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Tipps der ÖAMTC-Rechtsberatung beim Gebrauchtwagenkauf

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Im Jahr 2024 sind in Österreich 820.629 Gebrauchtwagen zugelassen worden (Quelle: Statistik Austria). Doch so mancher Gebrauchtwagen sieht besser aus, als er wirklich ist. "Für Laien sind manche Mängel schwer oder gar nicht erkennbar, darum kann aus dem vermeintlichen Schnäppchen schnell eine Kostenfalle werden", weiß Nikolaus Authried, Leiter der ÖAMTC-Rechtsberatung für Wien, Niederösterreich und das Burgenland. Die Rechtsberatung des Mobilitätsclubs ist laufend mit Anfragen von Mitgliedern nach einem Gebrauchtwagenkauf befasst, weil beispielsweise versteckte Mängel auftauchen.

Die Jurist:innen der ÖAMTC-Rechtsberatung können im individuellen Fall die Erfolgschancen einschätzen und Hilfestellung bei der weiteren Vorgehensweise geben. Oft bleibt jedoch zur Durchsetzung allfälliger Ansprüche nur der Gang zu Gericht. Dringend empfehlenswert ist daher eine Rechtsschutzversicherung, die die mitunter beträchtlichen Kosten eines solchen Verfahrens übernimmt.

Unterschiede in der Gewährleistung bei Händlern und Privaten

Sowohl beim Kauf eines Gebrauchtwagens vom Händler als auch von Privat gilt es, mit Bedacht vorzugehen. "Rechtlich besser gestellt ist man jedenfalls beim Kauf von einem Händler, da dieser die Gewährleistung nicht gänzlich ausschließen kann. Ist ein Fahrzeug vor über einem Jahr zugelassen worden, ist jedoch eine Reduktion der Gewährleistung von zwei Jahren auf eines möglich" erläutert der ÖAMTC-Experte. Allerdings bedeutet das nicht, dass der:die Verkäufer:in für alle Mängel einstehen muss – es kommt vielmehr darauf an, was vereinbart ist. Ein Privater hingegen kann die Gewährleistung beim Verkauf ausschließen.

Häufiger Fall aus der Praxis: nach dem Kauf tauchen versteckte Mängel auf

Einige Wochen nachdem Herr B. einen günstigen Gebrauchtwagen gekauft hatte, kam es zu Problemen beim Starten des Kfz. Im Zuge einer anschließend erfolgten Überprüfung wurden mehrere schwere Mängel festgestellt. Herr B. suchte daraufhin die Rechtsberatung des Mobilitätsclubs auf. Herr B. hatte mit dem Händler lediglich einen rudimentären Kaufvertrag abgeschlossen, ohne eine konkrete Beschreibung der Kaufsache, aber mit einem Ausschluss der Gewährleistung, den Herr B. überlesen hatte. Dementsprechend weigerte sich der Händler eine Reparatur des Kfz durchzuführen. Die ÖAMTC-Juristin konnte Herrn B. jedoch Mut machen: Nach der Rechtsprechung gelten bei einem Kaufvertrag zwischen einem Privaten und einem:einer Unternehmer:in grundsätzlich die Fahrbereitschaft sowie die Verkehrs- und Betriebssicherheit eines Kfz als zugesichert. Der Gewährleistungsausschuss hingegen war unzulässig und unwirksam. Die Juristin kontaktierte den Händler, welcher sich letztlich überzeugen ließ und seinen Gewährleistungspflichten durch eine Reparatur der Sache nachkam – alle schweren Mängel wurden behoben. Mit einem Ankaufstest beim ÖAMTC vor dem Kauf wäre Herr B. wahrscheinlich erst gar nicht in diese Lage gekommen.

Tipps für die Kaufabwicklung eines Gebrauchtwagens

  • Nichts übereilen: Eine Kaufentscheidung sollte nie voreilig getroffen werden. Bei Verkäufer:innen, die mit Verweis auf andere Interessent:innen auf einen schnellen Abschluss drängen, gilt es besonders kritisch zu sein. Das trifft gerade bei vermeintlichen "Schnäppchen" zu.
  • Kaufüberprüfung durchführen: Im Interesse beider Seiten sollte vorab ein Ankaufstest, beispielsweise beim ÖAMTC, gemacht werden, um den tatsächlichen Zustand weitgehend abzuklären und zu dokumentieren. Die 90-minütige Kaufüberprüfung beinhaltet einen genauen Check von Motor, Antriebsstrang, Lichtanlage, Fahrwerk, Karosserie und Komfortsysteme mit rund 100 Einzelpositionen. Eine Probefahrt durch eine:n ÖAMTC-Techniker:in zählt ebenfalls zum Prüfumfang. Während das "Pickerl" lediglich die aktuelle Betriebssicherheit bescheinigt, gibt die Kaufüberprüfung Auskunft über Schwachstellen, eventuell vorhandene Unfallschäden, Abnutzungserscheinungen und absehbare künftige Mängel. Details unter https://www.oeamtc.at/mitgliedschaft/pruefdienst-leistungen/kauf-ueberpruefung/.
  • Mustervertrag verwenden: Für den Verkauf von Privat an Privat hat der ÖAMTC ein Musterformular erstellt, das an allen Dienststellen des Clubs kostenlos erhältlich ist. Die Interessen beider Vertragspartner:innen werden berücksichtigt und die Vertragsbestimmungen sind in leicht verständlichen Anmerkungen erläutert. Umfassende Informationen und das Kaufvertragsformular zum Download gibt es unter www.oeamtc.at/autokauf.
  • Mündliche Zusagen verschriftlichen: Wichtig ist auch, keinen Vertrag zu unterschreiben, dessen Inhalt vom mündlich Abgesprochenen abweicht. Insbesondere wenn das Fahrzeug im Vertrag als "Bastlerfahrzeug" beschrieben wird, der Kaufpreis dem aber nicht entspricht und der:die Verkäufer:in beteuert, es wäre alles in Ordnung, müssen die Alarmglocken läuten. "Mündliche Zusagen oder Vereinbarungen unbedingt schriftlich festhalten, ihnen kann später entscheidende Bedeutung zukommen", weiß der ÖAMTC-Jurist aus Erfahrung.
  • Inhalte von Online-Anzeigen dokumentieren: Am besten die Texte von Anzeigen im Internet via Screenshot speichern. Ihnen kann bei der Beurteilung eines Falles entscheidende Bedeutung zukommen, insbesondere wenn kein schriftlicher Kaufvertrag existiert.


Ist der Kaufvertrag unterschrieben und es treten in der Folge z. B. technische Mängel auf, herrscht oft Ratlosigkeit, wie man weiter vorgehen soll. ÖAMTC-Mitglieder können sich kostenlos an die ÖAMTC-Rechtsberatung (www.oeamtc.at/rechtsberatung) wenden. "Unsere erste Empfehlung ist, den technischen Zustand mit einem Experten abzuklären, um darauf aufbauend eine rechtliche Beurteilung vornehmen zu können. Dabei spielt insbesondere auch der tatsächliche Wert des Fahrzeugs im Verhältnis zum Kaufpreis eine Rolle", erklärt der Leiter der Rechtsberatung abschließend die weiteren Schritte.