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Spritpreise und ihr Einfluss auf die Mobilität

2022 sahen sich die Menschen in Österreich mit massiv gestiegenen Spritpreisen konfrontiert, die heuer erstmals die 2-Euro-Marke übersprungen haben. In der bisher detailliertesten Studie zu diesem Thema hat Invenium Data Insights, eine Tochter der A1 Telekom Austria Group, für den ÖAMTC analysiert, welche Auswirkungen diese Mehrbelastung auf den motorisierten Individualverkehr hatte. In diesem Artikel finden Sie die wesentlichen Ergebnisse sowie die Präsentation zur Studie als Download.

Der ÖAMTC zieht aus der Analyse drei wesentliche Schlussfolgerungen:

  1. Der Großteil der Menschen fährt - trotz hoher Spritpreise - mit dem Auto, weil er darauf angewiesen ist.
  2. Autofahrer:innnen reagieren auf hohe Spritpreise mit einer deutlich langsameren Fahrweise.
  3. Bei der Öffi-Nutzung ist eine Zunahme gegenüber 2019 zu beobachten, allerdings vor allem im Freizeit-Bereich.

Fahrtweiten von Spritpreis unbeeinflusst

Laut Invenium zeigen die Ergebnisse der Untersuchung, dass sich die Gesamtfahrtweite im motorisierten Individualverkehr aller Personen in Österreich, ausgehend von November 2019 als Referenzwert, über die beobachtete Zeitreihe hinweg verändert hat. Speziell 2021 bis April 2022 wirkten sich Einflussfaktoren wie die Quarantäne aufgrund von COVID-19 sowie aus der Pandemie entstandene nachgelagerte Effekte, zum Beispiel Home-Office, auf die Fahrtweiten aus und führten zu deren Reduktion. Im September und Oktober 2022 näherten sich die Fahrtweiten trotz immer noch teurer Kraftstoffe wieder jenen von November 2019 an. Für Michael Cik, Verkehrswissenschafter und Co-Gründer der Firma Invenium, ist das ein Hinweis auf eine verstärkte Rückkehr aus dem Home-Office an den Arbeitsplatz. Mögliche Gründe könnten die steigenden Energiekosten sein, die den Arbeitsplatz an Attraktivität gewinnen lassen. Weiters führt Cik aus, dass die verbleibende Reduktion der Gesamtfahrtweite im motorisierten Individualverkehr auf Home-Office sowie virtuelle Mobilität (Kommunikation bzw. Austausch unter Zuhilfenahme digitaler Werkzeuge und Plattformen) und nicht auf die gestiegenen Spritpreise zurückzuführen ist.

ÖAMTC sieht Angewiesenheit auf den Pkw bestätigt

Wenn ein Rückgang der Fahrtweiten nicht auf die enorm hohen Spritpreise im Jahr 2022 zurückzuführen ist, wird aus Sicht des ÖAMTC einmal mehr deutlich, dass viele Menschen einfach auf den Pkw angewiesen sind. Für den Mobilitätsclub braucht es daher zum einen die Schaffung von attraktiven Alternativen und zum anderen eine Kostenentlastung für die Konsument:innen. Es braucht eine Reduktion der Mineralölsteuer (MöSt), eine Erhöhung des amtlichen Kilometergeldes und eine umfassende Reform der Pendlerpauschale.

Spritpreise drosselten Tempo

Weiters zeigt die Datenauswertung laut Invenium erstmals eine Reduktion der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit in den analysierten Monaten im Jahr 2021. Dieser Effekt lässt sich laut Invenium von der COVID19-Pandemie ableiten, da es durch Mobilitätseinschränkungen zu einer prozentuellen Umverteilung zwischen Lkw- und Pkw-Verkehr gekommen ist. Wobei ein höherer Anteil des Lkw-Verkehrs zu geringeren Geschwindigkeiten führte.

Ab März 2022 pendelten sich die Anteile von Lkw- und Pkw-Verkehr wieder auf dem ursprünglichen Verteilungsverhältnis ein. Dadurch lassen sich im Sommer 2022 erstmalige Effekte in Bezug auf die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit in Zusammenhang mit den Spritpreisen erkennen. Laut Cik lässt dies die Hypothese zu, dass die Reduktion der durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit eine Reaktion auf die Erhöhung der Spritpreise darstellt. Gemäß Invenium kann das durchaus auf die Empfehlungen diverser Organisationen zurückgeführt werden.

Im September und Oktober 2022 nahm die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit wieder zu. Der Pendlerverkehr, mit tendenziell höheren Geschwindigkeiten, gewann gegenüber dem Sommer 2022 an Dominanz, und die Spritpreise – allen voran die Preise für Super – befanden sich nicht mehr auf dem Niveau der Monate zuvor. Zudem kann von einem Gewöhnungseffekt bezüglich der Höhe der Spritpreise seitens der Österreicher:innen ausgegangen werden.

ÖAMTC: Gleiten statt hetzen als Erfolgsfaktor

Als Reaktion auf die hohen Spritpreise im Sommer 2022 reduzierten die Autofahrer:innen das Tempo. Das ÖAMTC-Spritsparmotto „Gleiten statt hetzen“ haben sich wohl viele zu Herzen genommen – zurecht, denn wer das Tempo reduziert sowie vorausschauend fährt, spart Sprit und schont sowohl Geldbeutel als auch Umwelt. Der ÖAMTC wird sich weiterhin dafür einsetzen, Bewusstsein für die positiven Effekte einer spritsparenden Fahrweise zu schaffen. Mehr Infos zum Thema Spritsparen finden Sie hier.

Spritpreise haben kaum Einfluss auf ÖV-Nutzung

Einflussfaktoren, wie zum Beispiel die Quarantäne im Zuge der COVID19-Pandemie oder Home-Office, führten laut Invenium zu einer Reduktion des gesamtösterreichischen öffentlichen Verkehrs.

Die Einführung des Klimatickets im Oktober 2021 zeigt erste positive Auswirkungen im Jahr 2022 in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) – speziell im Bereich der Businessreisen an Werktagen und der Freizeitaktivitäten an den Wochenenden. Dadurch ergibt sich auch an Werktagen eine Zunahme der Nutzung des gesamtösterreichischen öffentlichen Verkehrs ab Herbst 2022. Hätten die gestiegenen Spritpreise zu einem signifikanten Wechsel beigetragen, also zu einer Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den ÖV geführt, wäre laut Cik eine verstärkte ÖV Nutzung schon wesentlich früher in der Zeitreihe zu sehen gewesen.

ÖAMTC: Umstieg auf ÖV durch Attraktivierung

Hohe Spritpreise sorgen nicht für einen Umstieg vom Pkw auf den ÖV. Aus Sicht des Clubs ist die zentrale Stellschraube hierfür ein attraktives Angebot: Es braucht neben Taktverdichtungen auch eine sinnvolle Angebotserweiterung. Im ländlichen Raum geht es um den flächendeckenden Ausbau von Rufbus-Angeboten, sogenanntem Mikro-ÖV, wohingegen es in urbanen Gegenden einen funktionierenden Markt für Mobility-as-a-Service-Angebote (MaaS), die die Nutzung unterschiedlichster Verkehrsmittel mit einer App und einer Rechnung erlauben, braucht. Außerdem sollte der Besetzungsgrad von Pendler-Pkw angehoben werden, indem man möglichst rasch den finanzrechtlichen Spielraum für eine Abgeltung von "Mitnahmen" von fünf auf 25 Cent pro Kilometer anhebt. Der ÖAMTC fordert, dass anonymisierte Mobilfunkdaten, aber auch zum Beispiel die Eingaben in den Pendlerrechner, genutzt werden, um insgesamt einen bedarfsgerechten öffentlichen Verkehr zu schaffen.