka minor: Ich hatte überhaupt keinen Kontakt zum Motorsport – bis zu meinem ersten Freund. Der fing an, Rallyes zu fahren. Zwei fuhr er mit einem Beifahrer, der schon Erfahrung hatte, aber dann aufgehört hat. Wir haben einen neuen gesucht, aber niemanden für die Saison gefunden. Dann hat er mich gefragt: "Najo, willst nicht du vielleicht für die erste Rallye einspringen?" Und ich hab' mir gedacht: "Okay, probier ma's mal." Im April 1994 war das.

— War's dann Liebe auf den ersten Blick? Also: das Rallyefahren?

ilka minor: (lacht) So genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich glaube, ich habe dann einfach weitergemacht, weil wir niemanden gefunden haben. Irgendwann kommt der Moment, wo du sagst: "Okay, das macht mir echt Spaß. Ich will das weitermachen."

— Die größte Challenge als Copilotin?

ilka minor: Immer zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Keine Strafen kassieren und keine Fehler machen beim Schrieb lesen.

Dieses Zusammenspiel von Fahrer und Beifahrer, die Technik, das Team, neue Leute kennenlernen – die Summe aus alldem macht mir irrsinnig Spaß.

Ilka Minor, Rallye-Co-Pilotin

— Du hast dich schon zwei Mal im Auto verletzt: Warum machst du immer weiter?

ilka minor: Dieses Zusammenspiel von Fahrer und Beifahrer, die Technik, das Team, neue Leute kennenlernen – die Summe aus alldem macht mir irrsinnig Spaß.

— Apropos Technik: Vor einiger Zeit fuhr ich bei Mikkelsen im neuen Fabia RS Rally2 mit. Macht so eine Weiterentwicklung einen großen Unterschied? Ohne eigene Rennsporterfahrungen ist das natürlich schwer zu bewerten.

ilka minor: Doch, doch, in der Technik wird ja immer weiterentwickelt. Wenn man zurück geht in die Zeit der Gruppe B, da hast du gesehen: Die Autos hatten irre viel PS, sind auf der Geraden wahnsinnig schnell gegangen. Aber in den Kurven waren sie eigentlich unfahrbar. Und jetzt mit neuen Fahrwerken sind Kurvengeschwindigkeiten möglich, von denen hast du damals nur träumen können.

— Stichwort Gruppe B: Was war das lässigste Auto, das du je co-pilotiert hast?

ilka minor: Ganz gerne habe ich im Jahr 1999 und 2000 den Corolla WRC gehabt. Der war so schön gebaut, mit vielen liebevollen Details.

— Dein Resümee zur Jännerrallye?

ilka minor: Ja, also für mich persönlich … Nein, eigentlich war’s für uns auch total cool. Bis dorthin waren wir mit den Zeiten total happy. Dass wir dann nachher rausgeflogen sind, ist eine andere Geschichte. Aber: Lieber schnell rausfliegen als langsam!

In Summe war's ein Mörder-Event. So viele Zuschauer hatte Österreich die letzten Jahre bei allen Rallyes zusammen nicht. Es war irre, was sich da abgespielt hat. Da muss man echt den Hut ziehen. Coole Sache.

— Feuert doch die Vorfreude für Ende Oktober an, wenn die Rallye-Weltmeisterschaft erstmals in Österreich Halt macht?

ilka minor: Klar! Ich freue mich, wenn wir es schaffen, dass wir in Österreich eine WM haben. Es ist natürlich cool, wenn Rally1-Autos in Österreich herumgurken.

— Und deine sonstigen Pläne für das Jahr 2023?

ilka minor: Kann ich noch nicht genau sagen. Aber: Olli Walter, mit dem fahre ich sicher weiter. Es wird wahrscheinlich den einen oder anderen Einsatz mit dem Litauer Vaitotas Zala geben, mit dem ich jetzt im 22er-Jahr angefangen habe. Hoffentlich auch mit Hiroki Arai, mit dem ich in Japan war. Also: Es sind durchaus ein paar Projekte im Entstehen.

Co-pilotieren: Wie's richtig geht.



 Co-pilotieren: Wie's nicht geht

Alright?" Ich sitze mit Rennsportgurt am Schalensitz festgezurrt im neuen Skoda Fabia RS Rally2. Die Frage, gestellt vom links neben mir sitzenden Rallyefahrer Andreas Mikkelsen: mehr so hypothetischer Natur.

Ein kurzes "yeah" meinerseits, dann versenkt er das rechte Pedal im Bodenblech.

Das Heck rutscht weg, die Gangwechsel fahren mit einem Ruck durch Mensch und Maschine. Das erste Anbremsen kommt unerwartet. Wie bei einem Säugling, dessen Nackenmuskulatur noch schwach ist, klappt mein Kopf nach vorne.

Am beängstigendsten aber: die Geraden, in denen Mikkelsen auf Geschwindigkeiten beschleunigt, die die schmale und von Bäumen umgebene Straße gefühlt noch schmaler werden lässt.

Am Ende des Ritts will ich vom WRC2-Champ von 2021 noch wissen, wie viel er denn gegeben hat mit mir als Reporter am Beifahrersitz.

Mikkelsen, staubtrocken: "Die schnellen Kurven, wo ich etwas bremste, die wären schon voll gegangen."