Bienen auf Pole!

Wenn ein Formel-1-Weltmeister wie Sebastian Vettel sich als Botschafter für ein österreichisches Bienen-Projekt einsetzt, dann hat er sein Leben verändert. Wie, verrät er im Talk mit auto touring. 

Give Bees a Chance! Trotz Kälte und Corona kam Sebastian Vettel nach Wien. Gemeinsam mit dem ÖAMTC und Prominenz aus Sport und Politik unterstützt er das Bio-Bienen-Apfel-Projekt der steirischen Firma Frutura.

Vettel weiß, wovon er spricht: Im ersten Lockdown absolvierte der vierfache Formel-1-Weltmeister ein Bio-Bauern-Praktikum. Und auch sein privates Umfeld hat er nachhaltig umgekrempelt, lebt achtsamer als früher. Er sagt, es fühlt sich richtig an. Vielleicht ist das sein größter Sieg.

Vettel for Future

— Wenn sich ein Formel-1-Weltmeister als Botschafter für ein Bienen- und Bio-Äpfel-Projekt einsetzt, dann wundert man sich: Was hat ein Rennfahrer mit Bienen am Helm?

Sebastian Vettel: Gut so. Wenn sich die Leute wundern, heißt das auch, dass sie sich Fragen stellen. Und genau darum geht es bei dem Thema. Okay, in sich ist es vielleicht ein Widerspruch, aber die Zukunft geht uns alle an. Und ich glaube, wir alle wollen an dem Leben, das wir kennen, festhalten, es sogar noch besser gestalten. Allein deshalb wird dieses Bienen-Projekt als Gesellschafts-Projekt große Bedeutung haben und viele Menschen erreichen.

Und jeder kann leicht etwas dazu beitragen – indem er sein Samen-Packerl aufreißt und ein Stück Blumenwiese auf dem Balkon oder im Garten pflanzt. Und einfach mehr Lebensraum für Bienen schafft.

— Und wie sehen das deine Rennfahrer-Kollegen in der Formel 1?

Sebastian Vettel:Lewis Hamilton und ich tauschen uns immer wieder über Klima- und Umwelt-Themen aus. Aber die meisten Formel-1-Piloten verfolgen nur ihre eigenen Interessen.

— Bist du überrascht, dass ein Mobilitätsclub wie der ÖAMTC da mitmacht und sogar Saatgut für Wiesenblumen, sprich Bienen­futter, an seine Mitglieder verteilt?

Sebastian Vettel:Ich finde das toll. Überrascht mich aber nicht. Wir leben in einer Zeit, wo mehr und mehr verstanden wird, dass wir uns vor Themen wie Nachhaltigkeit, Klima und Umwelt nicht mehr verstecken können.

Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätten sich die Leute noch gefragt: Was hat das mit dem ÖAMTC und uns Autofahrern zu tun? Das Verständnis ist mittlerweile gewachsen und wächst weiter.

— Löst bei dir gerade eine neue Leidenschaft eine andere ab, die fürs Rennfahren?

Sebastian Vettel:So kann man das nicht ausdrücken. Jeder Mensch sollte mehrere Interessen haben. Für mich ist das ein spannendes Thema, das ich über die Jahre für mich entdeckt habe. Und dass es Sinn macht, ist wohl unbestritten.

— Formel-1-Piloten steckt man gern als Speed-Junkies und Petrolheads in eine Schublade. Daher die Frage: Wird das, was du punkto Nachhaltigkeit und Klima zu sagen hast, überhaupt angenommen, auch akzeptiert?

Sebastian Vettel:Ob es akzeptiert wird oder nicht, ist mir letzten Endes wurscht. Es geht darum, für Dinge, die mir wichtig sind, ein- und auch aufzu­stehen. Klar, viele zeigen mit dem Finger auf mich. Das schießt am Ziel vorbei. Es sollte darum gehen, was jemand macht, anstatt was er nicht macht.

Dass die Formel-1-Rennen international abgehalten werden, kann ich nicht ändern, nur schwach beeinflussen. Aber dass man den Rennkalender effektiver ge­stalten könnte, das gehört angesprochen. Es macht keinen Sinn, für ein Rennen zuerst an das eine Ende der Welt zu fliegen, danach an das andere und dann zurück nach Europa.

— Lebst du jetzt achtsamer?

Sebastian Vettel:Vor jeder Veränderung im Leben steht das Bewusstwerden. Natürlich bin ich achtsamer als früher. Das fängt im Großen an: So ver­suche ich auf unnötige Reisen zu verzichten. Was Treffen und Besprechungen angeht, kann ich vieles digital abhandeln. Reiserouten wähle ich sorgsam aus, um dieses unnötige Hin und Her zu vermeiden. Rennen in Eu­ropa werde ich großteils mit dem Auto an­fahren, durchaus auch einmal mit dem Zug. Das sind die Dinge, die ich konkret von oben nach unten für mich gerade optimiere.

Promis als Protagonisten

— Und was hast du alles in deinem privaten Umfeld verändert?

Sebastian Vettel:Ich habe zu Hause den Stromanbieter gewechselt, auf 100%ig erneuerbare Energien. Hab auch eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach, fahre ein Elektroauto und versuche gerade in meinem Garten ausreichend Platz für eine Blumenwiese zu schaffen.

— Hat sich in deinem Konsum-Verhalten etwas geändert?

Sebastian Vettel:Ich lebe einfach effizient. Effizienz ist ja auch Formel 1. Ich prüfe mich permanent: Brauche ich immer neue Sachen? Nein! Nicht, dass ich in alten Kleidern rumlaufen will.

Ernährung ist ein großes Thema: Zum Beispiel esse ich gerne Fleisch. Aber ich frage, wo das Fleisch herkommt, wie die Tiere gehalten und womit sie ernährt wurden. Da scheiden schon viele Anbieter aus. Ich hinterfrage auch: Brauche ich jeden Tag Fleisch? Natürlich nicht! Auch meine Eltern und Großeltern hatten nicht jeden Tag Fleisch auf dem Teller.

Vor zehn Jahren hatte ich noch viele Getränke wie Wasser oder Apfelsaft in Plastikflaschen im Kühlschrank. Heute nicht mehr. Auch da ist mir wichtig: Effizient einkaufen, um die Schlepperei zu vermeiden und trotzdem auf nichts verzichten zu müssen.

— Produzierst du selbst Lebensmittel?

Sebastian Vettel:In kleinem Rahmen. Ich backe zwar Brot, baue aber noch kein Getreide an (lacht).

— Gibt es Menschen, die dich zum Thema Umwelt inspirieren?

Sebastian Vettel:Manfred Hohensinner, Initiator des Bio-Bienen-Apfel-Projekts, war für mich ab dem ersten Kennenlernen eine Inspiration. Auch die Jugend finde ich toll. Weil sie sich traut, aufzustehen, aktiv zu werden. Und Fridays for Future mit Greta Thunberg als Leitfigur.

— Glaubst du, wäre Greta Thunberg dir gegenüber skeptisch, einfach weil du Formel-1-Fahrer bist?

Sebastian Vettel:Wir kennen uns nicht persönlich, aber was meinen Beruf angeht, wahrscheinlich schon. Ich denke, sie hat da ein sehr klares Bild von gut und nicht gut.

— Mobilität und Wohlstand gelten als Errungenschaften. Nun scheint es aber, als würde unser Planet damit nicht mehr zurecht kommen. Was sollte oder muss deiner Meinung nach geschehen?

Sebastian Vettel:Da sind wir wieder beim Bewusstwerden. Jeder muss sich fragen, wo und wann er auf sein Auto verzichten kann, vielleicht besser mit dem Fahrrad fährt. Abgesehen davon, dass es gesünder ist. Das sind kleine Dinge. Vielleicht sollten wir auch nicht mehr an gewissen Dingen und Verhaltensweisen festhalten, nur weil sie schon immer so waren.

Ohne zu spinnen: Die Frage ist, ob wir in 20 bis 30 Jahren noch Autos fahren müssen. Vielleicht gibt's eine App, die wir antippen und dann kommt ein selbstfahrendes Auto daher und fährt uns, wohin wir wollen. Fakt ist: Es geht darum, Fesseln im Kopf zu lösen und einfach freier zu denken.

— Frei denken – das heißt konkret was?

Sebastian Vettel:Entscheidend ist die Innovation. Es gilt neue Technologien zu fördern, Vorreiter-Rollen einzunehmen und sich zu trauen, Dinge anders zu machen.

Autos werden auch in Zukunft noch fahren und nicht schweben. Aber wie werden Autos fahren, wie werden sie angetrieben? Noch ist nicht klar, ob das ein Elektromotor sein wird, der deutlich effizienter ist als die Aggregate, die wir kennen. Es wird auch sicher noch mehr Reichweite erzielt werden. Oder eine andere Form von Treibstoff, mit dem herkömmliche Verbrennungsmotoren gut klarkommen.

Wenn sich nur einer oder zwei davon ange­sprochen fühlen, wofür ich stehe, dann hat mein Engagement seinen Zweck erfüllt.

Sebastian Vettel, 4-facher Formel-1-Weltmeister

— Elektro-Mobililtät ist nicht mehr aufzuhalten, mit nachhaltigen Kraftstoffen soll sogar Motorsport CO2-neutral werden. Die Richtung stimmt doch, oder?

Sebastian Vettel:Ich denke, es ist ganz wichtig, dass die Richtung vorgegeben wird. Ob sich die dann als richtig herausstellt, muss abgewartet werden. Wichtig ist, dass man bei diesem Thema nicht vom Gas geht, sondern voll am Gas stehen bleibt und immer weiter forscht. Bestreben ist eine Sache, die Umsetzung eine andere.

Was die Formel 1 betrifft: 2025 ist noch relativ weit weg und bis dahin muss sicher noch sehr viel getan werden. Ausruhen dürfen wir uns bis dahin nicht. Dass die Formel 1 sich als Sport hinterfragen und neu erfinden muss, ist eine Tatsache. Sonst glaube ich, dass sie irrelevant und unleistbar wird. Das mag düster klingen, aber man muss die Chance darin sehen. Ideen gibt es in Fülle. Das Potenzial an Innovationsgeist und Ingenieursleistungen ist enorm. Die Entscheidungsträger sind am Zug, die Formel 1 in die richtige Richtung zu lenken.

— Möchtest du später einmal als Formel-1-Weltmeister oder lieber als Kämpfer für Nachhaltigkeit wahrgenommen werden?

Sebastian Vettel:Weder noch, wenn ich ehrlich bin. Als guter Vater. Vielleicht irgendwann als Großvater. Die Wahrnehmung von außen war mir nie so wichtig. Aber mir ist bewusst, dass ich eine gewisse Inspiration sein könnte. Und wenn sich nur einer oder zwei davon ange­sprochen fühlen, wofür ich stehe, dann hat mein Engagement seinen Zweck erfüllt.

Welt-Bienen-Tag: Wiesenblumen-Samen für ÖAMTC-Mitglieder

Es soll brummen und summen. Als größter Mobilitätsclub Österreichs ist dem ÖAMTC ein verantwortungsvoller, nachhaltiger Umgang mit der Umwelt seit jeher ein Anliegen. Darum möchte der Club seine Mitglieder motivieren und unterstützen, die Lebensgrundlage der Bienen zu erhalten und weiter zu vergrößern. 

Im Sinne der Erhaltung der Artenvielfalt an Insekten werden in 22 ÖAMTC-Standorten ungenützte Grünflächen mit Wiesenblumen bepflanzt. Also bestes Bienenfutter auf einer Gesamtfläche von insgesamt 5 Hektar.

Am Welt-Bienen-Tag, dem 20. Mai, verteilt der ÖAMTC an allen Stützpunkten – solange der Vorrat reicht – Bienenwiesen-Saatgut-Päckchen an seine Mitglieder.