Imperial: Car of Broken Dreams

Dreamcar oder Albtraumwagen? Dieser Ami-Schlitten, eines der wenigen überlebenden Exemplare von Chryslers längst verblichener Luxusmarke, polarisiert. Und fasziniert.

Es war einmal im Amerika der 1950er-Jahre. In den USA lag Rock'n'Roll in der Luft, der Sound zu der Rebellion einer Jugend, die nicht mehr angepasst sein wollte und deren Heroes Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard, Buddy Holly und Elvis Presley hießen, sich auf den Bühnen wild gebärdeten und die Eltern ihrer Fans schockierten. Denn diese waren gerade dabei, sich ihren amerikanischen Traum zu verwirklichen. Und der hatte rein gar nichts mit Revolte zu tun.

In Detroit im Nordosten Michigans, der Hauptstadt der US-Autoindustrie, war die Welt noch nicht aus den Fugen geraten. Die Big Three – General Motors, Ford und Chrysler – bedienten die Altvorderen mit Dreamcars, die Jahr für Jahr größer zu werden schienen und Luxus ohne Ende boten. Klar, der große Krieg war zehn Jahre vorbei und der Wohlstand in nie zuvor geahnten Höhen. Die Autos sollten das auch zeigen – aber sie waren alle irgendwie austauschbar geworden. Alle waren sie über fünfeinhalb Meter lang und zwei Meter breit und alle hatten sie fette Achtzylinder unter der Haube – keine technisch hoch stehenden allerdings, dafür waren die Maschinen anspruchslos und unkaputtbar.

Chryslers Premium-Marke

Wie also sich absetzen von der Konkurrenz? Chryslers Bosse hatten eine Idee: Warum sollen sich nur General Motors und Ford Premium-Marken leisten? Warum sollte Chrysler GMs Cadillac und Fords Lincoln nichts entgegensetzen? Obwohl es mit dem Imperial doch ein Auto gibt, das mit beiden Edelmarken konkurriert? Die Lösung lag auf der Hand: Das Chrysler-Topmodell Imperial mutierte 1955 zur eigenen Marke.

Ganz sicher ein entscheidender Grund für diesen Spin-off (der für nicht einmal 20 Jahre Bestand haben sollte, wie sich dann herausstellte) war das Design: Es stammte von Virgil Exner, einem der allerersten, die für die Big Three Karosserien entwarfen – bis in die frühen Fünfziger taten das vor allem Techniker und Ingenieure. Exner prägte den so genannten Forward-Look mit nach vorne geneigter Front – das sollte vor allem Schnelligkeit vermitteln. Dazu Heckflossen, die im Laufe der Jahre immer mehr jenen von Flugzeugen ähnlicher wurden.

Bei der neu geschaffenen Marke Imperial konnte Exner sich nun austoben. Ob Reserverad-Ausbuchtung im doppelbettgroßen Kofferraumdeckel oder frei stehende Scheinwerfer vorne – alles schien möglich. Und scheint perfekt umgesetzt mit jenem 1963er-Modell, mit dem ein Taxiunternehmer aus Bayern heute regelmäßig bei Oldtimer-Wertungsfahrten auftaucht. 

Das Autoradio gehörte zum Lieferumfang dieses Imperial – als er ein Neuwagen war, tönte aus ihm immer noch Rock'n'Roll, aber ein anderer. Ein angepasster, den nun auch die Menschen gerne hörten, die ihn acht Jahre zuvor, als der erste Imperial auf den Markt kam, noch verachteten. Die Zeiten hatten sich geändert.

Die 20 Liter, die der 330 PS starke 6,6-Liter-V8-Motor des Crown-Cabriolets auf 100 Kilometer verbraucht, sind für den heutigen Besitzer kein Problem. Für Chrysler wurden sie es jedoch 1973. Da traf die Ölkrise alle US-Autobauer mit voller Wucht. Downsizing war – vorübergehend – angesagt, und die üppigen Imperials passten nicht mehr wirklich in die neue, sachlicher gewordene Zeit. Und dass die letzten Imperial-Modelle jenen ihrer Stamm-Marke Chrysler immer ähnlicher wurden, gab ihnen schlussendlich den Todesstoß. Chryslers Traum von der eigenen Luxusmarke war vorbei.