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ÖAMTC zu Verbrenner-Aus 2035: Mehr Wunschdenken als Realitätssinn

Option für E-Fuels wirft viele Fragen auf

Wien (OTS) - Für den ÖAMTC hat der gestrige Beschluss des EU-Rates zum Verbrenner-Aus 2035 wenig mit der Lebensrealität 2022 zu tun. Denn nicht nur, dass es in vielen EU-Mitgliedsstaaten erheblichen Zweifel an dem rechtzeitigen und ausreichenden Ausbau der Ladeinfrastruktur gibt. Der prognostizierte Preisverfall für E-Autos scheint aufgrund der Rohstoffknappheit auszubleiben. Außerdem stellt sich die Frage, ob Europa mit Elektromobilität seine Abhängigkeit von zahlreichen Erdölproduzenten gegen eine ausschließliche Abhängigkeit von China eintauscht.

Bernhard Wiesinger, Leiter der ÖAMTC-Interessenvertretung: "Die Kalkulation der EU, dass batterie-elektrische Fahrzeuge klimaneutral sind, beruht auf dem künftigen Wunsch-Strommix in der EU. Solange bei der Bewertung nicht der aktuelle EU-Strommix zugrunde gelegt wird, hat die Bezeichnung, 'klimaneutral' nichts mit der Realität zu tun. Und der zusätzliche Bedarf an elektrischer Energie wird derzeit immer noch hauptsächlich von kalorischen Kraftwerken gedeckt. Also wäre bei einem Hochlaufen der Elektromobilität richtigerweise deren CO2-Ausstoß in Rechnung zu bringen." Daher brauche es für eine korrekte Beurteilung des CO2-Ausstoßes einer Technologie eine korrekte Lebenszyklusanalyse, wie sie der Club seit Jahren einfordert, und nicht nur den Tunnelblick, ob ein Fahrzeug im Betrieb Emissionen ausstößt.

Anrechenbarkeit von alternativen Kraftstoffen entscheidend

In der EU sind rund 247 Mio. Pkw zugelassen, ca. 2 Mio. davon werden batterie-elektrisch betrieben. 9,7 Mio. Pkw werden in der EU pro Jahr neu zugelassen. Angesichts dieser Zahlen, das verbindliche Treibhausgas-Einsparungsziel bis 2030 von 55 Prozent ausschließlich mit E-Autos erreichen zu wollen, ist aus der Sicht des Clubs völlig utopisch. Bernhard Wiesinger: "Entscheidend wird sein, dass es auch für die Bestandsflotte möglich wird, klimafreundlicher unterwegs zu sein. Das kann nur mit alternativen Kraftstoffen, insbesondere E-Fuels gelingen. Gestern wurde als Kompromiss vereinbart, dass nach 2035 weiterhin Verbrenner zugelassen werden können, die nachweislich mit E-Fuels betrieben werden. Offen ist, ob damit genügend Investitionsanreiz zur großindustriellen Produktion von E-Fuels ausgelöst wird, sodass auch die Bestandsflotte klimafit werden kann. Das kann man letztlich erst beurteilen, wenn der Kompromisstext der EU-Kommission vorliegt".

Mobilität muss für alle Menschen leistbar bleiben

Für Österreich sieht der Club vorerst keine Entspannung der Situation. "In Österreich gibt es rund 5,1 Millionen Pkw und 250.000 Neuanmeldungen pro Jahr. Selbst wenn ab sofort alle neu zugelassenen Pkw Elektroautos wären, könnte man in acht Jahren keine 2,5 Millionen Diesel- und Benzin-Autos durch E-Fahrzeuge ersetzen. So wird das Klimaziel klar verfehlt. Wenn allerdings der jetzt beschlossene Kompromiss dazu führt, dass Bestandsfahrzeuge nicht klimafreundlicher betrieben werden können, wird in der Folge die Bundesregierung den Betrieb von Benzin oder Diesel-Pkw so weit verteuern müssen, bis etwa ein Drittel der Autofahrer ihr Fahrzeug stehen lassen. Spritkosten von 4 Euro je Liter sind zu erwarten. Das ist nicht akzeptabel und wird unweigerlich zu erheblichen sozialen Spannungen führen. Menschen, die sich nicht sofort ein E-Auto leisten können, dürfen nicht abgehängt werden. Mobilität muss leistbar bleiben", warnt Wiesinger.