Kompatibilitätsuntersuchungen dienen dazu, dass Schutzpotential von Fahrzeugen unterschiedlicher geometrischer Gestaltung und Massen zu untersuchen. Es wird nicht nur wie bei den üblichen Crashtests gegen eine starre Barriere der Eigenschutz betrachtet, sondern darüber hinaus auch deren klassenübergreifende Verträglichkeit zueinander beim Partnerschutz.
Der ÖAMTC beschäftigt sich schon seit 1993 mit diesem Thema und hat damals erste Kompatibilitätsuntersuchungen durchgeführt. Auf der Basis dieser Untersuchungen, konnte man bei einem Kompatibilitätsvergleichtest 2005 erstmalig einen positiven Trend bei Fahrzeugen in der Mittelklasse erkennen. Die stabile Fahrgastzelle des VW Golf V der unteren Mittelklasse konnte zwar die hohen Belastungen des Fahrers nicht verhindern, sehr wohl aber lebensbedrohliche Verletzungen. Diese lebensbedrohlichen Verletzungen waren bis dahin durch die großen Massenunterschiede bei dieser Art von Testkonfiguration an der Tagesordnung.
In dem diesjährigen Test, der wieder unter gleichen Bedingungen durchgeführt wurde, haben wir das Zusammenspiel zwischen einem Geländewagen und einem Kleinwagen untersucht, weil diese Fahrzeugklassen immer mehr Zuwachs bekommen. Die Ergebnisse sind leider viel schlechter ausgefallen als das bei den Versuchen 2005 mit den Fahrzeugen der unteren Mittelklasse der Fall war.
Der Fiat 500 ist mit umfangreicher Sicherheitsausstattung versehen. Denn neben Front-, Seiten- und Kopfairbag hat der Fiat sogar einen für diese Klasse nicht alltäglichen Knieairbag. Im Euro NCAP Crashtest hat der Fiat 500 eindrucksvoll bewiesen, dass er einen sehr guten Eigenschutz zu bieten hat (5 Sterne). Dieser gute Eigenschutz ist die Grundlage eines Fahrzeuges, bevor man über die Verträglichkeit zu anderen Fahrzeugen nachdenkt. Doch auch bei der Gestaltung der Frontstruktur hat sich Fiat viele Gedanken gemacht. Zur Reduzierung der Insassenbelastung wurden hier zwei Lastpfade eingebaut, die mit dem Verbund zum Frontschild eine homogene Deformationszone darstellen. In Bezug auf die vom ÖAMTC aufgestellten Grundforderungen bezüglich Eigenschutz und Partnerschutz hat Fiat da viel zu bieten und ging mit besten Voraussetzungen in diesen Test. Wenn auch beim Audi Q7 die Bewertung des Eigenschutzes gut ausfällt (4 Sterne), verlässt man sich bei der Gestaltung der Frontstruktur (Partnerschutz) nur auf einen einzigen Lastpfad. Audi hat den Querträger so ausgelegt, dass er auch zur Abstützung für kleinere Fahrzeuge dienen soll. Der vorhandene Hilfsrahmen unterhalb des Fahrzeuges wurde deshalb nicht als mögliche Abstützung für kleinere Fahrzeuge ausgestaltet, obwohl damit das Überfahren des kleineren Fahrzeuges besser verhindern könnte.
Fiat 500 | ||||
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![]() |
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Front | Rückbank | |||
Fahrer | Beifahrer | Kind (3 - jährig) | Kind (1 ½ - jährig) | |
Kopf | O | + | - | - |
Nacken | - | + | ||
Brust | ≠ | Ø | - | - |
Knie, Oberschenkel, Becken | - | + | ||
Unterschenkel | - | Ø | ||
Füße | O |
+ | gut | O | ausreichend | Ø | mittel | ≠ | schwach | - | schlecht | unbewertet |
Audi Q7 | ||||
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Front | Rückbank | |||
Fahrer | Beifahrer | Kind (3 - jährig) | Kind (1 ½ - jährig) | |
Kopf | + | + | + | + |
Nacken | + | + | ||
Brust | Ø | + | + | O |
Knie, Oberschenkel, Becken | Ø | + | ||
Unterschenkel | O | O | ||
Füße | O |
+ | gut | O | ausreichend | Ø | mittel | ≠ | schwach | - | schlecht | unbewertet |
Die Insassenbelastung im Fiat ist sehr hoch, weil nicht genügend Energie durch die Frontstrukturen der Fahrzeuge abgebaut werden kann. Durch seine stabile Fahrgastzelle kann zwar der Überlebenstraum für den Fahrer erhalten werden, Rückhaltesysteme wie Kopf- und Knieairbag sind aber bereits überfordert. Der Fahrerairbag im Fiat kann einen gefährlichen Kopfkontakt mit der A-Säule und einem Lenkradkontakt der Brust nicht mehr verhindern, wodurch der Fahrer einem sehr hohen Verletzungsrisiko ausgesetzt ist. Die im Nacken des Fahrers gemessene Kraft lässt auf ein sehr hohes Verletzungsrisiko im Fiat schließen. Es trat eine Besonderheit auf, da der Fahrerairbag nach seiner maximalen Belastung aufriss. Die Ursache wird noch im Zuge einer Materialanalyse untersucht. Die extrem hohen Belastungen im Bein- und Beckenbereich würden in der Realität zu schwersten Verletzungen führen. Durch den steifen Längsträger des Audi Q7, der sich direkt in die Fahrgastzelle des Fiats bohrt, kommt es zu einem hohen Verletzungsrisiko der Füße des Fahrers. Das tragische am Gesamtergebnis im Fiat ist jedoch, dass aufgrund des fehlenden Partnerschutzes beim Audi keines der beiden Kinder auf dem Rücksitz des Fiats diesen Unfall unbeschadet überleben würde. Die Verzögerungswerte, die auf die Fahrgastzelle des Fiats wirken, sind einfach zu hoch. In Anbetracht, dass die Verletzungsrisiken im Audi Q7 für alle Passagiere auf einem durchschnittlich eher geringen Niveau liegen, fordert der ÖAMTC eine gerechte Verteilung der Belastungen auf die beiden Fahrzeuge.
Gerade weil der Audi bei diesem viel leichteren Unfallgegner mit geringeren Belastungen wegkommt, muss seine Frontstruktur wenigstens so gestaltet sein, dass sich ein kleineres Fahrzeug nicht nur daran abstützen, sondern auch entlasten kann. Mit zunehmend größer werdendem Unfallgegner für den Audi Q7 würde sich dessen Situation auch verschlechtern, da er durch seine inhomogen gestaltete Frontstruktur nur unzureichende Abstützungsmöglichkeit am Unfallgegner hätte.
Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, dass der Eigenschutz des Fiats durch den Audi Q7 extrem verschlechtert wird. Die zum Teil positiven Ergebnisse in der unteren Mittelklasse aus dem Jahre 2005 können für die Kleinwagenklasse nicht bestätigen werden. Während nun auch Pkw in der Kleinwagenklasse mit einer stabilen Fahrgastzelle in Bezug auf die passive Sicherheit weit entwickelt sind, haben die schwereren Fahrzeuge in 15 Jahren nur geringe Beiträge zum Partnerschutz geleistet, um Crashenergie auch aufzunehmen.
Durch diesen Test wird deutlich, dass Fiat seine Fahrzeuge nicht nur auf bestehende Anforderungen auslegt sondern sogar darüber hinaus. Fiat haben zwei Lastebenen im 500 verbaut, welche helfen sollen, die Last besser zu verteilen. Dass dieses System einwandfrei arbeitet, kann man an der homogenen Kraftverteilung des Deformationsbereiches erkennen. Dass der Fiat aber seinen kompletten Eigenschutz verliert, liegt zum einen daran, dass sich die lanzenartigen Deformationselemente des Q7 und die homogene, schmale Struktur des Fiat 500 nicht treffen.
Für Fahrzeuge seiner Klasse stellt der Fiat einen idealen Unfallgegner nach dem heutigen Stand der Technik dar, weil er durch seine zwei Lastpfade mit Frontschild genau die Forderungen erfüllt die eigentlich das größere Fahrzeug in Bezug auf Partnerschutz erfüllen müsste. Er hat eine homogene Frontstruktur zur idealen Abstützung des Unfallgegners und eine stabile Fahrgastzelle für den Eigenschutz.
Dem Audi fehlt im Gegensatz dazu die homogene Vorderfront mit mehreren Längsträgern und Querverbindungen. Bei diesem Versuch kann der Audi Q7 das Ergebnis aus dem Barrieretest gegen die starre Wand nur bestätigen, obwohl die Anforderungen auf Grund des günstigeren Masseverhältnisses für ihn viel niedriger sind. Bei diesem Versuch ist beim Audi keine Wirkung für den Partnerschutz erkennbar. Durch die lanzenartigen Längsträger vernichtet der Audi Q7 den Eigenschutz des Fiat 500.