911, der (!) Porsche.

Der Porsche 911 ist eine Ikone. Und wird heuer 60. Wir feiern mit ihm und fahren alle acht Generationen. Und zum Drüberstreuen gibt’s eine Ausfahrt mit den Flügel-Monstern der aktuellen 992er-Baureihe, Turbo S und GT3. 

Es gibt nicht viele Dinge im Leben, die man kennt, auch wenn man sich nicht dafür interessiert. Elvis Presley oder Arnold Schwarzenegger sind so Beispiele. Aber auch das Space Shuttle der Nasa ist jedem ein Begriff.

Wenn es um Autos geht, fallen uns spontan auch markante Beispiele ein: Ford Mustang oder VW Golf. Und natürlich er, die Sportwagen-Ikone schlechthin, der Elfer, der Porsche 911.

Unkompliziert

Ich oute mich einfach. Ja, ich bin ein großer Fan des 911. Schon als Kind faszinierte mich die spezielle und bis heute charakteristische Form des Elfers. Mehr als jeder Ferrari. Okay, ein Ferrari F40 ist ebenso ein Meisterwerk der Automobilgeschichte.

Einen vorbei fahrenden Elfer erkennt man. Auch ohne Hinschauen. Das heisere Brabbeln des Sechszylinder-Heckmotors bleibt haften.

Der Neunelfer verkörpert für mich vor allem eins: solide Alltagstauglichkeit. Natürlich ist damit nicht die Familientauglichkeit gemeint. Meiner Meinung nach gibt es aber keinen Sportwagen, der mit dem täglichen Einsatz besser zurecht kommt als er. Egal ob tropisch heißt oder klirrend kalt. Er springt immer an. Egal, ob flottes Autobahntempo oder mühsames Stopp-and-go im täglichen Verkehrschaos. Völlig problemlos.

Sein wohl größter Trumpf: Der 911er kann auch Rennstrecke. Während andere hochdekorierte Sportler nach wenigen Runden auf einer Rennstrecke mit kochender Bremsflüssigkeit liegen bleiben, kann mit dem Elfer immer noch ordentlich Gas gegeben werden. Und im Anschluss direkt von der Rennstrecke wieder nach Hause gefahren werden. Alles schon erlebt. Und im Gegensatz zu vielen anderen Sportwagen oder auch den ersten 911er-Generationen kommen sogar blutige Fahranfänger mit dem Handling des aktuellen Modells bestens zurecht.

Wie alles begann: Ur-Elfer, 1963–1973

Jubiläums-Ausfahrt

Die Sportwagenikone feiert heuer ihr 60-jähriges Jubiläum. Ich bin mitten drin. Und habe die einmalige Chance, alle acht Elfer-Generationen selbst zu fahren.

Ich nehme im Ur-Elfer Platz. Genauer gesagt im Highlight der Baureihe, dem 911 RS 2,7. Im Unterschied zum Basismodell von 1963 mit seinen für damalige Verhältnisse auch schon sportlichen 130 PS brachte es der auf Leichtbau getrimmte RS auf stolze 210 PS. Den Spurt von Null auf hundert erledigt er in 5,8 Sekunden. Selbst für heutige Verhältnisse ein mehr als respektabler Wert.

Ich sitze neben Rennfahrer Walter Lechner, der mir zeigt, wie man so ein Auto artgerecht bewegt. Charakteristisch und kultig zugleich ist am RS übrigens sein "Entenbürzel" genannter Spoiler.

2. Generation: G-Serie, 1973–1989

Harte Arbeit

Ich wechsle das Cockpit und steige in die zweite Elfer-Generation. Diesmal auf den Fahrersitz. Es geht eng zu, eingeengt fühlt man sich bis zu einer Körpergröße von 1,85 Metern aber dennoch nicht.

Stilprägend für die zweite Generation sind weiterhin die tunnelförmigen Kotflügel mit den integrierten Scheinwerfern und die flache Karosserie. Charakteristisch für die G-Serie sind die seitlichen Kunststoff-Faltenbeläge im Stile einer Ziehharmonika an der Front- und Heckstoßstange sowie ein Leuchtenband mit Porsche-Schriftzug zwischen den Rückleuchten.

Fahren im G-Modell ist noch echte Arbeit. Der lange und dünne Schalthebel will über lange Wege exakt und zielsicher bewegt werden. Schnelles Schalten, wie man es von heutigen modernen Fahrzeugen gewohnt ist, spielt’s nicht. Auch die stehenden Pedale, ein Charakteristikum für Elfer aus jener Zeit, kennen heutige Fahranfänger nicht einmal vom Hörensagen. Dieses Pedal muss noch richtig durchgedrückt werden, zarte Füße verlieren hier jegliche Lust.

3. Generation: Modellreihe 964, 1988–1994

Es wird sportlich

Neuer Arbeitsplatz. Ich sitze in der dritten Elfer-Generation, intern auch 964 genannt. Der Unterschied zum G-Modell wird sofort spürbar. Das bessere Platzangebot und die bequemeren Sessel nimmt man in der Sekunde wahr. Groß sind die Änderungen beim Cockpit-Layout aber nicht. Dabei ist der 964 die erste grundlegende Porsche 911-Neukonstruktion seit 1963. Die fünf Rundinstrumente bleiben, dazu kommt eine kleine Mittelkonsole.

Beim Fahren wird der Unterschied noch erlebbarer. Während das Fahrwerk des G-Modells vor allem auf schlechtem Untergrund holpert und poltert, gleitet der 964er wesentlich geschmeidiger über den Asphaltbelag. Auch das Einlenken geht jetzt leichter von der Hand, obwohl das viel zu große Lenkrad und die für heutige Standards unwürdig indirekte Lenkung immer noch weit weg von agil sind.

Ebenfalls nicht unbedingt spaßfördernd: die unbeliebte und unharmonische Automatik. Herzstück ist und bleibt der Sechszylinder-Boxer, der neu entwickelt mit Doppelzündung, Klopfregelung und Drei-Wege-Kat nun 3,6 Liter Hubraum besitzt und 250 PS leistet.

4. Generation: Modellreihe 993, 1993–1998

Der Allrounder

Es wird sportlich. Die intern 993 bezeichnete Elfer-Baureihe überzeugt mich mit seiner massiv verbesserten Agilität. Sowohl das straffe, aber dennoch wesentlich komfortablere Fahrwerk, die präzisere Lenkung und das exakter schaltbare Getriebe werden auf ein neues Niveau gehoben.

Zum ersten Mal macht der 911er richtig Spaß. Nicht dass die Vorgänger-Modelle nicht ebenso ihren Reiz haben, der 993 macht aber einfach alles besser. Nicht umsonst erfreut er sich bei 911er-Enthusiasten bis heute enormer Beliebtheit.

Unterschiedliche Argumente sprechen dafür. Zum einen seine zuverlässige und ausgereifte Technik, zum anderen der Umstand, dass der 993 der letzte Elfer mit luftgekühltem Boxermotor im Heck ist. 272 PS aus 3,6 Liter Hubraum waren es in den klassischen Carrera-Modellen.

5. Generation: Modellreihe 996, 1997–2005

Der Ungeliebte

Nicht unbegründet fragten sich viele Elfer-Fans 1997: "Wie kann das passieren?" Porsche präsentiert die fünfte Generation. Das Design blieb in weiten Zügen zwar erhalten, der Aufschrei ob der eigentümlichen Optik blieb dennoch. Vor allem die "Spiegeleier-Scheinwerfer" und das klobige Design des Cockpits sorgten für heftige Diskussionen in der Elfer-Gemeinde.

Viele Teile des 996 wurden aus Kostengründen vom Boxster übernommen, eine Unterscheidung vom zweisitzigen Mittelmotor-Sportwagen schien auf den ersten Blick daher schwierig. Ein anderer, nicht minder wichtiger Aspekt in der 996-Historie: Unterm Heckdeckel atmet nun kein luftgekühlter Boxermotor mehr, sondern erstmals ein wassergekühlter, 3,4-Liter-Sechszylinder mit 300 PS. Die Fangemeinde wird dadurch nicht unbedingt größer…

Überzeugt hat mich der 996 dennoch, und zwar beim Fahren. Wider Erwarten, wir fuhren einen Carrera 4S, macht er dank seines knackig-agilen Handlings enorm Spaß. Vor allem die fest zupackenden Bremsen und das exakte Einlenken auch bei höherem Tempo sind vertrauenserweckend.

6. Generation: Modellreihe 997, 2004–2012

Vollgas retour

Wir fahren den Großglockner hinauf. Unten hat die Luft angenehme 19 Grad, oben angekommen, am Tunnelportal Hochtor, hat es auf knackige neun Grad abgekühlt. Dem Spaßfaktor tut dies keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Die Hetz bei der Kurvenhatz hinauf zur Passhöhe durch die unzähligen engen Kurven hätte besser nicht sein können. Ich sitze hinterm Steuer des 997, der mittlerweile siebenten Elfer-Generation.

Der 997 ist noch einmal präziser und komfortabler im Handling geworden, speziell das überaus exakt schaltende Doppelkupplungsgetriebe PDK begeistert mich nachhaltig. Das überarbeitete Fahrwerk, das im Carrera S serienmäßig mit dem adaptiven Dämpfersystem "Porsche Active Suspension Management" (PASM) ausgeliefert wird, macht das Auto extrem fahrsicher.

Optisch besinnt sich Porsche wieder alter Tugenden. Die Scheinwerfer orientieren sich wieder am Design des 993 und unterscheiden sich damit wieder stärker vom Boxster.

7. Generation: Modellreihe 991, 2011–2019

Letzter Sauger

In einer besonders spannenden Variante sitzen wir jetzt. Emotion pur erleben wir im 991, der siebenten Generation. Konkret handelt es sich um die extrem seltene R-Variante. Die lediglich 991 produzierten Exemplare fanden blitzschnell einen Abnehmer. Wer heute so ein Modell sucht, muss tief in die Tasche greifen. 2016 kostete das Modell in Österreich rund 245.000 Euro, heute sollte man sich rund eine Million Euro herrichten.

Das Besondere am 911 R: Er ist kompromisslos auf Leichtbau getrimmt. Jede noch so kleine Unebenheit wird ungefiltert an die superharten Schalensitze der zwei Insassen (im "R" verzichtet Porsche auf Rücksitze) weitergegeben. An frühe Porsche-Zeiten erinnert auch die fehlende Klimaanlage. Entschädigt wird man dafür von einem 500 PS starken Vierliter-Saugmotor, untermalt von einem kolossalen Motorengeräusch. Die Gänge werden übrigens per Hand sortiert, das Automatikgetriebe PDK gibt’s im "R" nicht. Atemberaubend sind auch die Fahrleistungen. Kein Wunder, alles zusammen wiegt lediglich 1.370 Kilogramm. Zum Vergleich: Ein Kleinwagen ist heute genauso schwer.

Auf der IAA 2015 präsentierte Porsche eine umfassende Modellpflege für die 991er-Generation. Die beiden Grundversionen des 911 werden ab Dezember 2015 erstmals in der Geschichte des 911 mit Turbo- statt Saugmotor ausgeliefert. Dies führt zwar zu einer deutlich höheren Durchzugskraft aus niedrigen Drehzahlen, der 911er verliert allerdings den charakteristisch-heiseren Klang des Saugmotors.

8. Generation: Modellreihe 992, seit 2018

Der Golf unter den Elfern

Zum Abschluss der Ausfahrt nehme ich im aktuellen Modell, dem 992, Platz. Für mich neben dem G-Modell und dem 993 die optisch spannendste 911er-Variante. Doch nicht nur das: Der aktuelle 992 ist der perfekteste 911er aller Zeiten. Denn trotz höherer Leistung, mehr Effizienz, umfangreichen digitalen Features sowie einer deutlich gewachsenen Karosserie ist er vor allem eins geblieben: ein ultimativer Spaßmacher.

Der 992er macht vieles richtig. Er beeindruckt mit enormen Fahrleistungen, ist aber dennoch absolut zahm im Handling. Er lässt kompromisslose Kurvenhatz auf der Rundstrecke zu, wird im Stop-and-Go-Verkehr auf der Südost-Tangente aber dennoch niemals ruppig. Und ist erstaunlich komfortabel. Unterm Strich also so einfach und unkompliziert zu fahren wie ein VW Golf, selbst Fahranfänger kommen mit ihm blitzschnell zurecht.

An den Karosserievarianten Coupé und Targa (das Cabrio kam erst 1982 im G-Modell) hält Porsche seit nunmehr 60 Jahren fest, auch in der aktuellen achten Generation. Als Basis im Carrera, Carrera 4 und Carrera T dient der Dreiliter-Biturbo-Sechszylinder mit 385 PS, die S-Versionen leisten 450 PS und die GTS-Varianten sowie der 911 Dakar 480 PS. Ein 3,8-Liter-Biturbo kommt beim 911 Turbo (580 PS), 911 Turbo S (650 PS) und 911 Sport Classic (550 PS) zum Einsatz. Die Supersportler GT3 (510 PS) und GT3 RS (525 PS) setzen auf einen 4.0-Liter-Sechszylinder-Saugboxer. Doch dazu gleich mehr…

Flügel frei

Aberwitzig schnell sind beide. Dennoch unterscheiden sich der Porsche 911 Turbo S und der GT3 erheblich. Flügel frei zum brüderlichen Power-Duell.

Treffpunkt Stuttgart. Fotograf Erich Reismann und ich reisen gemeinsam in die schwäbische Hauptstadt. Die Anreise von Salzburg nach Stuttgart könnte sportlicher nicht sein. Wir sitzen im stärksten 911er der aktuellen 992er-Baureihe, dem Turbo S. Die nackten Zahlen: 3,75 Liter Hubraum, Sechszylinder-Boxer, Biturbo, 800 Newtonmeter Drehmoment und 650 PS. Noch Fragen?

Porsche 911 Turbo S

Voller Power

Kaum nachvollziehbar ist beim erstmaligen Durchlesen des Datenblattes die Beschleunigung von null auf hundert. Dort steht nämlich 2,7 Sekunden, in Worten: zweikommasieben Sekunden. Was unvorstellbar klingt, wird spätestens beim ersten Druck aufs Pedal Realität.

Der allradgetriebene Turbo S verbeißt sich förmlich im Asphalt, keine Spur von unruhig werdendem Heck, kein nervösen Ziehen an der Lenkung, kein lästiges Aufheulen des Motors. Einfach nur Vortrieb pur, wie am Gummiband gezogen, stoisch ruhig. Und fast schon unspektakulär. Gleichzeitig aber unfassbar beeindruckend.

Der Turbo S kann aber auch langsam. Und erstaunt uns dabei mit tadellosem Fahrkomfort, problemlosen Handling und einer super-sanft schaltenden Automatik. Selbst im Sport-Modus ist er komfortabler als viele andere PS-Monster. Und die Bremsen? In etwa die gleiche Wand wie das Drehmoment, zudem auch einfach dosierbar.

Zurück zum Start: Einsteigen in den Turbo S ist ganz easy. Es fühlt sich wie das Anziehen eines maßangefertigten Handschuhes. Alles sitzt, alles passt, alles hat Luft. Die Sitzergonomie ist perfekt, nahezu für jede Körpergröße ideal einstellbar. Klar, man muss tief hinunter, nahe an die Fahrbahn. Trotzdem funktioniert alles denkbar einfach.

Luft wie der Turbolader braucht man allerdings auch beim Blick in die Preisliste. Dort werden nämlich 328.701 Euro fällig. Sofern man die Kraft hat, sich ein Auto zum Preis eines Reihenhauses zu kaufen.

Porsche 911 GT3

Hardcore-Elfer

Ganz anders geht's im wesentlich puristischeren Porsche GT3 zur Sache. Kein Turbo, kein Allrad, 510 statt 650 PS wie im Turbo S, dafür aber dank Leichtbauweise (rund 1.400 Kilogramm Eigengewicht) deutlich agiler.

Und wie fühlt es sich an? Gewaltig. Schon das Einsteigen in den GT3 erfordert Gelenkigkeit, fast schon artistische Veranlagung. Vor allem der Spagat über die harten Schalensitze will geübt sein. Sitzt man einmal drin, wird's hart. In vielerlei Hinsicht. Die Sessel sind extrem eng, steinhart und nur marginal einstellbar. Immerhin: die Sitzposition passt.

Ich werfe den Vierliter-Sauger an. Er rumort, er röchelt. Aber niemals unangenehm. Richtig zu Toben beginnt er beim Tritt aufs Gaspedal. Die Beschleunigung? Unwesentlich langsamer (3,9 Sekunden von null auf hundert!) als im Turbo S, durch die geringere Dämmung im GT3 wirkt es aber brachialer. Keinerlei Traktionsprobleme, der GT3 liegt wie ein Brett am Asphalt, lenkt extrem direkt und präzise ein. Beeindruckend: Selbst das forsche Anbremsen auf eine enge Kurve bringt den GT3 nicht aus der Ruhe, zudem beißen die Bremsen extrem giftig zu. Der ganze Vorderbau wirkt ruhiger als bisher und spürbar steifer.

Sein größtes Manko ist zweifellos der Abrollkomfort. Klar, das Auto ist eine Fahrmaschine und eigentlich auf der Rennstrecke zuhause. Dennoch: Das Fahren auf der Straße wird zum Kanaldeckel-Boogie. Jede Unebenheit sollte zielgenau umkurvt, jedes noch so kleine Schlagloch großräumig umfahren werden. Die Härte ist einfach brutal.

Nicht von schwachen Eltern ist naturgemäß auch der Preis. 267.744 Euro sollten es für die Variante mit manuellem Schaltgetriebe zumindest schon sein. Wer auf das ganz große Geflügelwerk am Heck des GT3 verzichten will, ordert den Sportwagen einfach mit Touring-Paket, das kostet nahezu das gleiche.

Porsche-Museum