Lisa Eckhart: Charmante Arroganz

Lisa Eckharts Vorbild ist Falco. Die junge Poetry Slammerin und Kabarettistin nimmt sich beim Interview kein Blatt vor den Mund: "Das Publikum ist masochistisch veranlagt und liebt es, ein bisschen beschimpft zu werden." Für ihr Kabarett-Programm "Als ob Sie Besseres zu tun hätten" hat sie den Österreichischen Kabarett-Förderpreis verliehen bekommen – zu sehen am 18. November auf ORF1.

Ein giftiges Lächeln, bitterböse Reime und ein geschliffener Vortrag – das sind die Markenzeichen von Lisa Eckhart. Sie hat sich in der deutschen Poetry-Slam-Szene bereits einen Namen gemacht. Jetzt hat sie es auch auf die Kabarett-Bühne geschafft, zuletzt mit Josef Hader. Mit ihrem Programm "Als ob Sie Besseres zu tun hätten" toure sie noch das ganze nächste Jahr durch Österreich und Deutschland, erzählt sie beim Interview im Kaffeehaus.

Die 24-jährige Wortkünstlerin ist gekleidet, als wäre sie auf der Bühne: hochgeschlossene Rüschenbluse mit Schulterklappen aus Metall (siehe Foto unten), die Hose betont ihre Wespentaille. "Das trage ich immer, wenn ich außer Haus bin", erzählt die Steirerin. Ihre angemalten Lippen sind der einzige Farbklecks.  

Ich würde privat nie Menschen mit der Wahrheit langweilen, wenn es auch anders geht. Auf der Bühne nennt sich das Unterhaltung. Und privat? Ist das dann wirklich Lüge?

"Keine Schauspielschule wollte mich"

— Beim Poetry Slam (Dichterwettstreit) reimst du, hast du das immer schon gerne gemacht? 

Lisa Eckhart:Nein, gar nicht. Ich habe gerne Goethes Faust gelesen. Das war die einzige Literatur, die mich nicht krank gemacht hat. Und die von Elfriede Jelinek. Ich habe in Berliner Schauspiel-Schulen vorgesprochen und eine Faust-Erweiterung geschrieben. Die hat sich gereimt, weil es sich so ergeben hat. Dann bin ich dabei geblieben. Ich habe mir früher immer gesagt, du hast keine Zeit zum Schreiben, arbeite lieber fürs Studium. Dann habe ich begonnen, Briefe zu schreiben. 

— An wen hast du diese Briefe geschrieben?
Lisa Eckhart:An ein Opfer (lacht). Ich habe mir willkürlich eine Verliebtheit eingeredet. Aber als Schreibvorwand, wie ich jetzt im Nachhinein weiß, um seitenlange Briefe an diese Person zu schreiben, um meine Schreibwut loszuwerden. Das wurde mir jetzt erst in Berlin bewusst, als ich eine einstweilige Verfügung bekommen habe. Ich habe diese Menschen auch gestalkt und bedrängt. Plötzlich hat es klick gemacht und mir wurde bewusst: Du schreibst gar nicht an diesen einen Menschen. Du willst nur schreiben. Ich dachte mir dann, lass den armen Menschen in Ruhe und sprich doch zu allen, zu einem Publikum.  

— Hast du auch eine Schauspielausbildung absolviert?
Lisa Eckhart:Ich habe in ganz Deutschland versucht, die Einstiegsprüfung zu machen. Alle Schulen waren schwerst abgetan von mir. Die letzte meinte: "Frau Eckhart, wir waren sehr scharf auf Ihren Text, aber nicht auf Sie. Bitte schreiben Sie hinter der Bühne, aber gehen Sie niemals auf eine Bühne!" Okay, hier ist trotzdem ein kleines Kompliment versteckt. Ich habe weitergemacht. 

"Das Publikum hat meinen Sieg erwartet"

— Du hast weitergemacht – und das mit Erfolg. Und hast jetzt sogar den Österreichischen Kabarett-Förderpreis verliehen bekommen. Wie findest du das?
Lisa Eckhart:Der Preis ist schon Goldes wert. Letztlich hat er mir doch sehr viel Druck genommen, weil er eine Anerkennung ist. In einzelnen Momenten kann ich mich im Kopf auf diesen Preis berufen und sagen: Irgendeine Jury hat das, was ich mache, als gut empfunden. Ich hätte aber schon sehr gerne den Preis für das Lebenswerk erhalten.

— Und du bist Siegerin der Österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften 2015.
Lisa Eckhart:Genau. Puh, das war ein Druck, denn das Publikum hat bereits damals erwartet, dass ich gewinne. Und das war bei der Meisterschaft in Deutschland das Gleiche. Unter 300 Teilnehmern bin ich Vierte geworden. Einer der Wett-Typen hat zu mir gesagt: Weißt du eigentlich, wie viel Geld du die Deutschen gekostet hast durch einen unglücklichen Zufall? Slammer sind nämlich ganz große Spieler. Ich hatte mit einem anderen Teilnehmer die gleiche Punkteanzahl erreicht. Ein Münzwurf hat dann entschieden, wer von uns beiden ins Finale darf. Das ist einfach nicht akzeptabel. Das war ein großer Skandal.



— Poetry Slam oder Kabarett – wo steckt dein Herzblut?
Lisa Eckhart:Wenn ich eine Bühne habe und Menschen davor, dann ist es mir ganz egal, was ich mache. Ich verpacke euch meine Inhalte in alles, was ihr wollt.

— Vermischt du Poetry Slam und Kabarett?
Lisa Eckhart:Ja. Mein Kabarett-Programm enthält gereimte Texte.

"Mit Josef Hader auf der Bühne"

— Bist du eigentlich nervös auf der Bühne – zumindest in den ersten Sekunden? 
Lisa Eckhart:Es kommt darauf an, welche Bühne es ist. Heute Abend im Kabarett Niedermaier, wo ich schon so oft aufgetreten bin: Nein. Wenn ich mit Josef Hader auf der Bühne stehe, dann schon (lacht).

Nervosität kann aber auch schön sein. Manchmal tut es mir leid, wenn ich rausgehe und es mir egal ist, wie etwa in Deutschland in schönen Opernsälen. Ich freue mich schon, aber die Angst zu versagen ist nicht da. Aus dem einfachen Grund, weil ich weiß, dass man dem Publikum in den Opernsälen gar nicht gefallen kann, egal was man macht. Die Leute sitzen nämlich viel zu bequem, als dass sie sich über irgendetwas anderes freuen könnten als über ihre Gemütlichkeit. 

— Du bist auch sehr keck zum Publikum, fragst es, wer da hinten blöd lacht.
Lisa Eckhart:Das ist immer ernst gemeint, aber das Publikum glaubt es mir nicht (lacht). Die Menschen sind dann oft vor den Kopf gestoßen.

"Kinder sind nicht mein Publikum"

— Du hast in Paris und London gelebt. Was hast du dort gemacht? 
Lisa Eckhart:Ich habe in Paris Germanistik und Slawistik studiert – an der Sorbonne. Das letzte Semester habe ich in Berlin als Erasmus-Studentin gemacht. In London habe ich unterrichtet, weil ich eigentlich Lehrerin werden wollte. Das war für mich das Geordnetste.

Manchmal brauche ich die Ordnung. Damals zumindest. Meine Mutter ist Lehrerin. Mein Traum war immer, den Lebenskreis so schnell wie möglich wieder zu schließen. Kurz raus an die Uni und dann aber sofort wieder zurück – am besten an meine eigene Schule in Graz, um dort zu unterrichten und dann zu sterben. Das war mein Plan. 

— So bieder wirkst du heute gar nicht. 
Lisa Eckhart:Das stimmt. Dieses Vertraute schätze ich aber noch immer sehr. Ich habe aber gemerkt, dass Kinder nicht mein Publikum sind. Ich musste ihnen als Lehrerin ja tatsächlich etwas beibringen. Ich war schwerst überfordert. Entweder habe ich sie sadistisch gequält oder verhätschelt. Aber es gab kein Mittelmaß.

— In Paris hast du während deines Studiums in Autohäusern gejobbt. Was hast du genau gemacht? 
Lisa Eckhart:Ich habe in Paris als Hostess bei einer Agentur gearbeitet – unter anderem wurde ich für den Autosalon "Mondial de l'Automobile" gebucht. Das ist eine extrem antifeministische Struktur dort. Ein Alptraum, wie Frauen dort behandelt werden. Gottseidank habe ich für Suzuki gearbeitet und wir hatten so grottenhässliche Kleider, dass wegen uns Frauen niemand gekommen ist. Bei Porsche hingegen mussten die Mädels im Bikini stehen. Ich war aber auch Hostess und nicht Model-Hostess, das ist wieder eine eigene Kategorie. Ich musste natürlich alles wissen über die Autos und habe diese Informationen an Kunden weitergegeben. Das war mein erster Versuch in der Arbeitswelt, neben dem Studium. Das habe ich dann aber auch schnell wieder gelassen, habe nur hineingeschnuppert. Es war aber eine sehr wichtige Erfahrung für meine feministische Entwicklung.

Ich habe wenig zu tun in der Welt, wenn es nicht die Bühne ist. 

Lisa Eckhart, Kabarettistin & Poetry Slammerin 
 

"Wenn ich nicht schreibe, hasse ich mich."

— Was machst du in deiner Freizeit?
Lisa Eckhart:(überlegt) Ich weiß gar nicht, was das Wort bedeutet. Entweder schreibe ich oder ich hasse mich, weil ich nicht schreibe. Das sind so meine zwei Hobbys. Ich sollte mir mal ein anderes suchen als Ausgleich. 

— Aber du fährst doch gerne Motorrad?  
Lisa Eckhart:Ja, ich bin immer wahnsinnig gerne auf einer Harley mitgefahren. Wir haben Festivals besucht. Mit dem Führerschein kam dann leider auch die Erkenntnis meiner Sterblichkeit. Denn bis ich Fahrpraxis hätte, wäre ich auf der Straße schon zehn Mal gestorben. Ich wäre nie eine sichere Fahrerin. Geschwindigkeit hat mich aber nie interessiert, auch nicht als Beifahrerin. Ich mag schöne Ausfahrten, das Gemütliche.

— Und wo schreibst du zu Hause? Gemütlich auf der Couch? 
Lisa Eckhart:Nein, am Schreibtisch. Ganz korrekt, anders geht es nicht – mit einer Zigarette und einem Weißen Spritzer oder so. Von Kaffee bin ich zum Glück nicht abhängig. 

— Schreibst du jeden Tag? 
Lisa Eckhart:Nein. Aber ich ermahne mich jeden Tag zu schreiben, und damit verbringe ich auch sehr viel Zeit – und dann ist wieder ein Tag rum. Und dann geht man mit sehr viel Selbsthass ins Bett. Und hofft am nächsten Tag, wieder was zu schreiben. Wenn ich auf Tour bin, dann schreibe ich nicht. Ich sitze oft acht Stunden im Zug und mache gar nichts.

— Machst du dir nie Notizen, wenn du unterwegs bist – fallen dir nicht spontan Reime ein?
Lisa Eckhart:Nein, da fällt mir nie was ein. Wenn ich nicht sage: Jetzt arbeitest du und jetzt hast du Gedanken, dann ist in meinem Kopf den ganzen Tag nichts. Ich hasse diese Schreiber, die dann mit ihrem Notizblock dasitzen und ihre Gedanken aufschreiben. Ich denke mir dann: Wen willst du beeindrucken? Ich habe keine Gedanken, wenn sie nicht auf Abruf da sind. Das macht es auch angenehm. Wenn ich sage: Ich bin jetzt auf Durchzug – passiert überhaupt nichts. Ich habe dann aber immer ein schlechtes Gewissen. Mir bietet weniges wirklich Inspiration für meine Texte. Ich schreibe immer in meinem Kämmerchen zu Hause. Ich könnte mich nie in ein Kaffeehaus setzen und nur eine Zeile schreiben. Das wäre der Tod.

Viele sagen zu mir: Du bist ja eh ganz angenehm. Das stimmt nicht, denn hier kooperiere ich, ich stecke zurück, weil ich mich ja nicht immer so aufführen kann. 

Lisa Eckhart, Kabarettistin & Poetry Slammerin 

"Meine Mutter ist meine ultimative Zensurinstanz"

— Worauf legst du Wert bei deinen Texten?
Lisa Eckhart:Ich bin kein Perfektionist, aber wenn der Text nicht in einem Fluss rausgeht, macht es mich krank, und er wird nie das Licht des Tages erblicken. Er wird auch nicht mehr an einem anderen Tag überarbeitet. Viele meiner Texte haben den gleichen Aufbau: Sie starten in einer Situation und driften ins Moralische ab, oder was ich als Moral bezeichne (lacht). Jeder soll einen Zugang zu dem Thema haben.

— Bekommt deine fertigen Texte vor dem Auftritt jemand zu hören?
Lisa Eckhart:Ja, meine Mutter. Sie ist meine ultimative Zensurinstanz. Was Mutter nicht gut empfindet, geht nicht raus – und das muss sie gar nicht sagen, ich merke es an ihrer Reaktion. Bislang war es immer zuverlässig. Das ist die absolute Probe. Ich bin völlig nervös, wenn ich einen neuen Text habe und ihn ihr am Telefon vortrage. Sonst bekommt ihn keiner zu hören. Mutter kann ich es präsentieren, da habe ich keine Schamgrenze.

Lisa über "blinde Wut"

"Falco hat mir beigebracht: Bescheidenheit auf der Bühne hat keinen Stil"

— Wer sind deine Vorbilder?
Lisa Eckhart:(denkt lange nach) Ich habe mich im Zuge meines neuen Romans mit meinem Literatur-Agenten unterhalten und er hat mich gefragt, neben wem ich mich im Regal stehen sehe? Ich meinte zu ihm: "Hätte ich große Vorbilder, hätte ich selbst nicht das Bedürfnis etwas zu machen, weil dann wüsste ich ja schon, dass das, was ich will, in der Welt existiert." Rein sprachlich bin ich trotzdem noch immer ein Goethe-Fan, auch in seiner Schlampigkeit und seinen Makeln, die der Faust hat. Von der Boshaftigkeit mit Humor sicherlich die Jelinek. Von der Bühnen-Präsenz wahrscheinlich doch Klaus Kinski (lacht). Sofern man ihn als Vorbild sehen kann. Aber vom Temperament her. Es ergibt alles ein Mosaik.

— Deine veränderte Stimme auf der Bühne erinnert mich an die von Falco – ist dir das bewusst? 
Lisa Eckhart:Bewusst ist mir gar nichts auf der Bühne. Auf jeden Fall ist er auch ein Vorbild von mir. Er hat mich schon sehr früh geprägt. Ich bewundere an Falco wahnsinnig seine unglaublich charmante Arroganz. Er hat mir beigebracht, dass Bescheidenheit auf der Bühne keinen Stil hat.

— Und wann erscheint dein Roman?
Lisa Eckhart:Der Roman ist in Arbeit. Ich möchte mit etwas Geschmeidigen, halbwegs Mainstreamigen beginnen, und wenn das funktioniert, kann ich ausschweifen.

— Ein Buch hast du ja bereits herausgebracht: Bonusmaterial.
Lisa Eckhart:Genau. Bonusmaterial ist eine Sammlung an Texten. Ich habe dafür die deutsche Literaturgeschichte hergenommen und habe alles ausgebessert, was mir nicht passt. Wie ein Bonusmaterial zu bestehenden Klassikern oder ursprünglichen Fassungen. Ich habe mich herumgespielt mit Werken, so wie ich sie gerne gehabt hätte. Für jemanden, der Germanistik studiert hat, ist das ein Traum. Und wer nichts mit Literatur zu tun hat, kann es trotzdem verstehen. Das war mir wichtig.

Lisa Eckhart ist am 18. November im Rateteam der ORF-Show "Was gibt es Neues" zu sehen: "Das Format ist ein bisschen schwierig für mich. Ich hasse Spontaneität, noch dazu ist das Team eingespielt. Da erstarre ich völlig zu Eis, das macht mich fertig."