Polizei am Prüfstand

Eine ÖAMTC-Umfrage stellt der Verkehrspolizei ein gutes Zeugnis aus. Aber viele meinen, es sollten mehr Delikte kontrolliert werden.

Zwei Sätze im Leitartikel der Mai-Ausgabe dieses Magazins waren es, die Mitarbeitern und Führungskräften der Verkehrspolizei gleichermaßen aufstießen: "Es ist Aufgabe der Exekutive, Verkehrsverstöße zu ahnden", schrieb Chefredakteur Peter Pisecker. Und: "Dass die Polizei dieser Aufgabe nur punktuell nachzukommen scheint und bei vielen Bürgern der Eindruck entsteht, dass sie sich dafür bequeme Straßenabschnitte, leichte Ziele und gutes Wetter aussucht, wäre Gegenstand einer längeren Diskussion."

Dabei hatte der Chefredakteur nur artikuliert, worüber sich Clubmitglieder regelmäßig in E-Mails beschweren: dass etwa nicht mehr geblinkt oder grundlos auf der Mittelspur gefahren wird – ohne dass die Exekutive einschreite. Denn die lauere, so sinngemäß die Meinung der Leser, lieber mit der Radarpistole im Busch. Und das vorzugsweise an harmlosen, ungefährlichen Stellen.

Handelt es sich dabei nur um Einzelmeinungen oder um die Mehrheits-Meinung der Mitglieder? Eine "Am Puls"-Online-Umfrage des ÖAMTC zum Thema "Polizeistrafen und Kontrollen" mit einem repräsentativen Sample von 1.682 Mitgliedern sollte Klarheit bringen. Und Erkenntnisse liefern, wie zufrieden diese mit der Verkehrspolizei sind.

Was Clubmitglieder über die Polizei sagen

An Erfahrung im Umgang mit der Polizei mangelte es den Umfrage-Teilnehmern nicht: 92 % von ihnen wurden bereits mindestens einmal angehalten, drei Viertel in den letzten fünf Jahren, die große Mehrheit davon im Ortsgebiet. 32 % erhielten im Zuge der Kontrolle auch eine Verkehrsstrafe. 8 von 10 empfanden diese als gerecht, 2 von 3 als angemessen in ihrer Höhe – aber nur jede/-r Fünfte als zu hoch. Über die Gesamthöhe aller in Österreich im Zuge von Verkehrsdelikten verhängten Strafen gibt es übrigens keine offiziellen Angaben, Insider schätzen das Volumen auf 500 Millionen Euro.






Sperrlinien werden immer öfter ignoriert. Warum gibt es keine Sanktionen?






ÖAMTC-Mitglied Hans Fischer, Marchtrenk


Der Löwenanteil davon dürfte aus Strafen für Tempoüberschreitungen stammen – immerhin haben 80 % der Clubmitglieder schon mindestens einmal aus diesem Grund bezahlen müssen (59 % davon halten übrigens das Tempolimit, dessen Überschreitung zur Strafe geführt hat, an dem betreffenden Abschnitt für nicht gerechtfertigt).

Konzentriert sich die Polizei zu sehr auf dieses Thema? "Ja", meint jede/-r Dritte der online Befragten.

Das sagt das Innenministerium dazu

"Autofahrer sind Täter und Opfer zugleich", sagt Generalmajor Martin Germ, im Innenministerium zuständig für die Koordination der Landes-Verkehrsabteilungen der Polizei. "Die Autos werden immer besser, subjektiv denken viele, da kann ich schneller fahren – und überschreiten das Limit." Das tun immer mehr: Im letzten Jahr gab es rund 4,8 Millionen Anzeigen und Organmandate.






Radfahrer scheren sich nicht um die Straßenverkehrs-ordnung – aber keinen Polizisten interessiert das.






ÖAMTC-Mitglied Manfred Swietli, Wien


Weiterer Vorwurf: 76 % der Clubmitglieder sind der Meinung, dass meist nicht dort kontrolliert wird, wo es notwendig wäre – sondern dort, wo am leichtesten Geld zu machen ist. Was Generalmajor Germ entschieden zurückweist: "Die Überwachungsstandorte legt die Behörde fest. Die Standorte für Kontrollen mit Radargeräten werden definitiv nicht danach ausgewählt!" Nachsatz: "Wenn das so wäre, könnten wir die Anzahl der Anzeigen massiv steigern."

Vielmehr gelte es, strikte Regeln einzuhalten: "Ausschlaggebend ist, wie viele Unfälle es in einem definierten Zeitraum auf einem bestimmten Abschnitt gibt, und wie viele Tempoüberschreitungen dabei im Spiel waren."

Der Meinung von auto touring-Leser Lorenz Denner, der von einem Kommandanten gehört haben will, "dass die Kollegen abends etwas heimbringen müssen", widerspricht Germ explizit: "Zentrale Vorgaben gibt es nur hinsichtlich der Kontrollstunden, also der Zeit, in der das Radar- oder Lasergerät bedient wird. Aber sicher nicht, was die Anzahl der Anzeigen oder die Summe der verhängten Strafen betrifft."

Es gibt Anzeigen wegen Verstößen gegen das Rechtsfahrgebot. Aber für uns ist das kein Schwerpunktthema.

Generalmajor Martin Germ, Leiter Verkehrsdienst der Bundespolizei

Immerhin aber meint eine qualifizierte Mehrheit der Clubmitglieder (64 %) – auch das ergab die Online-Umfrage des ÖAMTC –, dass die Polizei einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit leistet. Den 30.000 Polizisten, von denen ein großer Teil ihren Dienst auf Österreichs Straßen ihre Arbeit verrichtet, stellten die Befragten generell ein noch viel besseres Zeugnis aus: Sie werden als höflich, geduldig, erklärungsbereit und wohlwollend empfunden (siehe Grafik). Und, überraschend: 70 % wünschen sich mehr sichtbare Polizeipräsenz auf den Straßen und 33 % mehr Zivilstreifen.

Rücksichtlosigkeit und Missachtung des Rechtsfahrgebots sollten öfter kontrolliert werden

Aber kontrolliert die Polizei überhaupt das Richtige? Nicht unbedingt, sagen die Clubmitglieder des ÖAMTC. 28 % sagen, es gibt zu viele Tempokontrollen, 76 % sind gleichzeitig der Meinung, die Polizei mache zu wenig gegen aggressives oder rücksichtsloses Fahren. Auch ganz oben in der Hitliste der polizeilichen Kontroll-Versäumnisse (Grafik) finden sich aber auch "Mittelspurfahren" oder unterlassenes Blinken.

Schaut die Polizei da wirklich weg, wie viele behaupten, wird das nie kontrolliert? "Es gibt Anzeigen gegen Verstöße des Rechtsfahrgebots", stellt Generalmajor Germ klar, "aber für uns ist das kein Schwerpunkt-Thema." Auf den Autobahnen könnte man theoretisch automatisiert überwachen, wer grundlos auf der linken oder der mittleren Spur fahre, wenn man die entsprechende Technik installieren würde, räumt er ein. Das erlaube der Gesetzgeber aber nicht. "Außerdem ist das Delikt keine aktive Unfallursache."






Die Polizei verzichtet anscheinend bewusst auf die Kontrolle der Einhaltung des Rechtsfahrgebots.






ÖAMTC-Mitglied Dieter Auer, Leonding












ÖAMTC-Mitglied Dieter Auer, Leonding


Ähnlich argumentiert Germ auch, warum die Polizei unterlassenes Blinken nur punktuell verfolgt. Es werde vermutlich nur wenige Tausend Anzeigen geben, denn: "Wir müssen unsere Ressourcen auf die Unfallprävention konzentrieren." Großes Augenmerk werde daher auf überhöhte Geschwindigkeit, mangelnde Aufmerksamkeit, Alkohol und das Einhalten des Sicherheitsabstands gelegt.

Bei der Kontrolle des Telefonierens ohne Freisprecheinrichtung, für die sich Clubmitglieder mehr Beachtung wünschen, sind der Exekutive quasi die Hände gebunden: Das Delikt ist nur im Zuge einer Anhaltung zu ahnden. Und doch gibt es rund 130.000 Anzeigen pro Jahr. Genauso viele wie für jene, die nicht angeschnallt waren.