Aus für 'Verbrenner' – und dann?

Ab 2035 dürfen Pkw mit Verbrennungsmotor nicht mehr neu zum Verkehr zugelassen werden. Was hinter dem europäischen Klimaplan steckt.

Es ist wahrscheinlich die größte und schwierigste Mobilitäts-Veränderung seit dem Umstieg von der Pferdekutsche aufs Automobil: Das "Verbot von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035" beherrscht seit Wochen die Schlagzeilen und dominiert heiße Debatten an den Stammtischen.

Was aber sind wirklich die Fakten?

Der Reihe nach: Ausgangspunkt der Aufregung ist der Beschluss der neuen Klimaziele in der Europäischen Union. Unter dem Stichwort "Green Deal" war vorgesehen, dass in der EU die Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden sollen und bis 2050 Netto-Klimaneutralität erreicht wird.

2021 wurde daraus das jetzige Europäische Klimagesetz, kurz darauf gab es verpflichtende Vorgaben für die Pkw-Flottenverbräuche der einzelnen Hersteller. Autoproduzenten, die sich nicht daran halten, drohen empfindliche Strafzahlungen.

Die EU-Kommission sieht in der Verschärfung der Emissionsnormen für Pkw einen zentralen Hebel zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele.

Das sagen ÖAMTC-Mitglieder

Erstzulassung nur noch ohne CO2-Emissionen

Das so genannte "Verbrennerverbot" ist die Vorgabe, dass die Flottenverbräuche laufend weiter abgesenkt werden und in zwölf Jahren schließlich auf null reduziert sein sollen.

In der Praxis bedeutet das, dass ab 2035 Pkw oder leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen nur noch dann erstmals in der Europäischen Union zugelassen werden dürfen, wenn sie keine Auspuff-Emissionen ausstoßen.

Wichtig ist also: Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die vor 2035 erstmals zum Verkehr zugelassen werden, dürfen – nach derzeitigen Beteuerungen der Politik – auf unbegrenzte Zeit weitergefahren und als Gebrauchtwagen auch weiterverkauft werden.

Dieser Plan wirft natürlich eine ganze Reihe von Fragen auf. Zunächst einmal wird der Skeptiker fragen: Ist das alles schon in trockenen Tüchern oder kann man da noch etwas ändern?

Im Gegensatz zu dem, was die Schlagzeilen suggerieren, ist das "Verbrenner-Aus ab 2035" noch nicht formal gültig. Was bisher existiert, ist ein Einigungspapier zwischen EU-Kommission, Parlament und Rat, das 2023 formal in Kraft treten soll.

In diesem durchaus schwierigen Einigungsprozess sind immer mehr Fragezeichen über die praktische Durchführbarkeit des ehrgeizigen Vorhabens aufgetaucht. Um dem zu begegnen, war beschlossen worden, dass der Plan in drei Jahren, also 2026, neuerlich auf den Tisch kommt und dann eventuell teilweise abge­ändert werden kann.

Life-Cycle-Analyse

Zuvor aber wird das Jahr 2025 in einer anderen Hinsicht eine wichtige Weichenstellung bringen. Denn bis dahin muss die EU-Kommission nach dem Vorbild der Life-Cycle-Berechnungen des ÖAMTC eine Methode zur Berechnung nicht nur der Auspuff-Emissionen, sondern der Gesamt-Emissionen eines Fahrzeuges von der Produktion bis zur Verschrottung vorlegen.

Sollten Kommission, Parlament und Rat sich dann auf diese Vorlage einigen können, stünde in Zukunft eine einheitliche Methode zur Verfügung, die gesamten Emissionen ­eines Fahrzeuges über seinen ganzen Lebens­zyklus hinweg zu bestimmen. Das ist nicht nur vielen ÖAMTC-Mitgliedern im Hinblick auf Produktion und Verwertung von Elektroautos ein besonders wichtiges Anliegen.

Eine Art Alleingang stellt der ehrgeizige Plan im internationalen Vergleich durchaus dar. Derzeit ist nur bekannt, dass Kanada und der US-Bundesstaat Kalifornien ähnliche Zeitpläne vorgegeben haben – allerdings ohne Festlegung auf eine bestimmte Technologie. China plant zwar ebenfalls eine deutliche Reduzierung der "Verbrenner", transparent sind diese Vorhaben aber nicht.

Das Verbrennerverbot ab 2035 führt uns in eine Sackgasse, weil es verhindert, dass eine ­signifikante Produktion von E-Fuels entsteht. Aber ohne E-Fuels werden wir die Klimaziele krachend verfehlen.

Bernhard Wiesinger, Chef der ÖAMTC Interessenvertretung

Die neuen Klimaziele der EU sind nach Ansicht des ÖAMTC durchaus ambitioniert, sie werden aber mit einer Lösung, die nur auf Elek­tromobilität setzt, keinesfalls erreicht werden können. Der Club setzt darauf, dass Verbrennungs­motoren mit klimaneutral erzeugten Kraftstoffen (z.B. E-Fuels) weiter betrieben werden können.

Ein aktueller Test (siehe weiter unten "Was können E-Fuels?") zeigt die Praxistauglichkeit dieser Kraftstoffe bei derzeit im Alltagseinsatz stehenden Pkw. Denn die Kalkulation der EU, dass Batterie-elektrische Fahrzeuge klimaneutral sind, beruht auf dem künftigen Wunsch-Strommix in den Ländern der Europäischen Union. Und das ist wohl auch einer der größten Schwachpunkte des derzeit vorliegenden Plans, dass er eben einseitig auf Elektroautos setzt und nicht – wie es in der Fachsprache heißt – "technologieoffen" bei der Erreichung seiner durchaus wünschenswerten Ziele ist.

Nach Ansicht des ÖAMTC ist dieser Fehler durchaus noch zu korrigieren, wenn eben – spätestens 2026 bei der Überprüfung des Plans – auch klimaneutral erzeugte Kraftstoffe anerkannt werden.

E-Autos auf dem Vormarsch?

Noch sind Elektroautos in der Anschaffung deutlich teurer als vergleichbare "Verbrenner". Und die kräftigen Preissprünge beim Strom in den vergangenen Monaten haben, gelinde gesagt, nicht gerade dazu beitragen, dass große Euphorie für diese Technologie ausbricht.




Je näher das Stichjahr rückt, desto mehr elektrifizierte Fahrzeuge werden auf den Markt kommen.






Günther Kerle, Sprecher Arbeitskreis Automobilimporteure


Dennoch werden alle Hersteller auf Zero-Emission-Fahrzeuge setzen, um ihre Flottenziele zu erreichen und hohe Strafzahlungen zu vermeiden. Und zwar schon ziemlich rasch, denn die Grenzwerte sinken ja nicht erst mit dem Stichjahr 2035, sondern auch laufend in den Jahren bis dahin.

"Je näher das Stichjahr rückt, desto mehr elektrifizierte Fahrzeuge werden auf den Markt kommen", betont daher auch Günther Kerle, Sprecher des Arbeitskreises der Automobilimporteure. "Da die Zulieferprobleme andauern, werden Wartezeiten so schnell nicht kürzer und die Preise tendenziell hoch bleiben" (siehe Kommentar weiter unten).

Der ÖAMTC rechnet jedenfalls schon bis 2030 mit einer starken Zunahme von Batterie-elektrischen Modellen. Wobei es durchaus passieren kann, dass Hersteller die Preise für "Verbrenner" erhöhen werden, um den Verkauf von E-Autos anzukurbeln, auf diese Weise das Flottenziel zu erreichen und Strafzahlungen zu vermeiden.

Betroffen von den Klima-Plänen sind derzeit nur Pkw (Klasse M1) und leichte Nutzfahrzeuge (Klasse N1). Ausgenommen sind zum Beispiel Wohnmobile, Kranken­wagen, landwirtschaftliche Maschinen, rollstuhlgerechte Fahrzeuge oder auch Leichenwagen. Eine neue Abgas-Verordnung für Lkw wurde zwar für 2022 angekündigt, jedoch auf 2023 verschoben.

Und wen es interessiert: Rasenmäher beispielsweise dürfen weiterhin mit Verbrennungsmotoren betrieben werden, auch Diesel-Lokomotiven wird es weiter geben. Hier sollen andere Maßnahmen greifen, die bei geringeren Treibhausgas-Emissionen des Kraftstoffes selbst ansetzen.

Wie sich die Autohersteller vorbereiten

Eine Umfrage des auto touring bei den Autoimporteuren hat ergeben, dass die Vorbereitungen für das "Verbrennerverbot" bereits voll im Gang sind: Mehr und mehr werden die Modellpaletten auf E-Antrieb umgestellt.

— VW etwa will in sieben Jahren 50 reine E-Modelle anbieten. 2026 wird VW letztmals eine neue Plattform für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren vorstellen, die letzten "Verbrenner" der Marke werden zwischen 2033 und 2035 verkauft werden.

— Bei Audi wird schon 2033 Schluss sein, bei Cupra 2030. Škoda soll bis dahin immerhin einen Elektro-Anteil von 70 Prozent aller verkauften Autos erreicht haben.

— Bei Porsche sollen 2030 schon mehr als 80 Prozent der verkauften Fahrzeuge mit Elektromotor ausgeliefert werden – als reines E-Auto oder Plug-in-Hybrid.

— BMW kann (oder will) derzeit nicht ­sagen, bis wann noch Neuwagen dieser ­Marke mit Verbrennungsmotor auf den Markt kommen werden. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll eine "Neue Klasse" (ab 2025 im Vertrieb) mit "kompromisslosem" E-Antrieb die Hälfte des BMW-Umsatzes ausmachen, wobei weltweit auf eine einheitliche Strategie gesetzt wird. Mini wird 2030 vollelektrisch.

— Bei Mercedes werden schon ab 2025 alle neuen Fahrzeug-Architekturen rein elek­trisch sein, im gleichen Jahr werden drei neue E-Plattfomen eingeführt. Auch für die Stuttgarter ist eine flächendeckende Ladeinfrastruktur "ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für die E-Mobilität", weshalb man die Kooperationen für Ladeparks ausbaut und Ladestationen an Fernstraßen forciert.

— Bei den Stellantis-Marken Peugeot, Citroën, Fiat und Opel werden, je nach Marken unterschiedlich, spätestens ab 2023 alle Pkw ausschließlich mit Elektroantrieb angeboten werden. Opel beispielsweise bereits ab 2028. "Verbrenner" werden laut Stellantis-Einschätzung auf dem Gebrauchtwagenmarkt noch lange eine Rolle spielen.

— Renault sieht sich als Pionier auf dem Gebiet der Elektrofahrzeuge und kündigt eine zu 100 Prozent elek­trische Modellpalette bis 2030 an. Vollhybride werden noch das gesamte Jahrzehnt über als Alternative ange­boten werden. Man will ebenfalls eigene Schnell-Ladestationen einrichten. Auch bei Renault ist man sich aber darüber im Klaren, dass sogar 2035 noch mehr als die Hälfte der 280 Mil­lionen Fahrzeuge in der EU "Verbrenner" sein werden.

— Wenn das "Verbrennerverbot" für Neuzulassungen 2035 in Kraft tritt, wird auch Kia seine gesamte Fahrzeugflotte elektrisch anbieten können. Schon 2030 werden in ­Europa wahrscheinlich mehr als 60 Prozent der Kia-Neufahrzeuge keine "Verbrenner" mehr sein. Wann das letzte Modell mit Verbrennungsmotor auf den Markt kommen wird, kann man aber noch nicht sagen. Und man glaubt bei Kia, dass Benziner und Diesel in der EU noch sehr lange über das Jahr 2035 hinaus eine Rolle im Gebrauchtwagenmarkt spielen werden.

— Volvo will noch bis 2030 "Verbrenner" in Österreich anbieten, danach hier und weltweit nur noch vollelektrische Fahrzeuge.

— "Verbrenner" von Jaguar werden noch bis 2030, von Land Rover bis 2035 erhältlich sein. Schon viel früher werden alle Modelle auch elektrisch zu haben sein.

— Mazda kann noch keinen genauen Zeitplan nennen, erwartet aber ab 2030 eine starke Verlagerung in Richtung E-Mobilität, der man dann Rechnung tragen werde.

— Honda hat sich zum Ziel gesetzt, dass ab 2030 weltweit 40 Prozent der verkauften Fahrzeuge elektrisch betrieben sind. Ab 2035 sollen es 80 Prozent, ab 2040 100 Prozent sein.

— Bei Hyundai werden so lange es die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben "Verbrenner" ein fixes Angebot in der Fahrzeugpalette darstellen. Bis 2045 will man aber weltweit bei allen Produkten, in der Produktion und auch in der Energieversorgung von Gebäuden CO2-neutral sein. Wer noch lange einen "Verbrenner" fahren wolle, werde sich wohl schon 2034 oder früher um ein solches Fahrzeug kümmern müssen.

— Der chinesisch-schwedische E-Mobil-Hersteller Polestar wünscht sich (naturgemäß) eine raschere Umstellung der Fahrzeugflotte, seiner Ansicht nach würden bei einer Umstellung ab 2035 "Verbrenner" noch mindestens 30 Jahre lang "die Umwelt verschmutzen".

Was können E-Fuels?

Synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, erzeugen im Moment ihrer Verbrennung zwar auch Kohlendioxid (CO2), es entsteht jedoch kein neues. Denn diese Kraftstoffe wurden nicht aus den Tiefen der Erdkruste gefördert, sondern stammen aus dem Labor. Sie werden chemisch hergestellt: aus CO2, das der Umgebungsluft entnommen wird, und Wasser (H2O).

Mit elektrischer Energie werden die Moleküle bei der sogenannten Elektrolyse aufgebrochen. Dann wird, vereinfacht gesagt, Kohlenstoff (C) mit Wasserstoff (H) neu zu Kohlenwasserstoffketten "zusammengesetzt", während der Sauerstoff (O) der Atmosphäre zurückgegeben wird. Die gleiche Menge CO2, die bei der Verbrennung von E-Fuels entsteht, wurde also vorher der Luft oder auch Industrie­abgasen entnommen, zusätzliches CO2 wird dabei nicht produziert.

E-Fuels im Test. Der ÖAMTC hat biogene und synthetische Kraftstoffe auf ihre Praxis­tauglichkeit getestet. Cheftechniker Thomas Hametner: "Beim Betrieb der Testfahrzeuge kam es, unabhängig vom Baujahr, zu keinerlei Problemen. Auch eine Erhöhung der Schadstoff-Emissionen wurde nicht gemessen."

Untersucht wurden synthetisch aus Strom, Wasser und CO2 (das aus der Luft oder direkt aus Industrieabgasen gewonnen wird) erzeugte E-Fuels sowie der Dieselersatz HVO ("Hydrogenated Vegetable Oils", also hydrierte Pflanzenöle), gewonnen aus Altöl und -fett. Während letztere bereits in größerem Maßstab produziert werden, stehen E-Fuels noch am Anfang.

Kommentar Bernhard Wiesinger, ÖAMTC: "Klimaziele so nicht erreichbar"

Alternative Kraftstoffe. In Österreich sind derzeit rund 5,1 Millionen Pkw zugelassen. Und: Wir müssen die CO2-Emissionen bis Ende des Jahrzehnts halbieren. "Um die Klimaziele nur mit E-Autos zu erreichen, müssten wir also bis 2030 etwa 2,5 Millionen davon auf der Straße haben – bei weniger als 250.000 Neuanmeldungen pro Jahr und acht Jahren Zeit geht sich das nicht einmal aus, wenn ab sofort alle neuen Autos elektrisch angetrieben würden", rechnet Bernhard Wiesinger, Chef der ÖAMTC Interessenvertretung, vor.

Für den Club braucht es daher neben E-Autos zusätzlich nachhaltig er­zeugte Kraftstoffe. Mit diesem Sprit lassen sich herkömmliche Benzin- und Diesel-Autos klimaneutral betreiben (siehe Absatz "E-Fuels"). Schließlich werden "Verbrenner" selbst noch in zehn Jahren die Mehrheit im Fahrzeugbestand darstellen. Wiesinger: "Das Verbrennerverbot ab 2035 führt uns in eine Sackgasse, weil es verhindert, dass eine ­signifikante Produktion von E-Fuels entsteht. Aber ohne E-Fuels werden wir die Klimaziele krachend verfehlen."

Der ÖAMTC geht daher davon aus, dass das "Verbrennerverbot" ab 2035 schon bei der vorgesehenen Überprüfung 2026 zurückgenommen werden wird.

Kommentar Günther Kerle, Automobilimporteure: "Preise bleiben tendenziell hoch"

Markteingriffe. "Alle Hersteller setzen auf Zero-Emission-Fahrzeuge, um ihre Flottenziele zu erreichen und hohe Strafzahlungen zu vermeiden", sagt Günther Kerle, Sprecher des Arbeitskreises der Automobilimporteure: "Das heißt, es werden immer mehr elektrifizierte Fahrzeuge auf den Markt gebracht. Die Zulieferprobleme werden uns noch eine Zeit lang begleiten, deshalb werden auch die Wartezeiten so schnell nicht kürzer werden, was natürlich auch heißt, dass die Preise tendenziell eher hoch bleiben werden." Davon seien Pkw mit Verbrennungsmotoren und E-Autos laut Kerle gleichermaßen betroffen.

Die wirtschaftlichen Probleme sorgten auch dafür, dass die Fahrzeuge nicht so schnell getauscht oder eher Gebrauchte gekauft werden. Die Vergangenheit habe auch gezeigt, dass massive Eingriffe der Politik in den Markt immer zu Verwerfungen führen. Ein Teil der Autofahrer werde die Möglichkeit nutzen, noch einen Pkw mit Verbrennungsmotor zu kaufen. Und es sei damit zu rechnen, dass bereits registrierte Fahrzeuge wesentlich länger gefahren werden. Kerle: "Darum ist es so wichtig, dass für den bestehenden Fahrzeugpark alternative Treibstoffe verfügbar sind."