25 Jahre Porsche Boxster

Porsche-Puristen nahmen ihn am Anfang nicht ernst – doch heute ist der zweisitzige Mittelmotor-Roadster, der vor einem Vierteljahrhundert die Marke rettete, längst etabliert.

Viel los war 1996: Wir kleben erstmals eine Autobahn-Vignette auf die Scheibe. Die Grenzen für Mobiltelefone sind gefallen, wir können via GSM-Handy auch im Ausland erreichbar sein. Unsere Jeans sitzen nur noch knapp auf den Hüften, wer es sich leisten kann, trägt Helmut Langs puristischen Stil zur Schau. Der Sommerhit heißt "Macarena", Österreichs Bundeskanzler ist seit zehn Jahren Franz Vranitzky. Apple steckt tief in der Krise, Bill Gates’ Windows95 hat sich durchgesetzt.

Doch nicht nur Apple droht zum Übernahmekandidaten zu werden, auch Porsche. Ganze 237 Exemplare werden in Österreich verkauft, international geht es auch nicht besser.

Die 90er: Porsche in der Krise

Schon Jahre zuvor war der Sportwagen-Hersteller in wirtschaftliche Schieflage gekommen. Die Produktionskosten für den Klassiker 911 waren zu hoch – vor allem deshalb, weil der Elfer und die weiteren Modelle der Marke überhaupt keine gleichen Teile aufwiesen.

Die weiteren Modelle, das waren der von 1977 bis 1995 produzierte "große Porsche" 928 mit dem V8-Motor und der kleinere, ebenfalls 1995 eingestellte 968. Allesamt mit Frontmotor und Hinterradantrieb. Der 968 wurde bis zuletzt von puristischen Porsche-Fans nicht wirklich ernst genommen, war er doch nichts anderes als eine Weiterentwicklung des 924 mit ziemlich vielen Teilen aus der VW-Großserie, noch dazu gebaut von Audi. Ursprünglich hätte er ja Anfang der 1970er-Jahre Nachfolger des VW-Porsche 914 werden sollen, erst durch die VW-Entscheidung, den Scirocco zu bauen, mutierte er zum Porsche.

Auch der Boxster, Porsches Exit-Strategie aus der Krise, teilte anfangs dieses Schicksal des Nicht-ernstgenommen-Werdens: Er war nur halb so stark wie der stärkste 911 (Modellreihe 993, die letzte luftgekühlte Version übrigens) und besaß wie der 914 einen Mittelmotor, einen mit Wasserkühlung.

Mit ihm sollten aber auch ganz neue Kundenschichten erschlossen werden – und diese Rechnung ging auf. Nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil vor 25 Jahren kleine Roadster voll im Trend waren, etwa der Mazda MX-5, die Elise von Lotus oder der MR-2 von Toyota – und der Boxster für den halben Preis eines Elfers die Möglichkeit bot, einen Porsche zu erwerben.

Der Wendepunkt

Blenden wir noch einmal zurück in das Jahr 1996, in dem der Boxster seine Premiere feierte: Die Öffentlichkeit war eigentlich schon auf das neue Einstiegsmodell vorbereitet, weil Porsche drei Jahre zuvor anlässlich der Detroit Motor Show eine (nicht fahrfähige) Studie präsentierte, die Aufsehen erregte: einen zweisitzigen offenen Sportwagen ganz im Stil des legendären Rennsport-Roadster 550 Spyder. Das war das Auto, in dem James Dean sein Leben ließ und das durch diesen Unfall endgültig zur Legende wurde.

Das nach "Boxer" (der für den 911 typischen Motor-Bauweise) und "Roadster" (eben die Karosserieform) benannte Modell, mit dem Porsche die Akzeptanz beim Publikum austesten wollte, zeigte aber auch stilistische Anklänge an einen weiteren Rennwagen der Marke, den 718 RS aus dem Jahr 1960. Auf dessen Tradition beruft sich übrigens auch der aktuelle Boxster, der seit 2016 eigentlich "718 Boxster" heißt.

1991 sorgte eine neue Management-Generation dann für den Wendepunkt. Die Haupt-Beteiligten dabei: Produktions-Vorstand Wendelin Wiedeking, später CEO von Porsche, und der Wiener Horst Marchart, Vorstand für Forschung und Entwicklung.

Die Idee war, aus dem Roadster-Konzept sowie Bauteilen eines kommenden 911 (vor allem die Frontpartie, um eine klare Identifikation als Porsche zu gewährleisten) eine weitere Modellreihe zu schaffen. So konnte man die Herstellungskosten um ein Drittel reduzieren. Mit diesen Vorgaben ging man ans Werk.

Gesagt, getan. Die Vorgaben, mit denen sich die Designer ans Werk machten, waren, lauteten also: Mittelmotor, kurzer Karosserieüberhang am Heck, deutlich über die Vorderachse hinausreichende Front und ein mittig liegendes Auspuff-Endrohr, markant gestaltete Lufteinlässe und Luftaustrittsöffnungen  – alles Elemente, die Anklänge an die Ahnen schaffen sollten.

Dazu noch Gestaltungselemente wie die Frontscheinwerfer des nächsten Elfers ("Spiegeleier-Scheinwerfer"), im Innenraum in Wagenfarbe lackiertes Metall bei Türtafeln, Instrumententräger und Mittelkonsole.

Ursprünglich wollte man die Studie erst im März 1993 am Genfer Salon herzeigen, doch weil die Zeit drängte und der US-Markt der größte anvisierte war, verschob man den Termin um drei Monate nach vorn, auf die Detroit Auto Show im Jänner.

Die Rechnung ging auf – das Auto schlug ein. Noch am Autosalon wurden die ersten Bestellungen getätigt – und das, obwohl noch kein Preis genannt worden war. Intern war man entschlossen, in Deutschland 30.000 DM unter dem 911 zu bleiben.

Vorausgegangen waren aber noch einige Querelen, die zwar nichts mit der Studie, wohl aber mit dem Endprodukt zu tun hatten: Ferdinand Piëch, damals Audi-Chef, wollte aus Kostengründen einen V6-Motor, der entweder zugekauft oder gleich am besten bei Audi produziert werden sollte. Doch das Team Wiedeking/Marchart setzte sich durch und konnte beweisen, dass ein am Hubraum abgespeckter hauseigener Boxermotor doch günstiger zu produzieren sei. Und dass das Auto dadurch ein echter Porsche wäre. 

1996: Der Boxster ist da

Es sollte noch drei Jahre dauern, bis man den Boxster tatsächlich kaufen – genauer gesagt vorbestellen – konnte. Blenden wir noch ein letztes Mal zurück.

Am 26. Juni 1996 schickt Porsche folgende Pressemitteilung an die Redaktionen: "Der neue Porsche Boxster, der im September der Öffentlichkeit vorgestellt wird, bietet in der Summe seiner Qualitäten einen neuen Leistungs- und Sicherheitsstandard im Marktsegment der offenen Sportwagen."

Im schönsten Marketing-Sprech werden noch die Wirtschaftlichkeit ("...durch den selbst nachstellenden Antriebsriemen entfallen Nachstellarbeiten und der Wartungsaufwand wird minimiert"), die aufpreispflichtige neue Fünfgang-Tiptronic-S-Automatik, der typische Boxer-Sound und das elektrisch ("... in nur 12 Sekunden") zu öffnende Verdeck ausgelobt.

Als Markteinführungsdatum wird der 18. Oktober genannt, ausgeliefert werden die ersten Exemplare allerdings erst Anfang 1997. Der Preis damals: 649.000 Schilling (entspräche heute 47.165 Euro). Der Einstiegspreis heute, 25 Jahre später: 69.951 Euro.

Die vier Boxster-Generationen

Manche Porsche-Enthusiasten reagierten Macho-mäßig und nahmen den Boxster trotz Porsche-Motor und Gleichteile-Strategie zuallererst auch nicht wirklich als Porsche wahr, sprachen von einem netten Frauenauto. Dass er anfangs als Auftragsproduktion bei Valmet Automotive in Finnland gebaut wurde, war dabei nur Wasser auf ihre Mühlen.

Doch der neue Roadster wurde wurde rasch ein großer Erfolg. Ein so großer, dass er tatsächlich die Marke retten konnte. Ohne ihn gäbe es heute keinen Elfer mehr, keinen Cayenne, keinen Macan und schon gar keinen elektrischen Taycan. Von der allerersten Boxster-Serie sind in Österreich heute noch sechs Exemplare angemeldet.

Blättern wir ein wenig im Bilderbuch über vier Boxster-Generationen hinweg. 

Und jetzt: Ab auf die Piste!

Als der Boxster 1996 erschien, musste ein klassischer Porsche – das war damals für viele ausschließlich der 911 – über Heckmotor und Hinterradantrieb verfügen. Die Zeit, als diese Konstellation ungeübte Fahrer, die den Nimbus der Sportwagenmarke auskosten wollten, noch vor Herausforderungen stellte, war dank mechanischer und elektronischer Traktionshilfen zwar schon vorbei, aber ein Fahrzeug mit Mittelmotor zu beherrschen?

Es hieß zwar, dass dabei der Schwerpunkt in der Mitte des Autos liegt und ein sagenhaftes Handling ermöglichte – doch nur bis zu einem gewissen Punkt. Würde der überschritten, liefe man Gefahr, unkontrolliert auszubrechen und im schlechtesten Fall einen Abflug von der Straße zu riskieren.

Diese Einschätzung stammt allerdings noch vom VW-Porsche  914, dem einschlägige Testberichte vor 50 Jahren in der Tat eine "heikle Straßenlage" auswiesen.

Um zu überprüfen, wieviel von dieser Stammtischweisheit heute noch wahr ist, wagten wir unter Aufsicht eines zweimaligen Rallye-Weltmeisters ein paar Runden auf der Schnee- und Eispiste beim Flugplatz Zell am See – dort, wo vor Zuschauern eigentlich das dritte GP Ice Race seit 2019 hätte stattfinden sollen. Nicht im Boxster, sondern der winterlichen Kälte geschuldet unter dem festen Dach des Cayman. 

Stichwort Cayman: Von Porsches Blechdach-Boxster wurden im vergangenen Jahr exakt 6.413 Exemplare gebaut, vom Roadster 12.630. Weltweit entscheiden sich also zwei Drittel der Kunden für das offene Original. In Österreich hingegen lag der Anteil der verkauften Boxster 2020 bei 45 Prozent.

Walter Röhrl fährt zuerst voran, um ein kontrolliertes Gefühl für die rutschige Piste zu vermitteln. In Runde zwei heißt es: "Assistenzsysteme abschalten" und sich zuerst einmal an das Gefühl gewöhnen, wie auf rohen Eiern unterwegs zu sein. Zwei Runden später die Erkenntnis: Funktioniert auch ohne Traktionskontrolle.

Röhrl verlässt die Piste, um seine nächsten Anweisungen via Funkgerät durchzugeben. Zuerst einmal heißt es: "Vor der Kurve runter vom Gas, nicht bremsen, sondern einfach einlenken!" Erstaunlich, wie kontrollierbar das Auto dabei bleibt. Wie auf Schienen vollzieht es den 90-Grad-Turn.

Rallyeprofessor Röhrl hat die Erklärung dazu: "Ein Mittelmotor-Auto stabilisiert sich viel früher und besser. Die Massen liegen ja zwischen den Achsen – und nicht weit draußen. Das ist der Vorteil des Konzepts. Je weiter draußen, umso empfindlicher wird es, wenn man ins Rutschen kommt."

Eine Runde darauf dann die Verschärfung: "Jetzt zuerst einmal ganz sachte in der Kurve Gas geben." Kein Problem. Bald heißt es: "Jetzt ordentlich aufs Gas und sofort gegenlenken, wenn das Auto ausbricht." Was auf der Stelle funktioniert. Wenn man es drauf anlegt (und beherrscht!), könnte man die Kurven auch mit weniger Lenk-Eingriffen, aber mehr Einsatz des Gaspedals meistern. Was aber im Straßenverkehr ein absolutes No-Go ist. Tatsache ist aber: Der Fahrspaß, den ein Auto mit Mittelmotor bietet, kommt auch ganz ohne Kunststücke rüber.

Der Jubiläums-Boxster

Noch ist die Zeit nicht reif für eine neue Generation des Mittelmotor-Sportwagens. Porsche feiert das Vierteljahrhundert Boxster mit einem Jubiläumsmodell in markentypischem Traditions-Silbermetallic, mit rotem Leder-Interieur, rotem Stoffdach, 94 kW (400 PS) starkem Vier-Liter-Sechszylinder-Boxermotor und sehr vielen Extras inklusive. Das Sondermodell ist auf 1.250 Einheiten limitiert, maximal 15 Stück sind für Österreich vorgesehen. Der Preis: ab 119.328 Euro.

Boxsterfahren ist grundsätzlich auch um etwas weniger Geld möglich: Einstiegsmodell ist der 718 Boxster, das 300 PS starke Vierzylindermodell mit halbem Hubraum, erhältlich ab 69.951 Euro.

Die Zukunft für den Boxster ist auch schon definiert: Roadster und Cayman wird es künftig (ab der nächsten Generation?) auch elektrisch – Prototypen sind bereits unterwegs – und teilelektrifiziert als Plug-in-Hybride geben. 50 Jahre Boxster wird dann ganz sicher nur mit E-Antrieb gefeiert werden.