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© Heinz Henninger
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August 2018

Kurs auf Dresden

Vier Tage unterwegs mit Auto, Dampflok und Raddampfer durch Sachsen: ein spannendes Land, geprägt von August dem Starken, von Kunst und Kultur, bahnbrechenden Erfindungen und einem blauen Wunder.

Sachsen ist mehr als Dresden und die Frauenkirche, der Zwinger und die Semperoper. Sachsens Glanz  ist noch immer geprägt von August dem Starken. Als absolutistischer Selbstdarsteller hinterließ er eine Fülle von Lustschlössern, bei deren Erkundung einem auch heute noch die Spucke wegbleibt, als manischer Sammler hinterließ er Schatzkammern wie das Grüne Gewölbe und die Gemäldegalerie Alte Meister. Und als einer, der seinen Reichtum ins Unendliche vermehren wollte, ließ er in Europa Porzellan entwickeln und begründete 1710 die erste Manufaktur – in Meißen.

200 Jahre nach ihm war aus dem Kurfürstentum eine Art Silicon Valley der damaligen Hochtechnologie geworden: Überall dampften Loks durchs Land – sie tun es sehr oft auch noch heute, was Sachsen zum Paradies für Eisenbahnfreaks macht. Viele der besten Autos der Welt kamen von hier. Und auf der Elbe verkehrten Raddampfer – zwei fahren noch immer. Mit Kurs auf eine legendäre Brücke in Dresden – auf das Blaue Wunder.

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Tag eins: ein Lokschuppen und eine untergrabene Stadt

Begonnen hatte die Reise schon vier Tage zuvor. Das auto touring-Team kam über Karlsbad nach Sachsen und hatte als erstes Zwischenziel Zwickau ins Navi eingegeben. Doch es sollte ganz anders kommen. Als wir den Kamm des Erzgebirges hinter uns hatten, stach uns in der ersten Kreisstadt, die wir passierten, ein Hinweisschild ins Auge: "Eisenbahnmuseum Schwarzenberg". Gesehen, gegoogelt: Es ist in einem Lokschuppen untergebracht und öffnet in zehn Minuten. Nichts wie hin.

Schwarzenberg im Erzgebirge liegt am Schnittpunkt dreier regionaler Bahnlinien, die durch die Teilung Deutschlands und Europas nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Bedeutung verloren hatten – und sie nach der deutschen Wiedervereinigung nie mehr erlangen konnten. Das ehemalige Bahnbetriebswerk, das in der DDR als großes Ausbesserungswerk für Dampflokomotiven verwendet wurde, drohte zu verfallen und wurde 1990 vom Verein Sächsischer Eisenbahnfreunde übernommen, der dort ein wahres Gustostück sanierte: den Lokschuppen. 

Vierzig Kilometer sind es nun von hier nach Zwickau, in die mit ihren 90.000 Einwohnern Sachsens viertgrößte Stadt, unserem ersten Etappenziel. Zwickau bekam in den letzten Jahren wegen rechtsradikaler Umtriebe ein Imageproblem, dem die Stadt-Verantwortlichen mit viel Engagement in Sachen Kunst und (Industrie-)Kultur kontern. Zwickau ist seit 1316 Bergwerksstadt, unter Markgraf Friedrich dem Gebissenen wurde begonnen, Silber und Kupfer abzubauen. Friedrich der Gebissene? Der Sage nach wurde er von seiner Mutter Margaretha von Staufen in die Wange gebissen, als diese sich von ihrem Gatten nach dessen Ehebruch trennte. Die Untreue von Friedrichs Vater Albrecht dürfte legendär gewesen sein, nannte man ihn doch den "Entarteten".

Neben Silber und Kupfer wurde bald in großem Stil Steinkohle abgebaut. Über 600 Jahre lang wurde der Boden bis ins Zentrum hinein von so vielen Schächten durchzogen, dass er immer wieder absackte – sogar der Zwickauer Dom war betroffen und erhielt deshalb vor einem Jahr zwei riesige Holzstützen zur Stabilisierung. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war dann Schluss mit dem Bergbau.

Ein Spaziergang durch den Stadtkern Zwickaus lohnt sich auf alle Fälle. Rund um Domhof und Hauptmarkt vermitteln alte Häuser (die ältesten stammen aus dem 13. Jahrhundert) und belebte Plätze fast schon mediterranes Flair.

Zwickau ist nicht nur die Stadt Robert Schumanns, sondern auch die des Auto-Pioniers August Horch. Obwohl der ja gar nicht hier geboren wurde. Aber er begründete zwei große Automobilwerke in der Stadt: das der heute nur noch Insidern bekannten und nach ihm benannten Marke Horch – und Audi. Denn "Audi" ist die Übersetzung seines Namens, des Imperativs von "hören", ins Lateinische. Teile der Fabriken, die er begründete, sind noch heute vorhanden. Sie beherbergen das August-Horch-Museum, das nächste Ziel unserer Recherche. Eigentlich wollten wir an dieser Stelle drei Bilder bringen, die die Gustostückerl des Museums zeigen. Doch vor Ort bemerken wir: Da sind viel mehr Autos ausgestellt, die es sich zu zeigen lohnt. Wir beschließen, eine eigene Geschichte über das vor kurzem fast auf die doppelte Größe erweiterte Museum zu machen und an dieser Stelle nur zwei Bilder zu zeigen. Die Reportage aus dem Horch-Museum findet sich hier.

Neben historischen Horchs und Audis sind übrigens noch weitere Autos jener Marken zu sehen, die aus diesen beiden hervorgingen. Bis hin zum DDR-Plastikbomber Trabant, der auf dem heutigen Museumsareal erzeugt wurde. 

Tag zwei: vom Weißen Gold zum Wasserschloss

Am nächsten Morgen geht es zuerst einmal zur Autobahn A4 und nach 80 Kilometern über die Bundesstraße 101 an die Elbe – nach Meißen, unserem ersten Etappenziel heute. Die Stadt wurde im Jahr 1423 unter Friedrich dem Streitbaren zur Residenzstadt und gilt daher als Wiege Sachsens.

Eineinhalb Stunden nach dem Frühstückskaffee im Zwickauer "Alex" am Hauptmarkt sind wir am Ziel, dem Parkdeck an der Meisastraße. Sehr bequem, wie sich bald herausstellen sollte: Gleich gegenüber ist ein gläserner Schrägaufzug, der uns 33 Höhenmeter erspart und 40 Sekunden lang eine gute Aussicht auf die weniger bekannte Seite der Stadt bietet, ehe wir an der Albrechtsburg aussteigen. 

Wir wandern weiter, und zwar auf direktem Weg zur Porzellanmanufaktur. Seit 1710 wird in Meißen Porzellan gemacht. Unter der Marke "Meissen" – im Gegensatz zur Stadt mit Doppel-s geschrieben.

Es war ein schwieriger und steiniger Weg, bis es dazu kam: Weil die genaue Rezeptur des teuren, aus China stammenden Materials streng geheim und in Europa unbekannt war, versuchten vor allem Glücksritter, das damals so genannte "Weiße Gold" zu erzeugen. Einer von jenen, die behaupteten, aus ursprünglich wertlosen Materialien echtes Gold herstellen zu können, war der Alchemist und Apothekerlehrling Johann Friedrich Böttger. Kurfürst August der Starke bekam davon Wind, sperrte ihn in der nahen Festung Königstein ein und ließ ihn forschen. Nach misslungener Flucht (bis ins niederösterreichische Enns!) forschte er in Dresden unter Bewachung weiter. Nicht nur an der Herstellung von echtem Gold, sondern auch an der von Porzellan. Nur letztere gelang Böttger – und in der Meißener Albrechtsburg wurde die erste Produktionsstätte in Europa gegründet.

1863 übersiedelte die Manufaktur von der Albrechtsburg an ihren heutigen Standort. Wir betreten das moderne Empfangs- und Ausstellungsgebäude, um uns die Produktion anzusehen. Der Chef der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen Gmbh, der uns die Türen der Schauwerkstätte öffnet, ist übrigens ein Österreicher: Georg Nussdorfer.

Ein Besuch der Manufaktur lohnt sich auf alle Fälle, wenn man, so wie wir, mehr zum Thema Porzellan erfahren möchte. So wussten wir etwa nicht, dass das seit 250 Jahren in der ältesten Grube Europas abgebaute Kaolin für das spezielle, strahlende Weiß der Produkte verantwortlich ist, oder dass im Archiv des Hauses über 10.000 Farbrezepturen und 700.000 Formen aus mehr als 300 Jahren lagern.    

Die "Erlebniswelt Haus Meissen" bietet neben einem Fabriksverkauf auch eine Konditorei, in der Kaffee und Kuchen auf edlem hauseigenen Porzellan serviert wird. Wer das berühmte Porzellan günstiger erwerben möchte, kann dies auch vor Ort im Outlet tun, wo Zweitsortierungen (mit nur für wirkliche Experten erkennbaren kleinen Fehlern) angeboten werden.

Wir haben jedoch keine Zeit zum Stöbern, unser Tages-Pensum heute ist dicht getaktet. Es geht 15 Landstraßen-Kilometer weiter nach Moritzburg. Auch ein Ort, an dem August der Starke ganz starke Spuren hinterlassen hat: ein barockes Jagdschloss auf einer künstlich aufgeschütteten Insel in einem großen Teich.

Das Wasser im Teich von Schloss Moritzburg wird übrigens Jahr für Jahr im Herbst abgelassen, um den Bestand an Karpfen, Welsen, Hechten und Zander abzufischen. Das geschieht im Rahmen des Fisch- und Waldfestes, bei dem der frische Fisch zum Teil auch vor Ort von Spitzenköchen verarbeitet wird.

Ein Blick auf die Uhr zeigt: Wir sind ziemlich in Verzug. Müssen uns beeilen, sonst fährt der Zug ohne uns. Der Zug ist die Lößnitzgrundbahn, die pünktlich um 18:03 Uhr den Bahnhof Moritzburg verlässt und uns bis 18:30 Uhr ins 8,6 Kilometer entfernte Radebeul bringen soll. Radebeul ist quasi eine Villen- und Garten-Vorstadt Dresdens, eine eigene Stadtgemeinde mit immerhin 34.000 Einwohnern, ihr bekanntester Bewohner war Karl May, der hier in der Villa Shatterhand, in der heute ein Karl-May-Museum untergebracht ist, ab 1895 seinen letzten Wohnsitz hatte. Durchaus möglich, dass er auch diese Bahn benutzte.

Die Lößnitzgrundbahn ist eine der allerletzten Strecken in Deutschland, die noch täglich nach Fahrplan im Dampfbetrieb befahren wird. Sie verbindet Radeburg mit Radebeul und fährt mit maximal 25 km/h schnaufend durch eine wunderschöne Seenlandschaft. Auf einem Damm überquert sie dabei sogar einen Teich.

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Selbst wenn heute – abgesehen von Schülerinnen und Schülern morgens und mittags – in erster Linie Besucher der Region mit der liebevoll "Lößnitzdackel" genannten Bahn unterwegs sind: Gebaut wurde sie 1883/84, um der Land- und Forstwirtschaft sowie der Industrie Radeburgs einen Anschluss nach Dresden und damit ans Fernverkehrsnetz zu ermöglichen. Seinen Höhepunkt erreichte der Personenverkehr mit täglich 28 Zügen in den 1950er-Jahren.

1966 sprach man erstmals von einer Stilllegung der kleinen Bahn, doch die konnte in Ermangelung der Gelder für den Ausbau der begleitenden Straßen nicht realisiert werden. 1975 entschied das Verkehrsministerium der DDR, die Lößnitzgrundbahn zur Touristikbahn zu erklären, womit der Fortbestand bis zur Wende gesichert war. Dann, nach der Wiedervereinigung, drohte erneut das Aus für Strecke und Betrieb. Erst 1998 war die Gefahr vorbei und der Weiterbestand gesichert: Die Sächsische Dampfbahngesellschaft übernahm die Bahn, die heute Teil des Netzwerks Dampfbahn-Route Sachsen ist.

Eigentlich könnten wir nach der Fahrt in Radebeul in die Straßenbahn umsteigen und nach Dresden fahren. Bloß wollen wir uns der Stadt von der anderen Seite her nähern – morgen. Wir fahren deshalb mit der Linie 4 ein paar Stationen weiter bis Radebeul West, denn wir haben einen Tisch im Sächsischen Staatsweingut Schloss Wackerbarth reserviert.

Was kaum jemand in Österreich weiß: Sachsen hat eine große Tradition in Sachen Weinbau, seit mehr als 850 Jahren werden in Steillagen und Terrassen, die zur Elbe hin ausgerichtet sind, Trauben angebaut und zu Weinen gekeltert. Die Anbaufläche ist gering: nur 500 Hektar, knapp mehr als ein Drittel der in der Wachau. Warme, sonnige Tage (das Elbtal gehört zu Deutschlands sonnigsten Regionen) und kühle Nächte fördern die Bildung ausgeprägter Fruchtaromen, erklärt uns Martin Junge vom Weingut Wackerbarth, es handle sich um Cool Climate-Weine mit feiner Struktur.

Tag drei: Zwei klassische Komponisten, das Schloss an der Elbe und ein Raddampfer

Der Tag beginnt für uns früh, weil wir viel vorhaben. Am Vormittag wird es um Kunst und Kultur gehen, und am späten Nachmittag sollen wir (endlich!) Dresden erreichen. Aber bevor wir mit unserer Tagesetappe beginnen, ist erst einmal Stärkung angesagt. Und nichts eignet sich dazu besser als eine typisch sächsische Spezialität: eine Eierschecke. Dabei handelt es sich um einen Blechkuchen aus Germteig mit einem Belag aus Äpfeln, Topfen und Mohn und einer Schicht aus cremig gerührtem Eigelb mit Butter, Zucker und Pudding. In der Konditorei, in der wir sie verspeisen, wird auf einer der Wände ein berühmter Dresdner zitiert, Erich Kästner. "Die Eierschecke ist eine Kuchensorte, die zum Schaden der Menschheit auf dem Rest des Globus unbekannt geblieben ist", soll er gesagt haben. Wir können das nur bestätigen.

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© Heinz Henninger

Landestypisch gestärkt brechen wir auf. Unser erstes Ziel gehört eigentlich schon zu Dresden – zumindest ist es innerhalb der Ortstafeln. Der eingemeindete Vorort Hosterwitz ist von Villen und Gärten geprägt. In einer dieser Villen wurde ein Museum eingerichtet, das einem berühmten Bewohner gewidmet ist: Carl Maria von Weber. Na, klickt’s? Das ist der Komponist des "Freischütz", das lernt man in der Schule. Für uns ist das Museum in erster Linie deshalb interessant, weil es in recht authentischer Weise zeigt, wie zeitgenössisches bürgerliches Wohnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aussah. 

Dorothea Renz, die das Carl Maria von Weber-Museum leitet, berichtet noch von Webers Sohn Max, der erst vier Jahre alt war, als sein Vater in London an Tuberkulose starb. Er wurde ein bedeutender Eisenbahningenieur und schrieb auch die erste Weber-Biographie, die wegen ihres ungenauen Umgangs mit Fakten von der Wissenschaft nicht mehr als verlässliche Quelle eingestuft wird. Und sie erzählt von Webers Dresdner Begräbnis 18 Jahre nach seinem Tod – die Trauerrede hielt Richard Wagner.

Genau das ist die perfekte Überleitung zu unserem nächsten Termin in Sachen Kultur. Eine knappe Viertelstunde später empfängt uns Christian Mühne im Jagdschloss Graupa. Dort wurde eine größere Richard Wagner-Gedenkstätte eingerichtet. Zwar ist Wagners Präsenz in diesem Schloss nicht nachweisbar – doch 200 Meter entfernt ist das Schäfersche Haus, in dem er im Sommer 1846 seinen "Lohengrin" konzipierte. Seit 1894 hängt an diesem Lohengrin-Haus eine Gedenktafel, und bereits 1907 öffnete das weltweit erste Wagner-Museum.

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Wow! Das, was alles über Richard Wagner hier zusammengetragen wurde, kann sich sehen lassen
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Auch seriöse dreidimensionale Darstellungen des Meisters sind hier ausgestellt.
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Und die Totenmaske des Komponisten, der 1883 in Venedig starb.

Die Wagner-Stätten in Graupa zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie musikgeschichtlich eher weniger gebildeten Menschen wie uns einen didaktisch hervorragenden Zugang zum doch recht schwierigen Thema Richard Wagner vermitteln. Deshalb sind auch viele Schulklassen hier zu Besuch. Fad wird den Kids dabei bestimmt nicht, wenn mittels Computersimulationen visualisiert wird, wie die Orchestrierung seiner Musik funktioniert, oder man in berühmte Bühnenbilder virtuell eintauchen kann.

Wir fahren ein Stück zurück Richtung Dresden, wo wir kurz vor Pillnitz einen ganz besonderen, inmitten eines "Rysselkuppe" oder "Königlicher Weinberg" genannten Hügels gelegenen Ort aufsuchen, an dem sich zwei Menschen gefunden haben: Die aus Polen stammende Malgorzata Chodakowska, die an der Akademie der Bildenden Künste in Wien Skulptur & Raum (vulgo Bildhauerei) studierte, und Klaus Zimmerling, "eine Ikone des Weinbaus der neuen Länder", wie er vom Gourmetmagazin Fallstaff bezeichnet wird. Winzer wurde er erst auf dem zweiten Bildungsweg, als dem gelernten Maschinenbauer aus Leipzig die Arbeit in einer Fabrik für Küchengeräte zu langweilig wurde und er sich 1992 um einen Weinberg bewarb, der privatisiert werden sollte. Mit Erfolg – seit damals lebt und arbeitet das Paar hier. Gelernt hat er das Weinmachen übrigens ein Jahr lang in der Wachau.

Die vier Hektar, die er bewirtschaftet, ergeben gerade 15.000 Flaschen im Jahr (praktischerweise füllt er seinen Wein auch in Halbliter-Flaschen).

Und wieder drängt die Zeit. Wie schön wäre es, hier bei Zimmerling noch etwas sitzen zu bleiben und die warme Nachmittagssonne zu genießen. Aber wir müssen weiter, vor der Schiffsfahrt nach Dresden, die am späten Nachmittag noch auf dem Programm steht, wollen wir uns ja noch das nahe Schloss Pillnitz ansehen.

Schön, dass es zur Anlegestelle nicht weit ist – laut Fahrplan legt unser Schiff in 20 Minuten ab.

Die Sächsische Dampfschifffahrt ist seit über 180 Jahren auf der Elbe zwischen Bad Schandau hart an der Grenze zur Tschechischen Republik und Seußlitz, westlich von Meißen am Beginn der Sächsischen Weinstraße, unterwegs. Mit drei jüngeren Motorschiffen und neun historischen Schaufelraddampfern. Als wir um 16:50 Uhr den Steg betreten, taucht unserer schon auf: die "Leipzig" aus dem Jahr 1929, der jüngste und größte Personendampfer der Flotte.

Die 500.000-Einwohner-Stadt Dresden ist erreicht und der Magen knurrt. Zeit für das Abendessen. Wir haben uns dafür einen interessanten Ort ausgesucht: die Gläserne Manufaktur.

Es handelt sich dabei um ein Werk von Volkswagen, das 2002 für die Produktion des (Anfang 2016 ausgelaufenen) Spitzenmodells Pheaton gebaut wurde und nun als Vorzeigebetrieb für E-Mobilität fungiert. Dank seiner Architektur ist es rasch zu einem modernen Wahrzeichen Dresdens geworden. Das hauseigene Restaurant wird von Mario Pattis betrieben. Er war 1994 der erste Küchenchef aus Deutschlands neuen Bundesländern, der vom Guide Michelin mit einem Stern ausgezeichnet wurde.

Tag vier: Dresden – und nichts anderes

Unser Hotel liegt ganz in der Nähe der Frauenkirche. Als wir ums Eck gehen und sie plötzlich Blickwinkel-füllend vor uns steht, sind wir zuerst einmal beeindruckt. Müssen uns eine andere Seitengasse finden, aus der wir sie ganz aufs Bild bringen können.

Nicht einmal 30 Jahre ist es her, da war an dieser Stelle nur ein Trümmerhaufen zu sehen: die verkohlten Reste der Sandstein-Quader, mit denen die Frauenkirche 1743 hier erbaut wurde. Und die 202 Jahre später, in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, während des Feuersturms nach einem höchst umstrittenen riesigen Brandbombenangriff so schwer beschädigt wurde, dass sie am Morgen des 15. Februar schließlich ausbrannte und in sich zusammenstürzte. Der Trümmerberg inmitten einer Stadtbrache im historischen Zentrum wurde 1966 zum Mahnmal gegen den Krieg erklärt. Kurz nach der Wende war die Zeit dann reif für einen Wiederaufbau. 115 der 180 Millionen Euro, die dafür ab 1996 nötig waren, kamen von privaten Spendern. 2005 schließlich war alles fertig, am 30. Oktober, dem Vorabend des Reformationsfestes (es handelt sich um ein evangelisches Gotteshaus) wurde die Frauenkirche wieder eingeweiht.

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© Heinz Henninger

Die unterschiedliche Färbung der Sandsteinquader der Frauenkirche ist einfach zu erklären: Die hellen sind die für den Wiederaufbau nachgefertigten, die dunklen sind die originalen des ursprünglichen Baus, noch vom Ruß des Feuersturms gezeichnet. 

Rund um die Frauenkirche sind auch die bedeutendsten historischen Bauwerke der Stadt zu finden: das Residenzschloss, der Zwinger, der Semperbau, die Semperoper, die Kathedrale und die Elbterrassen. In ihnen befinden sich viele Museen mit ihren Sammlungen, die zu den wertvollsten Europas zählen, allen voran die Gemäldegalerie Alte Meister, das Historische und das Neue Grüne Gewölbe. 

Vom Weltkriegs-Feuersturm bis zur Wende war der größte Teil der Altstadt Dresdens eine Stadtbrache. Erst dann begann man mit dem Wiederaufbau. Genau genommen sind also viele der wieder entstandenen Bauwerke historisierende, weil sie mit heutigen Materialien gebaut und mit moderner Technik ausgestattet wurden. 

Noch immer gibt es im Zentrum brach liegende Flächen, die aber praktisch alle bereits verkauft sind. Die Investoren, die sie erwarben, müssen sich an ganz strenge Regeln halten: Das historische Straßenraster muss genauso wie die historische Traufhöhe eingehalten werden, die Fassaden müssen sich an den ehemaligen orientieren. Erst dahinter beginnt für die Architekten ihre Freiheit. So stecken hinter mehreren kleinen Hausfassaden, die den Anschein einzelner alter Gebäude erwecken, oft größere Häuser, Durchhäuser oder gar Einkaufszentren.

Tatsache ist: Ein Tag in Dresden vergeht schnell. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt, ihn erst ganz spät am Abend zu beenden, denn da sorgen der Nachthimmel und die Beleuchtung für einen ganz eigenen Zauber. Wir haben versucht, ihn einzufangen.

Das ÖAMTC-Reisebüro bietet immer wieder Reisen nach Sachsen und Dresden an. Ein konkretes Angebot für den Spätherbst 2018 finden Sie hier.

Unterlagen und Informationen bieten die Deutsche Zentrale für Tourismus, Sachsen Tourismus, Tourismusverband Elbland Dresden und Zwickau Tourismus.

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