Audi e-tron: Kilos, Kameras, ein Irrtum

Erstkontakt: Was der Elektro-Audi kann, wie weit er kommt und wieviel er kostet.

Der erste vollelektrische Audi ist also ein SUV. Kein kompaktes oder kleines gar – aber das haben Sie anhand des Fotos hier oben drüber vermutlich schon wahrgenommen. Genau gesagt ist der e-tron ein 4,9 Meter langes, 1,9 Meter breites und 1,6 Meter hohes Gefährt, das summa summarum rund zweieinhalb Tonnen wiegt. Die Batterie alleine bringt bereits rund 700 Kilogramm auf die Waage, bei einer Kapazität von 95 kWh (aufgeteilt auf 36 Zellmodule, 396 Volt Nominalspannung). Und weil wir jetzt schon so schön mittendrin in den technischen Daten sind, reichen wir gleich auch noch den Rest nach:

Zwei E-Motoren, je einer an Vorder- und Hinterachse | Systemleistung: 265 kW, mit Boostfunktion sogar 300 kW (das sind umgerechnet mehr als 400 PS!) | Maximale Dauer der Boostfunktion: 60 Sekunden | Drehmoment: 561 Nm, mit Boostfunktion 664 Nm | Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h, elektronisch begrenzt | 0–100 in 5,7 Sekunden | Reichweite: mehr als 400 km (im WLTP-Zyklus), das entspricht einem Verbrauch von rund 23 kWh/100km

Und mit einem Blick auf die Konkurrenz ist zu sagen: In seiner Liga trifft er momentan lediglich auf den Jaguar I-Pace und den Tesla Model X, im etwas lockerer betrachteten Umfeld ist auch noch ein Hyundai Kona Elektro zu finden.

Impressionen direkt von der Präsentation – oder: Was der Elektro-Audi kann

Zunächst das Video, eher hastig zwischen den Dünen gedrehte Bilder (sorry for that), dafür in der perfekten Kaffeepausen-Smalltalk-Länge.





Jedenfalls: Wir hatten einen Tag und rund 300 Kilometer lang Zeit, um uns mit dem e-tron vorläufig einmal vertraut zu machen. Prinzipiell fällt das recht leicht, denn sowohl rein äußerlich als auch im Innenraum unterscheidet den e-tron wenig von aktuellen Audi-Modellen. So ist beispielsweise die Formensprache weitgehendbekannt, das Design also dergestalt, dass auch wirklich jeder, der ein wenig Autoaffinität in sich trägt, den e-tron zweifelsfrei als Audi erkennt. DenInnenraum hingegen dominiert jene 3er-Display-Konfiguration, die bereits in den neueren Oberklasse-Modellen der Marke (also A6, A7, Q8) zum Einsatz kommt.

Müssten wir hier bereits ein kurzes Fazit ziehen, dann klänge das so: Zunächst einmal fällt auf, dass quasi nichts auffällt.

Sorry für dieses lapidare Statement, aber Audi hat den e-tron ganz bewusst als möglichst normales Auto konzipiert. Offenbar ergaben Umfragen bei Kunden und interessiertem Publikum nämlich, dass der Umstieg von Verbrenner- auf Elektro-Autos nur dann optimal gelingt bzw. maximal reizvoll ist, wenn kaum ein bis kein Unterschied spürbar ist.

Ob es sich bei dieser Erkenntnis nun tatsächlich um den Stein der Weisen handelt, sei einmal dahingestellt. Wir halten es, pardon, beinahe für einen Irrtum, denn es sind eben nicht nur die Komfortfeatures und das Fahrverhalten, die zählen. Der Kontakt mit ÖAMTC-Mitgliedern zeigt uns nämlich immer wieder ganz deutlich, dass a) sich ein Elektroauto ruhig wie ein Elektroauto anfühlen darf und b) die Themen Reichweite und Aufladen immens wichtige Kaufkriterien sind (noch vor den Annehmlichkeiten). 

Fairerweise muss an dieser Stelle allerdings schon erwähnt werden, dass sich Audi – nebst anderen Firmen – bei dem so wichtigen Aspekt der Energieversorgung nicht blindlings auf andere verlässt, sondern bei dem Aufbau des europaweiten Ladenetzes Ionity mitmischt. 

Jedenfalls: Wir müssen den Audi-Technikern attestieren, bei der Umsetzung ihrer hausinternen Vorgabe einen sehr guten Job gemacht zu haben. Abgesehen vom sehr eigenartigen Gefühl auf der Bremse fährt und lenkt der e-tron tatsächlich wie ähnlich potente Q-Modelle.

Gebremst werden kann übrigens auf zwei Arten: Einerseits via  Schaltwippen, die hinter dem Lenkrad montiert sind (zwei Rekuperationsmodi stehen dabei zur Verfügung, drei bis fünf wären uns lieber), andererseits ganz klassisch via Bremspedal. Allerdings wird auch beim Tritt auf das Bremspedal zunächst rekuperiert, also Energie zurückgewonnen und in die Batterien gespeist – erst bei stärkerem Druck packen die Bremsbeläge zu. 

Ganz kaschieren konnte (und wollte) man die (für Audi) neue Antriebsquelle freilich auch nicht. Die Ladeanschlüsse, beiderseits hinter den vorderen Radkästen platziert, etwa sind ein eindeutiges Indiz. Warum sich Audi gegen einen zentralen Anschluss an der Fahrzeugfront entschieden hat? Weil die Defektanfälligkeit (z.B. durch Vereisung) während der ausgiebigen Testphase angeblich zu hoch war.

Und wenn wir schon beim Thema Laden sind: Die e-tron-Batterie kann via Gleichstrom mit bis zu 150 kW aufgeladen werden, allerdings nur an der linken Fahrzeugseite. Der Anschluss auf der rechten Seite hingegen ist technisch simpler ausgeführt, hier ist nur Wechselstrom-Laden möglich. 

Und dann ist da an optischen Besonderheiten auch noch das Kamera-basierte Rückblick-System, das die klassischen Seitenspiegel ersetzt – so man sich das wünscht und so man bereits ist, dafür rund 1.500 Euro extra zu zahlen. Wir konnten das System bei Tag und Nacht, Sonnenschein und Bewölkung ausprobieren und sind, naja, teils angetan, teils skeptisch.

Angetan deshalb, weil auch in den Abendstunden ein tadelloser Blick nach hinten gewährleistet war (besser sogar als mit einem herkömmlichen Seitenspiegel). Skeptisch hingegen deshalb, weil die Oled-Displays in der Türverkleidung untergebracht wurden. Dies führt dazu, dass man beim Blick zu Seite unweigerlich auch ein Stückerl nach unten schauen muss. Der deshalb veränderte (tiefere) Fokus sorgt jedoch für ein eingeschränkteres Sichtfeld, weil aus dem Augenwinkel heraus schlicht weniger wahrgenommen werden kann (im Vergleich zu einem normalen Blick in den höher platzierten Seitenspiegel). 

Zwei technische Vorteile des Kamerasystems gegenüber den klassischen Seitenspiegeln: 1. Mehr Reichweite dank des geringeren Luftwiderstands (theoretisch 2,5 Kilometer, um genau zu sein). 2. Weniger Fahrgeräusche dank der besseren Aerodynamik. 

Wie weit der Elektro-Audi kommt

Rufen wir uns an dieser Stelle noch einmal kurz die Batterie-Kapazität in Erinnerung: 95 Kilowattstunden. Das ist, als bloßer Wert betrachtet, recht anständig, in dieser Fahrzeugkategorie aber alles andere als ungewöhnlich. Nur zum Vergleich: Die zuvor genannten Konkurrenten Jaguar I-Pace und Tesla Model X verfügen über 90- bzw. 100-Kilowattstunden-Batterien. Audi selbst gibt für den e-tron eine Reichweite (nach WLTP-Standard) von bis zu 417 Kilometer an, was wiederum einem Verbrauch von rund 23 kWh/100 km entspricht. Soweit die Theorie.

Die Realität sah dann so aus: Milde Außentemperaturen, die Teststrecke führte vorrangig über zügig gefahrene, flache Autobahnen-Etappen (maximale Geschwindigkeit: 130 km/h), dazwischen gab's eine kurze Bergpassage, und Stadtfahren war auch dabei. Der via Bordcomputer ausgewiesene Verbrauch pendelte in Folge rund um die 30-kWh-Marke, umgerechnet auf die Reichweite ergibt dies einen Wert von rund 320 Kilometern. Nun, das ist kein Fabelwert, angesichts der Rahmenbedingungen (schweres Auto, hohes Durchschnittstempo, ständiger Klimaanlagen-Betrieb etc.) aber ein erwartbares Ergebnis.  

Jedenfalls sind wir bereits jetzt mächtig neugierig darauf, wie sich der e-tron auf unserer auto touring-Normrunde schlagen wird. Die Vorgaben liegen bei 370 Kilometern (Jaguar I-Pace) sowie 410 Kilometern (Tesla Model X). Einen entsprechenden Testbericht haben wir für das Ende des 1. Quartals 2019 bereits eingeplant. 

Was der e-tron kostet

In Österreich kostet der e-tron zumindest 82.000 Euro – und viel mehr ist zum jetzigen Zeitpunkt auch noch nicht bekannt.