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Flug der Hoffnung

Bei unvorhergesehenen Komplikationen müssen Früh- oder Neugeborene oft auf eine Neonatologie verlegt werden. Ein neues Konzept macht diese heiklen Verlegungsflüge nun flexibler.

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Ein Krankenhaus irgendwo in Niederösterreich. Nur wenige Stunden nach der Geburt kommt es bei dem kleinen Jan (Name von der Redaktion geändert) zu lebensbedrohlichen gesundheitlichen Problemen – eine schwerwiegende neurologische Komplikation, die eine rasche Verlegung in ein hoch spezialisiertes Neugeborenen-Zentrum nötig macht.

Expert:innen auf Abruf

Wenn es schnell oder über weite Strecken gehen muss, stehen für derartige Verlegungen auch die Notarzthubschrauber der Christophorus-Flotte zur Verfügung. Da die medizinische Betreuung eines noch nicht vollständig entwickelten Organismus jedoch überaus komplex ist, braucht es dafür Spezialist:innen. Daher bleibt im Regelfall die:der diensthabende Notärzt:in am Boden und wird durch ein Neonatolog:innen-Team ersetzt, das zunächst beim Neugeborenen-Zentrum an Bord genommen wird. Da diese Teams jedoch an ihren jeweiligen Stationen zusehends unabkömmlich werden, hat die ÖAMTC-Flugrettung ein neues Konzept entwickelt.

Am Stützpunkt des Intensivtransporthubschraubers Christophorus ITH in Wiener Neustadt kann jetzt binnen kürzester Zeit auf Expert:innen zurückgegriffen werden. Zusätzlich zur Crew, die zwischen acht und 21 Uhr regulär im Dienst ist, gibt es nun auch Neonatolog:innen sowie (Kinder-)Anästhesist:innen mit Inkubatorkompetenz, die während der Dienstzeiten telefonisch erreichbar sind und innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit am Stützpunkt sein können. Diese neue Flexibilität garantiert, dass die kleinen Patient:innen genau die Versorgung und Transportbedingungen bekommen, die sie benötigen.

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- Um den Inkubator zu manövrieren, braucht es viele helfende Hände., © ÖAMTC/Postl

Baby an Bord

Aber nun zurück zu Jan. Mittlerweile ist C ITH mit dem Neonatologen Lorenz Sommer, der an diesem Tag Bereitschaftsdienst hat, am Dachlandeplatz des Krankenhauses eingetroffen. Da Säuglinge sehr empfindlich auf äußere Einflüsse sind, muss jetzt alles schnell und reibungslos gehen. Jan ist schon bereit für den Transport. Seitens des betreuenden Ärzt:innen-Teams wurde er genau untersucht und auch erste therapeutische Maßnahmen wurden schon gesetzt. Als Nächstes muss der kleine Erdenbürger mit größter Sorgfalt in den Transportinkubator des Hubschraubers umgelagert werden. Dabei wird großes Augenmerk darauf gelegt, dass die intensivmedizinische Überwachung, die künstliche Beatmung und auch die kontinuierliche Medikamentengabe zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sind. Sobald Jan sicher im Helikopter untergebracht ist, werden letzte Details geklärt und C ITH startet mit seinem kleinen Patienten in Richtung Wien.

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- Baby an Bord, © ÖAMTC/Postl

Sichere Flug

Während des Fluges überwachen Lorenz Sommer und die mitfliegende C ITH-Notärztin Heidrun Losert permanent Jans Zustand. Dabei spielen Körper- und Umgebungstemperatur eine entscheidende Rolle. Die große Körperoberfläche eines Babys, gemessen am geringen Körpergewicht, birgt die Gefahr, sehr rasch auszukühlen. Der 37 Grad Celsius warme Transportinkubator beugt dem vor. Zudem befinden sich Früh- und Neugeborene bei der Geburt in einem Stadium der Entwicklung und müssen sich den neuen Verhältnissen außerhalb des mütterlichen Körpers erst anpassen. Manche Körperfunktionen, wie zum Beispiel die Beatmung, müssen deshalb künstlich unterstützt oder gar vollständig von einer geeigneten Beatmungsmaschine übernommen werden.

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- Permanente Überwachung, © ÖAMTC/Postl

Ankunft in der Klinik

Nach einem knapp zehnminütigen Flug setzt Pilot Klaus Rainer den Hubschrauber am Landeplatz der Klinik in Wien auf. Jans Zustand ist stabil und es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Aufgrund des künstlichen Tiefschlafs hat er die potenziell stressige Situation gar nicht mitbekommen. Er wird den Ärzt:innen der neonatologischen Intensivstation übergeben und die C ITH-Crew weiß, dass er nun in besten Händen ist.

Aktuell fliegt allein der Intensivtransporthubschrauber der ÖAMTC-Flugrettung jährlich etwa 30 Überstellungsflüge für Frühchen oder Neugeborene. Die Etablierung des zusätzlichen Bereitschaftsdienstes ermöglicht nun, bis zu 100 kleine Erdenbürger:innen bei ihrem schweren Start ins Leben zu unterstützen – und das nicht nur auf kurzen Strecken, sondern bei Bedarf sogar in ganz Österreich.

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- Der Transportinkubator, © ÖAMTC/Postl

Besonderheiten des Transportinkubators

Inkubatoren für den Flugbetrieb ähneln zwar jenen Geräten, die in Kliniken und Rettungsfahrzeugen eingesetzt werden, müssen allerdings den speziellen Anforderungen – in erster Linie Platz und Gewicht – für den Transport im Hubschrauber gerecht werden. Fluginkubatoren sind daher kleiner, leichter und stabiler. Montiert sind sie auf einer Trage (Stretcher). Diese Konstruktion muss entsprechend den Bauvorschriften der europäischen Luftfahrtbehörde (EASA) ausgeführt und zertifiziert sein. Das heißt, sie muss 20 g (20-fache Erdbeschleunigung) nach unten aushalten. Aufgrund dieser Zertifizierung unterliegt der Inkubator einem genau definierten Wartungs- und Instandhaltungsprogramm, das nur von eigens dafür qualifizierten Techniker:innen durchgeführt werden darf.

Ralph Schüller ÖAMTC/Postl

Ralph Schüller mag Hubschrauber – zumindest im beruflichen Kontext als Teil des Teams der ÖAMTC-Öffentlichkeitsarbeit. Im privaten Bereich geht er es etwas leiser an, mit dem Rad oder gerne auch per pedes. Laut nur dann, wenn er zur Posaune greift.