Romy vor Matura

Mit kleinen Schritten zum Erfolg – für Noelia Chirazi war es eher ein Weitsprung. Ihr Spielfilmdebüt brachte ihr gleich den Romy als "Beste Nachwuchsdarstellerin" ein. 

Im ORF/ZDF-Thriller "Wiener Blut" spielte Noelia Chirazi die Rolle der rebellischen Aline, bei der ORF-Premiere 2019 hatte der Film an die 807.000 Zuseherinnen und Zuseher. Ohne eine langjährige schauspielerische Ausbildung oder viel Erfahrung hatte Noelia sich bei einer Agentur angemeldet, nach zahlreichen Castings kam endlich die Zusage.

"Wiener Blut" ist am 2. November um 20:15 Uhr auf ZDF zu sehen.

— Seit wann steckt in dir schon der Wunsch, Schauspielerin zu werden?

NOELIA CHIRAZI:Schon in der Volksschule hab ich mir vorgestellt, vor einer Kamera zu stehen. Seitdem ich die "Tribute von Panem" gesehen habe, will ich mir diesen Kindheitstraum noch mehr erfüllen. Die Rolle der Katniss und die Verkörperung durch Jennifer Lawrence haben mich sehr begeistert. Ihr Talent ist unglaublich – und genau so möchte ich spielen können. 

— Haben dich deine Eltern immer in dem Wunsch unterstützt? 

NOELIA CHIRAZI:Meine Mutter hat mich immer sehr unterstützt, sie hat selber in ihrer Kindheit in vielen Werbespots mitgespielt. Sie findet das alles sehr cool.

— Was war deine erste Schauspielerfahrung?

NOELIA CHIRAZI:Bei einer Aufführung im Hort habe ich mal die Hauptrolle gespielt…

— Was wäre dein Plan B gewesen, wenn es mit dem Schauspielen nichts geworden wäre?

NOELIA CHIRAZI:Ich will mir auf jeden Fall ein zweites Standbein aufbauen, damit ich unabhängig bin. Sehr gerne würde ich eine Tanzschule führen, vielleicht kann ich auch mit der Musik dazuverdienen. Jetzt mache ich aber erst einmal die Matura fertig.

"Ich will auf keinen Fall von Castings abhängig sein."

Lieber Film als Theater

— Ist Theater kein Thema für dich?

NOELIA CHIRAZI:Theater hat sich nicht wirklich ergeben. Wenn mich mein Weg dorthin führt, wäre ich dafür offen, aber ich würde mich sonst immer für den Film entscheiden. Am Film mag ich besonders, dass das Spielen näher am Leben ist – beim Theater muss immer alles sehr stark und überdeutlich dargestellt werden.

— Bist du sehr selbstkritisch?

NOELIA CHIRAZi:Eher nicht. Ich tendiere eher dazu, mich zu wenig kritisch zu sehen. Wenn ich der Meinung bin, ich hätte es besser machen können, denke ich zwar: Schade. Aber dann auch, dass es jetzt ohnehin schon erledigt ist. Ich mach mich da nicht im Nachhinein fertig. Als ich "Wiener Blut" das erste Mal auf der Leinwand gesehen hab, war das schon komisch.

— Wie hast du Film und Schule unter einen Hut gebracht?

NOELIA CHIRAZI:Ich habe nicht nur ein paar schulfreie Tage gebraucht, sondern auch die Genehmigung der Direktorin für den Dreh. Danach war's emotional schwierig für mich, als ich aus meinem erfüllten Lebenstraum dann wieder in die Schule musste, und da wollte ich dann gar nicht mehr sein.

— Wie bist du eigentlich zu deiner Rolle in "Wiener Blut" gekommen?

NOELIA CHIRAZI:Begonnen hat alles, als ich mich mit 12 Jahren bei der Agentur AMT Vienna beworben habe. Ich habe einfach Bilder hingeschickt und die Agentur hat sich dann bei mir gemeldet. Dort wurden nochmals Fotos von mir in verschiedenen Outfits gemacht und ich musste mich auf Deutsch und Englisch vorstellen. Nach einem längeren persönlichen Gespräch wurde ich dann in die Kartei aufgenommen.

Die Agentur bekommt dann Castinganfragen und schlägt Leute vor, die sie passend findet. In meinem Fall hat sie mich zum Casting für "Wiener Blut" eingeladen. Ich musste mehrere Szenen spielen und nach zwei Runden wurde dann von der Regisseurin und dem ORF die Entscheidung getroffen. Das hat eine Weile gebraucht, ich war dann schon sehr unruhig. Meine Mutter hat schließlich den Anruf bekommen, in dem mir die Rolle zugesagt wurde, und wir sind vor Freude rumgehüpft (lacht).

— Wie war es denn, mit so erfahrenen Schauspielern zu arbeiten?

NOELIA CHIRAZI:Daran habe ich beim Dreh gar nicht gedacht. Sie waren alle sehr lieb und haben mich unterstützt, besonders Melika Foroutan.

Die schwierige und emotionale Rolle der Aline hat mich oft auch außerhalb vom Set in der Schule beschäftigt.

Noelia Chirazi, Schauspielerin

Auf Befehl weinen

— Wie hast du dich auf die emotionale Rolle der Aline vorbereitet?

NOELIA CHIRAZI:Ich habe zu Hause geübt, auf Befehl zu weinen, das hat mir am meisten Angst gemacht. Am Set geht das aber gleich viel leichter, wenn wirklich eine Pistole knallt und Glas zerbricht. Man kann sich sehr gut in die Situation hineinversetzen. Außerdem lerne ich jedes Wort des Skripts immer ganz genau, da bin ich sehr streng mit mir. Auch wenn beim Spielen mal was anders gesagt werden darf, ich will perfekt vorbereitet sein.

— Hat dich das Thema des Films – ein Kriminalfall rund um drei Frauengenerationen mit Migrationshintergrund in einem gemeinsamen Haushalt – persönlich berührt?

NOELIA CHIRAZI:Mir hat gefallen, dass er die Gleichwertigkeit verschiedener Glaubensrichtungen aufzeigt. Keine Seite wird als besser dargestellt. Man sieht, wie schnell man wo hineingezogen werden kann, einfach weil man entwurzelt und ohne Familie ist. Außerdem fehlen sowohl Aline als auch mir eine Vaterfigur und ich bin auch mit zwei Religionen aufgewachsen.

— Da gibt's also Ähnlichkeiten zwischen dir und deiner Rolle?

NOELIA CHIRAZI:Wir sagen beide unserer Mutter, wenn uns einmal was nicht passt (lacht). Außerdem fresse ich nie meine Gefühle in mich hinein, ich lasse sie raus. Das tut Aline auch auf ihre Art.

— Was ist dir von der Arbeit an dem Film besonders in Erinnerung geblieben?

NOELIA CHIRAZI:Einmal hat Melika Foroutan bewusst in einer lustigen Stimmlage geredet, um zu testen, ob ich in der Rolle bleibe. Das war eine Herausforderung. Ich habe mich auf jeden einzelnen Drehtag sehr gefreut. Mir hat auch gefallen, dass ich jeden Tag mit dem Auto abgeholt und zum Drehort gebracht wurde.

Überreichung der "Romy" durch Rudolf John

Romy über Skype

— Erster Film und gleich eine Romy – wie ist die Verleihung abgelaufen und wie hast du dich gefühlt?

NOELIA CHIRAZI:Ich wurde per Mail über meine Nominierung informiert. Ein paar Wochen vor der Verleihung wurde mir dann gesagt, dass ich einen Skype-Termin gemeinsam mit anderen Nominierten hätte. Dann fand dieses Video-Meeting statt – aber nur mit mir, und so erfuhr ich, dass ich gewonnen hab. Lustigerweise habe ich beim Filmfest in München schon auf einen Preis gehofft, da war aber nicht ich, sondern der Film selbst nominiert. Ein Dreivierteljahr später dann wirklich solch eine Auszeichnung zu bekommen, ist schon arg. Ich freu mich sehr.

— Hast du bestimmte Vorbilder?

NOELIA CHIRAZI:Jennifer Lawrence, aber ich finde es immer schwierig zu sagen, dass man wie jemand werden möchte, den man nicht persönlich kennt. Man weiß ja nicht, wie dieser Mensch privat ist. Aber Jennifer Lawrence wirkt sehr lustig und sympathisch und ihr Talent ist unglaublich. So möchte ich spielen können, in "Tribute von Panem" hat sie mich begeistert.

— Hast du auch österreichische Vorbilder?

NOELIA CHIRAzi:Melika Foroutan ist ein Vorbild für mich gewesen. Ich finde, sie ist sehr natürlich und spielt sehr gut. Ich mag sie sehr. Noch ein Vorbild ist die Regisseurin Barbara Eder. Sie ist zwar keine Schauspielerin, aber sie ist immer auf mich eingegangen. Sie hat mich die Dinge auf meine Art probieren lassen und mir gar keinen Druck gemacht.

— Mit wem würdest du gerne in Zukunft mal arbeiten?

NOELIA CHIRAZI:Puh, da hab ich eine lange Liste im Kopf (lacht). Wieder Jennifer Lawrence, auch Anne Hathaway. Gerne wieder mit Melika Foroutan und Hassan Kello. Jella Hasse und Elyas M'Barek sind auch sehr cool.

— Bei welcher Art Film oder Serie würdest du gerne als nächstes mitspielen?

NOELIA CHIRAZI:Historische Filme interessieren mich sehr. Im Moment habe ich eine Netflix-Produktion über Sisi im Auge, da war ich schon beim Casting. Bald gibt es noch ein weiteres Casting für einen österreichischen Sisi-Film, da würde ich auch gerne dabei sein.

— Also bist du ein Kaiserin-Elisabeth-Fan?

NOELIA CHIRAZI:Ja schon, die Rolle wäre der Hammer.

— Gibt es ein fixes nächstes Projekt?

NOELIA CHIRAZI:Nein, momentan konzentriere ich mich auf meine Matura. Ich würde mich gerne mehr auf die Schauspielerei und die Agenturseite stürzen, aber ich fühle mich einfach noch nicht frei. Noch bin ich an die Schule gebunden.

Mir ist es wichtig, immer ein Ziel vor Augen zu haben, auch wenn es unerreichbar erscheint.

Nie aufhören zu träumen

— Hast du einen Lieblingsfilm?

NOELIA CHIRAZI:Ich sag' noch einmal "Tribute von Panem" (lacht). "Titanic" mag ich auch sehr gerne und "Der Fremde Sohn" mit Angelina Jolie. Ich mag traurige Filme und der hat mich sehr mitgenommen, weil sie so großartig gespielt hat.

— Welche Tipps hast du für junge Schauspieler, die sich diesen Traum auch erfüllen wollen?

NOELIA CHIRAZI:Das hört sich so an, als wäre ich weise und erfahren (lacht). Generell ist mein Lebensmotto, mir selbst treu zu bleiben, mich nicht zu verstellen und nichts nur fürs Geld zu machen. Das redet sich natürlich leicht, aber ich will mir ein zweites Standbein aufbauen, um mich unabhängig davon zu machen, was ich mit der Schauspielerei verdiene. Man soll nie aufhören zu träumen, es sollte einem egal sein, wenn alle sagen, dass etwas unerreichbar ist. Mir ist wichtig, immer ein Ziel zu haben, so unerreichbar es auch sein mag, aber trotzdem im Hier und Jetzt zufrieden zu sein und das zu tun, was mich glücklich macht.

— Und was hast du jetzt vor? Hast du ein bestimmtes Reiseziel oder einen Traumdrehort?

NOELIA CHIRAZI:Hollywood! (lacht) Nein, es ist eigentlich überall spannend. Ich würde gerne in Deutschland oder wieder in Österreich drehen, auf einer Insel am Meer, in einem Flugzeug, auf einem Schiff… einfach überall.

Noelia Chirazi privat


Österreichische Schauspielerin spanisch-syrischer Abstammung.
Geboren 2002 in Wien.
Ehemalige Schülerin des Bernoulli Gymnasiums in Wien.
Sport: Weitsprung, 60-Meter-Sprint, Fußball.
Hobbys: Spielt Schlagzeug, Klavier "und ein bisschen Gitarre. Manchmal komponiere ich auch".