Das blaue Wunder

Ein legendärer Sportwagen kehrt auf die Straße zurück. Die Alpine A110 kommt dem Original aus den Sechzigern nicht nur optisch verdammt nahe. Wir durften ein paar Tage mit ihr verbringen.

Ohne wenn und aber: Moderne Autos werden immer besser. Sie sind sicher, hochwertig, komfortabel und sparsam. Und das ist gut so.

Spaßfaktor? Lassen wir das. Das war einmal. Aktuelle Autos sollen in erster Linie vernünftig sein.

Doch jetzt gibt’s Hoffnung. Ganz in Blau. Ganz flach. Ganz klein. Und richtig fesch.

Die Alpine ist zurück. Die Rede ist vom Typ A110, der Alpine schlechthin. Vor allem in den Sechziger- und Anfang der Siebziger-Jahre sorgte die blaue Flunder mit internationalen Erfolgen für Furore. Superstar des Jahres 1971 war der schwedische Gastfahrer Ove Andersson, der neben der Monte-Carlo-, San-Remo- und Akropolis-Rallye auch die österreichische Alpenfahrt mit der Alpine A110 für sich entschied. Es war eindeutig das wendigste, flinkste und aufregendste Auto, das es bis dahin gegeben hatte, meinte er später.

Spaß an der Freud

Jetzt also die Neuauflage. Erster Eindruck: Trotz gleichen Namens, jetzt allerdings mit Mittel- statt wie beim Original mit Heck­motor, kommt die Alpine im Unterschied zu zahlreichen anderen Retro-Versuchen diverser Hersteller überhaupt nicht peinlich daher. Und noch was fällt auf. Im Gegensatz zu vielen anderen klassischen Sportwagen wirkt die Alpine auch nicht aggressiv, sie zaubert nicht nur den Insassen ein Lächeln auf die Lippen.

Hier steht sie also. Im Vergleich zum Urahn ist die A110 in den Proportionen zwar leicht gewachsen, insgesamt ist sie aber immer noch erfreulich kompakt – und flach.

Ich rutsche in die Schalensitze. Die geben festen Halt, sind aber nur in der Länge verstellbar. Bei der Bestellung können sie an den Fahrer angepasst werden. Innen erwartet uns ein modernes Cockpit-Ambiente mit ­Digital-Armaturen. Der 7 Zoll große Touchscreen-Monitor im Stil eines Tablets und fünf direkt darunter angeordnete Kippschalter kennt man aus modernen Fahrzeugen.

Ansichtssache

Auf Druck geht’s los

Los geht’s: Startknopf drücken, Fahrstufe D per Taste aktivieren, rechts unten Andrücken. Die Alpine legt furios los. 252 PS aus einem 1,8-Liter-Turbo-Vierzylinder schieben mächtig an, 1.100 Kilogramm Gewicht sei Dank. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe sortiert dabei die Gänge immer zum richtigen Zeitpunkt.

Wunderbar: die herrlich direkte und im richtigen Maße schwergängige Lenkung. Beim Fahren gibt es drei Einstellungen: "Normal" zum relaxten Cruisen, in "Sport" werden die Gänge schneller gewechselt. Die "Track"-Variante (ESP ist dann deaktiviert) ist dagegen der Rennstrecke oder einem Training bei der ÖAMTC-Fahrtechnik vorbehalten. Schalten muss man in diesem Modus mittels Paddle selber.

Und wie steht’s um den Fahrkomfort? Viel besser als man denkt, von bretthart ist die Alpine meilenweit entfernt.

Am Ende des Tages steigt man nur ungern aus der blauen Flunder wieder aus. Das Wortspiel "passt wie ein Handschuh" war nämlich selten so treffend wie hier.

Alpine A110

Die A110 wird übrigens im traditionellen Alpine Werk im nordfranzösischen Dieppe produziert. Die 1969 errichtete Fertigung wurde für den Anlauf der neuen A110 komplett modernisiert. Nach dem Produktionsende von Alpine im Jahr 1995 stellte der Standort unter anderem die "Renault Sport"-Fahrzeuge sowie sportliche Kleinserien wie den Clio V6 und den Renault Sport Spider her. Aktuell wird in dem Werk der Renault Clio R.S. gebaut.

Erfolgreich im Motorsport