Freude am Stoppen
Spitzentechnologie, ein Herz aus Österreich und selbst das Stehenbleiben macht Freude: auto touring fährt den BMW iX3 der Neuen Klasse. So gut ist das Jahrzehnt-Projekt tatsächlich geworden.
Jahrelang wurde die Werbetrommel gerührt, jetzt ist sie da: Die neue Generation des vollelektrischen BMW iX3 ist das wichtigste Auto für BMW in diesem Jahrzehnt und soll der Beginn einer neuen Ära sein. Doch was macht dieses auf den ersten Blick völlig gewöhnliche Auto eigentlich zu mehr als nur einem weiteren Vertreter einer nicht sehr originellen Fahrzeugklasse? Und wie gut ist das Jahrzehnt-Projekt wirklich?
Was ist die Neue Klasse?
Der BMW iX3 ist der Startschuss für die Neue Klasse. Die Neue Klasse war in den 1960er-Jahren der Vorgänger des 3ers. Heute steht der Begriff für eine völlig neue Generation an Fahrzeugen von BMW. "Sie steht für einen gewaltigen Sprung: in den Technologien, im Fahrerlebnis und im Design", sagt BMW-Vorstand Oliver Zipse via Pressemitteilung. Und: "Unser gesamtes Produktportfolio wird von den Innovationen der Neuen Klasse profitieren – und zwar unabhängig von der Antriebstechnologie", so Zipse. Das heißt: Für die E-Autos stellt die neue Klasse eine neue technische Plattform dar, während Verbrenner sich optisch, bei den Assistenzsystemen und der Innenraum-Gestaltung am neuen iX3 orientieren.
Die Neue Klasse als Plattform
Bei den Elektro-Fahrzeugen fällt der Einfluss der Neuen Klasse natürlich noch extremer aus. Immerhin werden (voraussichtlich) alle zukünftigen E-Autos die Plattform nutzen, die der BMW iX3 nun einführt. Diese bietet 800-Volt-Technologie, womit sehr rasches Laden möglich ist. Konkret soll der BMW iX3 mit maximal 400 kW geladen werden können. Da kann kaum eine Konkurrent mithalten. Apropos: Mitbewerber sind die üblichen Verdächtigen wie Audi Q6 e-tron, Mercedes GLC EQ, Porsche Macan, Tesla Model Y aber auch Xpeng G6. In greifbareren Zahlen ausgedrückt soll der iX3 in nur zehn Minuten 372 Kilometer Reichweite "nachtanken" können. Freilich unter optimalen Bedingungen und gemessen am WLTP-Reichweiten-Wert. Wie es in der Praxis aussieht, wird der erste auto touring-Test zeigen.
BMW iX3: die technischen Daten
Wir bleiben bei den technischen Daten: Der Akku des BMW iX3 50 xDrive – übrigens die einzig bis dato vorgestellte Version – bietet eine Netto-Kapazität von mächtigen 108,7 kWh. Damit soll das rund 2,3 Tonnen schwere SUV laut WLTP satte 805 Kilometer weit kommen – so weit wie kaum ein anderes Elektroauto auf dem Markt. Und in Anbetracht der SUV-typisch hohen Stirnfläche und der hohen Leistung samt Allradantrieb ist die Effizienz des Autos noch ein Stück beeindruckender.
Elektro-Motoren aus Steyr
Stichwort Allradantrieb: Der BMW iX3 50 xDrive wird von zwei Elektromotoren angetrieben. An der Hinterachse werkelt der im oberösterreichischen Steyr produzierte Hauptmotor; eine E-Maschine mit 326 PS. An der Front ergänzt ein zugekaufter E-Motor mit 167 PS den Antriebsstrang. Insgesamt bringt es der BMW iX3 50 xDrive auf 345 kW (469 PS) und 645 Nm Systemdrehmoment. Damit sprintet das erste Modell der Neuen Klasse in 4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 210 km/h.
Freude am Stehenbleiben
Freilich macht das Freude, natürlich ist der Punch beim Kick-down enorm. Doch hat das vollelektrische Leistungswettrennen der letzten Jahre Spuren hinterlassen, eine gewisse Abgebrühtheit ist eingekehrt. Und so beeindruckt das Stehenbleiben fast noch mehr als das schnelle Losfahren. Denn das kann der BMW iX3 der Neuen Klasse richtig smooth: Diesen letzten Ruck, bevor das Fahrzeug zum Stillstand kommt, hat man in München vollends eliminiert. Zwei Gründe machen den perfekten Chauffeur-Stopp im iX3 möglich. Erstens die Rekuperationsbremse, die bis zum Stillstand arbeitet und somit die klassische Bremsanlage in den meisten Fällen obsolet macht. Zweitens: das "Heart of Joy".
Das Heart of Joy
Was fast super sinnlich klingt, hat tatsächlich so viel Sex-Appeal wie ein Steuerungscomputer. Und zwar buchstäblich; das Heart of Joy ist nämlich ein Steuerungscomputer. Das Gerät vereint Antrieb, Bremsen, Laden, Rekuperation sowie Teilfunktionen der Lenkung. In den meisten Fahrzeugen wird das auf mehrere Einheiten aufgeteilt. Weil BMW hier viele Funktionen in einer Steuerung bündelt, reagiert das Auto besonders direkt. So zumindest die Theorie, doch wie sieht die Praxis aus?
So fährt der BMW iX3 50 xDrive
Um die Frage zu beantworten, fuhr auto touring den BMW iX3 50 xDrive nicht nur auf öffentlichen Straßen, sondern auch auf der Rennstrecke Circuito Ascari. Der Eindruck dort? Der iX3 ist ein echter BMW: Der Antrieb ist betont hecklastig, die Vorderachse hat viel Grip, das Fahrzeuggewicht macht sich in den allerwenigsten fahrdynamischen Situationen bemerkbar, das Gesamterlebnis ist ein präzises. Das Fahrwerk – ein adaptives wird (einstweilen?) nicht angeboten – ist durchwegs auf der straffen Seite und die Lenkung ist exakt, aber könnte um die Mittellage ein Stück schwergängiger sein. Was aber unter persönlicher Präferenz respektive Jammern auf sehr hohem Niveau verbucht werden kann. Vor allem aber kommuniziert das Auto mit dem Fahrer: Anders als beim modernen Online-Dating weiß man im iX3 immer, woran man gerade ist.
Modernste Assistenzsysteme im BMW iX3
Weil aber der Alltag mehr Autobahn als Ascari ist, verbaut BMW im ersten Vertreter der Neuen Klasse eine Vielzahl an modernen Assistenzsystemen. Dabei legt der Hersteller Wert darauf, dass Assistenten und Fahrende miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. So wird beispielsweise der adaptive Tempomat durch einen geringeren Bremseingriff nicht gleich deaktiviert. Außerdem schlägt dieser auf der Autobahn eigenständig Spurwechsel vor: Fährt man etwa auf ein Auto auf der rechten Spur auf, bietet der iX3 einen Fahrstreifenwechsel auf die linke Spur an. Mit einem Blick in den linken Seitenspiegel bestätigt man das Vorhaben und das Elektro-SUV wechselt selbst die Spur. In der Praxis hat das gut funktioniert. Freilich kann der iX3 auch selbst Ein- und Ausparken. Dabei muss man nicht zwangsweise im Auto sitzen, sondern kann das Fahrzeug auch via App steuern – praktisch bei engen Parklücken. Will man ein Assistenzsystem gänzlich deaktivieren – besonders viele Fahrende nerven laut ÖAMTC-Befragung etwa Spurhalteassistent und Geschwindigkeitswarner – so ist das intuitiv via Shortcuts am Touchscreen möglich.
Der Innenraum des BMW iX3
Apropos Touchscreen: Der BMW iX3 führt ein komplett neues Innenraum-Konzept ein. Zentral sind hierbei drei Elemente: der 17,9 Zoll große Touchscreen, das Panoramic Vision sowie eine neue Generation an Lenkrädern. Der Touchscreen ist besonders auf eine intuitive Bedienung ausgerichtet. Darauf lassen schon Form und Position schließen: Beides sorgt dafür, dass der Fahrende komfortabel zum Zentraldisplay gelangt. Das Infotainmentsystem selbst ist logisch aufgebaut. Ein großes Augenmerk auf intuitive Bedienung hat BMW auch bei der Entwicklung der neuen Lenkräder gelegt: So erscheinen etwa manche Funktionen wie die Taste für den Parkassistenten erst dann, wenn es die Situation erfordern könnte. Außerdem sind die Bedienelemente ausreichend weit vom Lenkradkranz entfernt, sodass ein unbeabsichtigtes Ankommen mit dem Handballen quasi ausgeschlossen ist. Daran denken nämlich nicht alle Hersteller (hust hust Mercedes und VW hust hust). Die neuen Lenkräder liegen auch gut in der Hand, einen Schönheitspreis werden sie hingegen wohl nicht gewinnen.
Panoramic Vision und Platzangebot
Spektakulär ist besonders das Panoramic Vision, das ein "klassisches" Armaturendisplay ersetzt: Auf einem im unteren Bereich der Windschutzscheibe und von A- zu A-Säule reichenden Schwarzdruck werden relevante Informationen projiziert. Während der Abschnitt direkt vor dem Fahrer wichtige Fahrdaten wie Fahrstufe, Akkustand, Reichweite und natürlich die Geschwindigkeit zeigt, können Mitte und rechter Teil des BMW iX3 stark individualisiert werden. Dort werden Informationen vom Wetter bis zu G-Kräften vermittelt. Anders als das optionale Head-up-Display, können alle Mitfahrenden das Panoramic Vision sehen. Stichwort Mitfahrende: Paradedisziplin war das Platzangebot bei einem BMW X3 ob vollelektrisch oder nicht ja nie, doch dank der neuen E-Mobility-only-Plattform der Neuen Klasse ändert sich das jetzt: Hinten hat man gut Platz und der Kofferraum fasst 520 Liter.
Fazit und Preis
Der BMW iX3 der Neuen Klasse ist der Start einer neuen Ära – und zwar ein gelungener. Das Auto fährt sich gut, bietet Spitzenwerte im Bereich der Reichweite und Ladeleistung, eine große digitale Show und das smootheste Stehenbleiben überhaupt. Was aber vor allem gefällt, ist die Durchdachtheit des Fahrzeuges – von der Bedienung bis zu den Assistenzsystemen steht hier der Autofahrende im Fokus. All das lässt sich BMW freilich auch bezahlen: Der BMW iX3 50 xDrive startet in Österreich bei 69.950 Euro mit viel Luft nach oben. Immerhin: Man darf davon ausgehen, dass BMW eine günstigere Version nachschieben wird – ebenso wie eine teuerere und auf Performance getrimmte Variante.
BMW iX3 50i xDrive: Zusammenfassung und technische Daten
Der neue BMW iX3 ist das erste Serienmodell der Neuen Klasse. Das Elektro-SUV bietet bis zu 805 Kilometer WLTP-Reichweite, 800-Volt-Technik, 400 kW Ladeleistung, eine neue Designsprache, einen stark digitalisierten Innenraum sowie ein Herz aus Steyr. Das Auto ist auch deshalb so wichtig, weil sich alle künftigen BMW-Modelle optisch wie technisch an ihm orientieren werden.
Die technischen Daten
Länge: 4.782 mm
Breite: 1.895 mm
Höhe: 1.635 mm
Radstand: 2.897 mm
Maximale Anhängelast (gebremst): 2.000 kg
Kofferraumvolumen: 520–1.750 Liter
Akkukapazität: 108,7 kWh (netto)
Reichweite: 805 km (WLTP)
Verbrauch: 15,1–17 kWh / 100 km (WLTP)
Ladeleistung: maximal 400 kW
Leistung: 345 kW / 469 PS
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
Beschleunigung: 4,9 Sek. (0–100 km/h)