Temperatur-Sturz

Wir haben bei sechs E-Autos getestet, wie groß der Reichweiten-Unterschied zwischen Sommer und Winter wirklich ist.

Lange Zeit waren neben hohen Preisen die vergleichsweise geringen Reichweiten das größte Problem von rein elektrisch betriebenen Autos. Bei den Anschaffungskosten nähern sich E- und konventionelle Autos laufend an: E-Autos werden billiger, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor tendenziell teurer.

Die Reichweiten der Batterie-Pkw sind mittlerweile schon längst alltagstauglich. Ein guter Gradmesser für die Reichweite ist der angegebene WLTP-Wert (Worldwide harmonized Light Duty Test Procedure). Nach ­einem genau vorgegebenen Verfahren werden auf einem Prüfstand Reichweite und Verbrauch erhoben. Die Prüftemperatur beträgt dabei 23 Grad. Aber je kälter es dann in der Praxis ist, desto geringer fallen die Reichweiten aus.

Bevor wir jetzt einfach die Werte vergleichen, ein paar Basis-Informationen.

Warum sinkt bei einem E-Auto im Winter die Reichweite?

Die Akkus von E-Autos haben eine "Wohlfühltemperatur" von etwa 25 Grad. Hier funktioniert die Elektrochemie am besten. Wenn der Akku nach einer Winternacht kalt ist, muss eine Batterieheizung die Akkuzellen aufheizen – und die Heizung holt sich ihre Energie aus dem Akku. Je nach Programmierung des Batteriemanagementsystems (BMS) durch den Hersteller kann der Strombedarf dafür niedriger oder höher ausfallen. Aber wenn der Akku schneller auf Temperatur gebracht wird, kann sich das auf die Dauer positiv auf die Langlebigkeit des Akkus auswirken. Auch die Heizung des Innenraums muss durch Energie aus dem Akku erfolgen, während bei einem Auto mit Verbrennungsmotor die Abwärme des Motors genutzt werden kann. Wird das E-Auto im Winter nur für Kurzstrecken genutzt und bleibt dann wieder länger in der Kälte stehen, müssen Akku und Innenraum wieder auf Temperatur gebracht werden – das verkürzt die Reichweite weiter.

Unsere Test-Methode

Wie hoch sind die Unterschiede zwischen Sommer und Winter, zwischen normalen und kühlen Temperaturen wirklich?

Sämtliche Testwagen durchlaufen beim auto touring ein ausführliches Testprogramm. Das Ermitteln des Verbrauchs und der Reichweite mittels einer Normrunde sind ein ­wesentlicher Teil davon. Sowohl Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor als auch Plug-in-­Hybride und Elektro-Autos werden auf der selben Verbrauchsrunde gefahren. Die Strecke teilt sich zu je einem Drittel in Stadtverkehr, Landstraße und Autobahn auf, gefahren werden die jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeiten. So lassen sich alle Modelle – auch unabhängig von der Antriebsart – direkt miteinander vergleichen.

Eine Besonderheit ist allerdings zu beachten: Da der Verbrauch und die Reichweite von ­E-Autos auch von der jeweiligen Außentemperatur abhängen, geben wir bei unseren Testergebnissen immer die jeweilige Temperatur an.

Sechs Fahrzeuge, die vergangenen Winter diese Tests durchlaufen haben, traten im Frühjahr und Sommer noch einmal zur auto touring-Verbrauchsrunde an, um die unterschiedlichen Reichweiten und Verbräuche genau zu ermitteln.

Erste Erkenntnis: Während BYD Atto 3 und MG4 beim Test im Sommer ihre Normreichweite erzielten oder sogar leicht übertreffen konnten, verfehlten BMW X1, Cupra Born, VW ID.5 sowie VW ID. Buzz ihren Referenzwert mehr oder weniger knapp.

Die größte Abweichung verzeichnete der Cupra (93 km unter dem Normwert), aber er musste unsere Testrunde bei der höchsten Temperatur aller Testkandidaten (27 Grad) absolvieren. Und je heißer es ist, desto mehr muss die Klimaanlage arbeiten, das kostet wieder Reichweite. Merke: Die größte Reichweite erzielt ein E-Auto rund um 22 Grad.

Im Winter brechen die Reichweiten zwar nicht komplett ein, aber ein empfindliches Minus verzeichneten alle Testkandidaten. Das Prozedere für die Testrunden: Nach einer Stehphase von 24 Stunden (damit der Akku entsprechend abgekühlt ist, eben wie im Alltag) und vollem Akku ging es auf unsere Testrunde.

Den größten Verlust gegenüber der Sommerreichweite mussten wir beim BYD Atto 3 verzeichnen – 138 Kilometer, das ist immerhin ein Drittel weniger (minus 33 %). Allerdings trat der BYD auch bei der niedrigsten Temperatur von – 1 Grad zur auto touring-Normrunde an. Die geringsten prozentuellen Einbußen zwischen Sommer und Winter verzeichneten BMW X1 (minus 22 Prozent oder 88 km) sowie MG4 (ebenfalls minus 22 Prozent oder 99 km). Knapp dahinter finden sich der Cupra Born (23 Prozent/104 km), VW ID.5 (24 Prozent/116 km) und VW ID. Buzz (25 Prozent/96 km).

Die Faustregel

Mit diesen Ergebnissen lässt sich also ­eine grobe Faustregel aufstellen:

Im Winter kommt man mit einem E-Auto rund ein Viertel weniger weit als im Sommer.

Aber: Dies gilt beim Zurücklegen größerer Strecken in einem Stück. Wird das E-Auto allerdings immer wieder über Nacht abgestellt, kühlen Batterie und Innenraum wieder ab und die Gesamtreichweite mit einer Akkuladung reduziert sich zusätzlich.

Trotzdem gibt es bei einem E-Auto im Winter Vorteile gegenüber einem konventionellen Auto mit Verbrennungsmotor: Während da der Benzin- oder Diesel-Motor nach dem Losfahren erst langsam auf Temperatur kommt und die Heizung entsprechend lange braucht, bis sie den Innenraum aufwärmen kann, kommt bei einem E-Auto schon nach wenigen Metern warme Luft aus den Heizungsdüsen. Zusätzlich kann das E-Auto vor Fahrtbeginn bereits vorgeheizt werden, entweder per programmiertem Zeitpunkt oder manuell mit der Handy-App. Bei einem Verbrenner bedürfte es dazu einer etxra einzubauenden Standheizung.

Wo entsteht Ladeverlust?

Tankt man Benzin oder Diesel, dann landen die bezahlten Liter auch alle im Tank. Beim E-Auto sind jedoch die sogenannten Ladeverluste einzukalkulieren. Nicht jede Kilowattstunde, die über den Stromzähler läuft, landet auch zur Gänze im Akku, da an mehreren Stellen Ladeverluste auftreten.

Dies beginnt bei der Stromleitung vom Zähler zur Wallbox, auch bei der Wallbox selbst treten geringe Verluste auf. Der größte "Schwund" ist aber im Onboard-Lader des E-Autos zu verzeichnen – bei der Umwandlung des Wechselstroms der Wallbox in Gleichstrom für den Akku. Rund zehn Prozent können diese Verluste ausmachen. Das heißt: Um einen leeren Akku mit 50 kWh Kapazität vollzuladen, müssen 55 kWh über den Stromzähler laufen und bezahlt werden.