"Wir werden schneller und pünktlicher von A nach B kommen"
Kommt wieder 140 auf der Autobahn? Bleibt das Klimaticket bestehen und wie geht es mit dem Ausbau der Infrastruktur weiter? Im Interview gibt Verkehrsminister Peter Hanke einen Überblick zu seinen zentralen Zielen.
Ein großer Teil der österreichischen Bevölkerung ist auf individuelle Mobilität angewiesen. Welchen Stellenwert hat das Auto aus Ihrer Sicht und wie wollen Sie die Leistbarkeit sichern?
Es stimmt, das Auto ist für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil ihrer Mobilität. Gleichzeitig gewinnen aber Themen wie Klimaneutralität und Wirtschaftlichkeit an Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, das Auto nicht mehr isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit dem gesamten Verkehrssystem zu sehen – also inklusive öffentlicher Verkehrsmittel, die einer Alternative darstellen. Sie müssen weiter ausgebaut und priorisiert werden. Entscheidend ist, dass es für verschiedene Bedürfnisse unterschiedliche, gut kombinierbare Verkehrsträger gibt – vom Auto über öffentliche Verkehrsmittel bis hin zu Fahrrädern und Scootern. Mein Ziel lautet deshalb: Mobilität effizient, klimafreundlich und leistbar gestalten, indem alle Möglichkeiten optimal miteinander verknüpft werden.
Die Bundesregierung hat nun zur Reduktion des Budget-Defizit auch diverse Maßnahmen gesetzt, die sich auf den Verkehrsbereich auswirken. Dazu zählt etwa die motorbezogene Versicherungssteuer für E-Autos. Der Klimabonus wird gänzlich abgeschafft, zudem werden die Förderungen für E-Autos gekürzt. Welche Maßnahmen können Sie setzen, um diese Mehrbelastungen abzufedern?
Ebenso wie alle anderen Ressorts hat auch das Mobilitätsministerium seinen Beitrag zur Budgetkonsolidierung zu leisten. Dabei stehen für mich Effizienz und Treffsicherheit im Vordergrund: Wir müssen in Zeiten wie diesen besonders darauf achten, dass mit den vorhandenen Mitteln möglichst viel erreicht wird und diese dort ankommen, wo sie am sinnvollsten sind. Was die E-Mobilität betrifft, bin ich mir bewusst, dass zusätzliche Belastungen für die Nutzer schmerzhaft sein können. Dafür werden wir jedoch weiter in die Infrastruktur investieren, um die Mobilitätswende voranzutreiben. So werden wir künftig vor allem E-Ladestellen massiv ausbauen und E-Mobilität in Form von Bussen und Nutzfahrzeugen weiterhin umfangreich fördern. Damit reagieren wir auf aktuelle Marktentwicklungen im Bereich der E-Pkw und setzen einen Fokus Gebiete mit bislang schwacher E-Ladeinfrastruktur.
Um die Klimaziele zu erreichen, muss der CO2-Ausstoß im Verkehrsreich gesenkt werden. Soll das schonend über eine Erhöhung der Beimengung von biogenen Kraftstoffen oder durch Verbote und Kostensteigerungen erfolgen?
Einerseits stehen wir klar zu den Klimazielen und der Verantwortung gegenüber künftigen Generationen, andererseits muss die Mobilitätswende auch wirtschaftlich tragbar und für die Menschen finanzierbar bleiben. Es reicht deshalb nicht, nur auf Verbote oder Kostenerhöhungen zu setzen. Vielmehr braucht es einen ausgewogenen Mix aus verschiedenen Maßnahmen. Dazu gehören technologische Innovationen, der Ausbau und die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs sowie die Förderung alternativer Antriebe. Wir müssen konkrete Projekte umsetzen und die Effizienz im System steigern. Das bedeutet auch, dass wir bei der Bahn und im öffentlichen Verkehr weiter investieren werden, um mehr Menschen zum Umstieg zu bewegen. Insgesamt ist es mir wichtig, dass wir die Klimaziele erreichen, ohne die Menschen mit Verboten oder drastischen Kostensteigerungen zu überfordern. Stattdessen setze ich auf Effizienz, Innovation und gezielte Investitionen in nachhaltige Mobilität.
Diverse Infrastrukturprojekte wie der Lobau-Tunnel harren der Umsetzung. Wie geht es beim Ausbau der Infrastruktur weiter?
Bei jedem Projekt muss sorgfältig abgewogen werden, ob die erforderlichen Genehmigungen vorliegen und wie wichtig es für die Gemeinden oder die Bevölkerung ist – etwa bei Umfahrungen oder wichtigen Verkehrsverbindungen. In den kommenden Wochen und Monaten werde ich mir deshalb ein genaues Bild machen, bevor ich Entscheidungen treffe. Ziel ist es, alle Projekte sorgfältig zu prüfen und dann eine klare Entscheidung zu treffen, die sowohl die Bedürfnisse der Menschen als auch die Notwendigkeit für die Infrastruktur berücksichtigt.
Welche Maßnahmen wollen Sie beim Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel setzen?
Wir wollen das Angebot deutlich ausweiten. Ich bin in der erfreulichen Situation, dass ich beispielsweise im Dezember den Koralm-Tunnel in Betrieb nehmen darf, was sicher ein Jahrhundertprojekt darstellt und zu einer massiven Erhöhung der Kapazitäten führt. Wir sehen, dass die Schiene sehr gut angenommen wird. Wir hatten mit 511 Millionen Passagieren im letzten Jahr einen Fahrgastrekord.
Wir gehen davon aus, dass wir bis 2030 eine massive Ausweitung des Angebots von rund 30 Prozent erreichen können und somit das Attraktivitätspotenzial noch einmal steigern werden.
Soll das Klimaticket in seiner aktuellen Form bestehen bleiben?
Das Klimaticket wird bleiben. Ich halte es für eine positive Maßnahme, die gut angenommen wird. Damit haben wir einen guten Weg gefunden, um vernünftige Klimapolitik auch praktisch umzusetzen.
Wenn 2027 die CO2-Bepreisung in das Europäischen System ETSII überführt wird, wird der Sprit-Preis – aller Voraussicht nach – rasch um circa 50 Cent steigen. Wie wollen Sie damit umgehen?
Derzeit haben wir einen CO2-Preis von 55 Euro pro Tonne, was einem Aufpreis von ca. 15 Cent entspricht. Ein Aufpreis von ca. 50 Cent würde einem CO2-Preis von über 200 Euro entsprechen, das ist ein absolutes Extremszenario, was Expert:innen erst nach 2030 sehen. Klar ist: Die CO2 -Bepreisung schafft Planungssicherheit für Wirtschaft und Gesellschaft, um rechtzeitig auf Alternativen zu setzen. Wir müssen jedoch ein besonderes Augenmerk auf vulnerable Bevölkerungsgruppen legen.
Stichwort Verbrennerverbot: Die Zustimmung der Österreicher:innen ist laut einer aktuellen Umfrage des ÖAMTC mit rund 10 % sehr niedrig. Die Evaluierung dieser Maßnahme wird schon heuer durchgeführt. Soll es bei dem Verbot bleiben?
Die Bundesregierung bekennt sich klar zu den Zielen des European Green Deal. Die aktuelle Diskussion, um den Fahrzeugherstellern etwas mehr Luft zu verschaffen, sehe ich jedoch positiv. Hier sind wir auch im besten Einvernehmen innerhalb der Regierung mit meinem Kollegen Bundesminister Hattmannsdorfer. Bei der Umsetzung ist es wichtig, alle Partner einzubeziehen – auch die Zulieferindustrie, die in den letzten Jahrzehnten eine beeindruckende Entwicklung gemacht hat. Wir sollten hier sehr pragmatisch an die Sache herangehen. Wir dürfen die Menschen auf diesem Weg nicht verlieren.
Haben Sie eine Vorstellung, wie die Akzeptanz von E-Mobilität bei den Kundinnen und Kunden gesteigert werden kann?
Information ist da ein ganz wichtiger Faktor und auch, dass man einfach zahlen kann. Der Ladeinfrastrukturausbau ist mir hier besonders wichtig, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Diesbezüglich haben wir viel vor. Die Menschen wollen vorab wissen, wo sie ihre E-Autos zu welchem Preis tanken können. Hier sind laufend Verbesserungen geplant.
Sie würden also eine Art Roaming-Regulierung beim E-Tanken befürworten?
Ja, der Ausbau eines flächendeckenden Roaming-Systems beim Laden von E-Autos ist ein wichtiger Schritt zur Förderung der Elektromobilität. So erleichtern wir deutlich den Zugang zu Ladeinfrastruktur.
50, 100, 130: Wie stehen Sie zu den gültigen Tempolimits?
Die Tempolimits sollen so bleiben, wie sie sind. Spezial-Tempo-Situationen zu generieren, weil es vielleicht für die eine oder andere Lobby schön wäre, schließe ich aus. Dafür ist das Thema Verkehrssicherheit zu wichtig.
Stichwort verkehrsberuhigte Innenstädte: Im Koalitionsprogramm ist angekündigt, in der StVO ein elektronisches Zufahrtsmanagement festzuschreiben. Wie stehen Sie zum ÖAMTC-Vorschlag, wie bei Fußgängerzone oder Begegnungszone bundes-einheitlich festzulegen, unter welchen Rahmenbedingungen und mit welchen Ausnahmen es erfolgen darf?
Die Städte haben unterschiedliche Bedürfnisse, der Bund gibt den Rahmen vor. Daher halte ich es für sinnvoll, die Entscheidungshoheit auch bei den Städten zu belassen. Es gibt in Österreich etwa 20 Orte, die sich mit solchen Zufahrtsregelungen beschäftigen, und die Ausgestaltung muss immer an die lokalen Gegebenheiten angepasst werden. Es geht nicht darum, den Verkehr grundsätzlich zu verbieten, sondern um sinnvolle Steuerung und Verbesserungen, zum Beispiel für bestimmte Zeiten oder ausgewählte Bereiche. Ausnahmen müssen möglich sein, etwa für Anrainer, Wirtschaftstreibende oder in besonderen Situationen.
Insgesamt bin ich überzeugt, dass die Städte und Gemeinden am besten wissen, was vor Ort funktioniert. Der Bund gibt hier lediglich einen Rahmen vor, sollte aber genug Gestaltungsspielraum für lokale Lösungen lassen.
Die Mobilitätswende muss für die Menschen finanzierbar bleiben!
Peter Hanke, Bundesminister für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Sprechen wir noch über E-Fuels: Wasserstoffbasierte Kraftstoffe braucht es auf alle Fälle für Flugverkehr und Schifffahrt. Dennoch wird kaum investiert, weil die Regeln auf EU-Ebene sehr restriktiv sind. Sollen sie angepasst werden?
Ich bin offen für eine breite Diskussion über E-Fuels in gewissen Bereichen. Gerade im Schwerverkehr, bei Lkw und in der Industrie werden E-Fuels und Wasserstoff künftig eine wichtige Rolle spielen. Im Pkw-Bereich sehe ich weniger Potenzial, aber für Flug- und Schiffsverkehr sind diese Technologien unerlässlich. Mein Team im Ministerium arbeitet intensiv daran, hier in den nächsten Monat einen ausgewogenen Vorschlag zur Weiterentwicklung der Zielsetzungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie in einem neuen Kraftstoffgesetz vorzulegen. Wichtig ist, dass wir die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sowohl verkehrspolitisch als auch industriepolitisch Anreize für neue Technologien gesetzt werden. Für die Luftfahrt beispielsweise gilt seit diesem Jahr bereits eine Beimischungsverpflichtung für Sustainable Aviation Fuels (SAF). Hier ist unser Ziel einerseits, dass Produktionskapazitäten in Österreich ausgebaut werden, andererseits, dass die Kosten im Vergleich zu fossilem Treibstoff stetig reduziert werden. Nur so erreichen wir den Markthochlauf und die damit verbundenen Einsparungen bei den Treibhausgasen.
Der ÖAMTC und freie Werkstätten benötigen einen freien Zugang zu Daten aus dem Auto. Manche Automobilhersteller erschweren diesen Zugang allerdings. Was werden Sie tun, um dem Thema auf EU-Ebene Nachdruck zu verleihen?
Ich setze auf persönliche Gespräche mit meinen Kollegen in Brüssel sowie mit der EU-Kommission, um darüber zu diskutieren. Das gleiche gilt auch für andere Verkehrsthemen. Dabei denke ich etwa an den Transitverkehr, der uns mit Deutschland und Italien eine starke Verbindung bringt. Auch hier wird es zunächst Gespräche und dann hoffentlich gemeinsame, gute Umsetzungsschritte geben. Dabei handelt es sich allerdings um Herausforderungen, die vermutlich nicht in einem Jahr zu lösen sein werden, sondern einen längeren Zeitraum und einen längeren Atem benötigen.
Seit Juli 2024 müssen bestimmte Fahrerassistenzsysteme wie Geschwindigkeitsassistenten oder Aufmerksamkeitswarner in neu zugelassenen Pkw in der EU serienmäßig verbaut sein. Vielfach funktionieren sie aber nicht optimal oder lenken die Fahrer:innen sogar ab. Wie stehen Sie zu diesen Systemen?
Der Innovationsschub ist zu begrüßen, andererseits braucht es immer Zeit, bis wir uns an den Einsatz und den Umgang damit gewöhnen. Advanced Driver Assistance Systems haben primär das Ziel zu unterstützen und die Fahrt zu erleichtern bzw. die Sicherheit zu erhöhen. Wir müssen dort nachschärfen, wo diese Systeme die Fahrer:innen zu sehr ablenken.
In die Zukunft gedacht, wie und mit welchen Maßnahmen wollen Sie den Österreichern als Verkehrsminister in Erinnerung bleiben?
Damit, dass ich das getan habe, was das Wichtigste ist: die Effizienz zu erhöhen. Dafür müssen wir die Digitalisierung und die KI in alle Prozesse der Verkehrsträger und der Verkehrsdienstleistungen einbinden. Am Ende werden wir dadurch schneller und pünktlicher von A nach B kommen.
Mobilitäts-Wordrap
Ich habe einen B-Führerschein seit... meinem 18. Lebensjahr.
Privat fahre ich... einen Mercedes-Benz.
Sind Sie schon einmal schneller als 130 auf der Autobahn gefahren? Wenn, dann nur sehr, sehr kurz.
Das letzte Mal mit Öffis gefahren bin ich… im März dieses Jahres in Wien bzw. Ende April mit dem Nightjet nach Bregenz.
Mit dem Fahrrad war ich das letzte Mal… im Herbst unterwegs.
Mobil zu sein, bedeutet für mich… Freiheit