Gerade noch
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit gelang es der C17-Crew, unterstützt von der Bergrettung, einen Verletzten mittels Tau aus unwegsamem Gelände zu retten.
Sie ist der Hausberg der Leobener – die Mugel. Und auch Hans Mocharitsch, Obmann des örtlichen Touristenklubs, erklimmt die 1.626 Höhenmeter zwischen 60- und 100-mal pro Jahr. Doch einer seiner ersten Ausflüge zum dortigen Schutzhaus im heurigen Jahr sollte für ihn im Krankenhaus enden. Gemeinsam mit einem Freund hatte er an diesem winterlichen Tag den Gipfel erklommen. Nach der traditionellen Einkehr machten sich die Beiden dann am frühen Nachmittag wieder auf den Heimweg. Doch nach rund 20 Minuten rutschte Hans Mocharitsch auf dem blanken Eis unter der Neuschneedecke aus und brach sich bei seinem Sturz den Unterschenkel. „Da lag ich nun bei minus drei Grad im Graben und konnte mich nicht mehr bewegen“, erinnert sich der Steirer. „Glücklicherweise war ich nicht allein unterwegs. Mein Begleiter versuchte sofort, einen Notruf abzusetzen, was mangels Empfang jedoch nicht gelang.“
Um Hilfe zu holen, musste der Freund Hans Mocharitsch allein im Schnee zurücklassen. So schnell er konnte, stieg der Kamerad ins Tal zum Parkplatz ab. Doch auch dort hatte er noch kein Netz. Erst weitere sechs Kilometer talauswärts, die er mit dem Auto zurücklegte, gelang es ihm endlich, den Notruf abzusetzen.
Die Alarmierung der Einsatzkräfte – Bergrettung, Rotes Kreuz, Alpinpolizei und Flugrettung – erfolgte zu einer alpinen Notlage. „Zunächst war der genaue Einsatzort allerdings noch unklar“, schildert Felix Zechling, Einsatzleiter der Bergrettung. „Doch das sollte sich ändern, sobald wir den Notrufmelder erreicht hatten. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Verunfallten.“
Hans Mocharitsch, der die ganze Zeit unter Schmerzen in der Kälte ausharren musste, konnte nur darauf vertrauen, dass es seinem Begleiter gelingen würde, Hilfe zu organisieren. „Erst nach gut zwei Stunden, als ich das Knattern des Helikopters über dem Tal hörte, wusste ich, dass es ihm gelungen war“, ist er noch heute erleichtert. „Da ich allerdings mitten im Wald lag, konnte die Besatzung mich aus der Luft zunächst nicht entdecken.“ Doch schon kurz darauf hatte das Warten auf Hilfe ein Ende – die Bergretter:innen aus Leoben hatten ihn gefunden. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits stark unterkühlt und apathisch.
Jetzt musste alles Schlag auf Schlag gehen, denn durch die einbrechende Dunkelheit blieb nicht mehr viel Zeit. „Während wir mit dem Einsatzleiter die optimale Bergemethode besprachen, wurde der Verletzte von den Kolleg:innen der Bergrettung optimal versorgt“, beschreibt Pilot Tommy Leitold die Situation. „Die Lösung war rasch gefunden. Eine sogenannte Crash-Bergung mittels Petzl-Dreieck sollte den Verletzten aus seiner misslichen Lage befreien.“ Sicherheitshalber wurden gleichzeitig jedoch auch Vorbereitungen für einen Plan B getroffen. Dieser sah einen bodengebundenen Abtransport mit der Gebirgstrage und einer Seilsicherung zur nächstgelegenen Forststraße vor, wo bereits ein Einsatzfahrzeug bereitstand.
Petzl-Dreieck
Ein Petzl- oder Rettungsdreieck ist einfach und rasch anzulegen, um im Notfall schnell handeln und die zu rettende Person aus dem Gefahrenbereich bringen zu können. In der Regel besteht es aus reißfestem Kunststoffgewebe mit Einhängeschlaufen an jeder der drei Ecken. Die rechte und die linke Schlaufe werden vor dem Bauch mit einem Karabiner verbunden. Die dritte Schlaufe wird – ähnlich einer Windel – durch den Schritt nach oben geführt und ebenfalls in den Karabiner eingehängt. Dieser dient als zentraler Einhängepunkt am Tau.
Doch die Taubergung sollte sprichwörtlich wie am Schnürchen funktionieren. Wenige Meter neben der Unglücksstelle war eine kleine Lichtung im Wald, auf die sich Flugretter Martin Kamper hinabließ. „Das war höchste Präzisionsarbeit und eine Meisterleistung“, zollt Mocharitsch der Crew Respekt. Unter tatkräftiger Mithilfe der Bergretter:innen wurde er vom Flugretter ans Tau gehängt und mit dem letzten Tageslicht ausgeflogen – Teamwork at its best.
Am Zwischenlandeplatz im Tal wurde C17 bereits von weiteren Bergretter:innen aus Leoben, Bruck und Kapfenberg erwartet. Dort konnte der Patient medizinisch versorgt und auf die Trage umgebettet werden. Da es inzwischen bereits völlig dunkel geworden war, erfolgte der Flug ins Landeskrankenhaus Bruck an der Mur unter Nachtflugbedingungen mit Spezialbrillen, sogenannten Goggles.
Am Dachlandeplatz des Krankenhauses wurde der Helikopter bereits von mehreren Ärzt:innen und Pfleger:innen erwartet. Umgehend wurde damit begonnen, den unterkühlten Patienten vorsichtig zu erwärmen, um die Körpertemperatur wieder auf Normalniveau zu bringen. Die noch in derselben Nacht vorgenommene Operation verlief ohne jegliche Komplikationen. Schon wenige Tage später konnte Hans Mocharitsch das Krankenhaus wieder verlassen.
Auch wenn die Erinnerungen an den Unglückstag noch recht frisch sind und die Mobilität noch ein wenig eingeschränkt ist, eines steht für Hans Mocharitsch zweifelsfrei fest: Sobald es seine Kraft und Kondition zulassen, wird er wieder am Gipfel seiner Mugel stehen.