Der Euro-Fighter

Hausbesuch in Oberösterreich bei Staatsmeister Simon Wagner, der im Moment heißesten Austro-Aktie im Rallyesport.

Frühling im Mühlviertel. Gelb blühende Forsythien, grauer Himmel, ein grünes Haus, dahinter ein Rallye-Bolide am Hänger.

Das Massivholz-Garagentor steht offen. Drinnen stapeln sich mannshoch Reifentürme. Wandregale übervoll mit Pokalen, Lorbeerkränzen, Siegerpostern. Und mittendrin ein Ständer cooler Sonnenbrillen.

Wagners Welt

Drüben im Haus lagern noch gefühlt Tausen­de selbstgefertigte Unikate an Rallye­auto-Modellen. Das ist die Welt des Simon Wagner.

"Die Pokale gehören nicht alle mir", schmunzelt der junge durchtrainierte Mann mit den blauen Augen. "Die Wand mit der weißen Ford-Fiesta-Motorhaube mit Racing-Rookie-Aufschrift gehört meinem jüngeren Bruder Julian und die Pokale da drüben meiner Freundin Anne."

Simon Wagner, von Beruf Schlosser, arbei­tet unter der Woche Vollzeit. An Wochenenden lebt er seinen Traum vom ­Motorsport – höchst erfolgreich: Simon Wagner ist österreichischer Rallye-Staatsmeister. Er und Konkurrent Hermann Neubauer dominieren die heimische Meisterschaft.

Debut im Rebenland

Beim Saison-Auftakt im Rebenland, einer Rallye, die er noch nicht kannte, hatte Simon die Nase vorn. Den Pokal daheim nur schnell ins Eck gestellt, bricht er tags darauf zum nächsten Neuland auf: als Euro-Fighter zur Azoren-Rallye.

Azoren-Hoch

Simon fährt auf der Atlantik-Insel im Škoda Fabia Rally 2 aufs Podium, belegt beim zweiten Lauf zur Europameisterschaft auf der Insel São Miguel den sensationellen dritten Gesamtrang. Bis dato Simons größter Erfolg. Und das erste EM-Podium eines Österreichers in der Neuzeit.

Neuzeit? Ja, denn kaum jemand erinnert sich noch an EM-Siege eines Klaus Russling oder Franz Wittmann in den 1970ern. Beide auch Vize-Europameister.

Das A-Team

Die Azoren haben den Rallye-Staatsmeister tief beeindruckt: "Hier würde ich gern Urlaub machen!" Und der sonst so coole Simon wird emotional. "Du musst einmal dort gestanden sein und diese unglaubliche Landschaft erlebt haben. Das Gras ist grüner, die Orangen süßer, die Sonderprüfungen spektakulärer!" 

Sete Cidades ist die gefährlichste Wertungsfahrt am steilen Kraterrand eines Vulkans. Im Rennen herrscht dichter Nebel, kaum 40 Meter Sicht. "Wenn da der Schrieb nicht gepasst hätte…"

Angst? "Eher Respekt. Beim Besichtigen, auch noch beim ersten Mal Drüberfahren. Aber im Rennen bin ich so fokus­siert, da seh ich nur die Strecke und grad noch einen Meter links und rechts."

Internationale Auftritte sind die Auslage für Sportler. Wo sieht sich Simon Wagner in der Zukunft? Die Antwort präzise und entschlossen: "WM-Läufe in der WRC2 sind das Ziel, sonst hätte ich mein Projekt nicht jahrelang so beinhart durchgezogen. Jeder, der mich kennt, weiß, ich komme aus keiner reichen Familie." 

Für ein Werks-Cockpit, weiß Simon, müsste er in einem anderen Land geboren worden sein: in Finnland oder Tschechien.

Apropos geboren: Vater Friedrich, eingefleischter Rallye- und Rallycross-Fan, will 1993 mit Freunden zur Weltmeisterschaft fahren. Doch genau da kommt Sohn Simon zur Welt. "Ich hab ihm sein Motorsport-Wochen­ende vermasselt", grinst Simon schelmisch.

Für den Buben beginnt die Faszina­tion Rallyesport im Alter von fünf Jahren mit dem Vater auf der Semperit-Rallye, er ist hin und weg von der Performance eines Sepp Haider im Peugeot 306 Maxi Kitcar. "Papa, das will ich auch machen!"

Er kam, sah und siegte

Vater Friedrich lächelt milde, glaubt nicht, dass das möglich sein wird. Und so leben Simon und später auch sein jüngerer Bruder Julian jahrelang auf der Playstation ihre Rennbegeisterung aus.

Bis zu dem Tag, als der Vater fragt: "Wollt's richtig fahren, Buam?" Auf geht's nach Linz zur Kartbahn! Aber Julian ist noch zu jung, er darf nicht. Simon verliebt sich auf Anhieb.

Kartfahren wird Familiensport. Vater und Sohn pushen sich gegenseitig hoch. Nur der Bruder leidet. Immer wieder klagt er über starke Bauchschmerzen. Die Ursache unklar, die Ärzte ratlos. Erst als Julian endlich alt genug zum Kartfahren ist, verschwinden die Schmerzen auf wundersame Weise.

Das Kart eröffnet den Buben neue Welten: Welt- und Europameisterschaften, von Abu Dhabi bis New Orleans. Diese Reisen werden auch schon gesponsert. Simon fährt damals gegen Leute wie Pierre Gasly, Ferdinand Habsburg und Teemu Suninen.

Das erste Mal im Rallye-Auto? "Im ÖAMTC Fahrtechnik Zentrum auf dem Wachauring." Simon besucht schon früh, zu L17-Zeiten, Fahrtechnik-Kurse, auch Eis-Trainings. Ein arrivierter Rallye-Pilot, der gerade seinen Rallye-Mazda 323 testet, wird auf Simon aufmerksam. "Wär Rallyefahren etwas für dich? Dann setz dich rein!" 

Simon, noch ohne Führerschein, beginnt aber schon nach drei Runden mit Linksbremsen und Querfahren. Ein nervöses Heck taugt ihm, nur vorn drüber schieben hasst er bis heute.

Wenige Jahre später fährt er bei der Jänner-Rallye sensationelle Bestzeiten. Die Fachwelt fragt: "Wer ist dieser Wagner?" Heute ge­hören Simon und Bruder Julian Wagner zur heimischen Elite. Simon ist Staatsmeister, ­Julian dominiert die 2WD-Wertung.

Den Staatsmeister-Titel will Simon Wagner natürlich verteidigen. Auch weil ihm Hermann Neubauer eine harte Kampfansage gemacht hat. "Mit so etwas wär ich vorsichtig, da macht er sich nur selber Druck" – wieder dieses schelmische Grinsen: "Und ich mach ihm ja zusätzlich auch noch Druck!" So war's dann auch im Lavanttal.

Video Lavanttal Rallye