Gemeinden sollen Verkehrsflächen künftig mit Videokameras überwachen können. Das ist einer der Punkte, die in der 36sten Novelle der Straßenverkehrsordnung neu geregelt werden sollen. Diese Änderungen werden in zwei Teilen in Kraft treten, am 1. Mai sowie am 1. Oktober im kommenden Jahr. Gegen das Vorhaben der Videoüberwachung regt sich jedoch Widerstand, auch der ÖAMTC kritisiert es. Was und warum Österreichs größter Mobilitätsclub kritisiert, das bespreche ich gleich mit Bernhard Wiesinger von der ÖAMTC Interessensvertretung. Hallo Bernhard, schön, dass du da bist. Danke für die Einladung. Bernhard, ich habe es gesagt, die Videoüberwachung wird seitens des ÖAMTC kritisiert. Aber was interessiert oder was stört den ÖAMTC daran? Der ÖAMTC ist nicht grundsätzlich gegen kameraüberwachte Fahrverbote. Aber, bei dieser Novelle gibt es, anders als beispielsweise bei Begegnungszonen oder Fußgängerzonen, überhaupt keine Regeln im Gesetz, wo so etwas verordnet werden kann und welche Ausnahme es geben soll. Es gibt keine einheitlichen Regeln, und das führt zu einer Menge von Problemen, daher sind wir gegen diesen Vorschlag. Wenn ich das jetzt höre, als Behördenvertreter oder auf Gerichtsseite, dann stellen sich mir die Nackenhaare auf. Das bedeutet möglicherweise Chaos, Arbeit, Arbeit, Arbeit, oder? Ja, in Italien, die ja eine zona traffico limitato haben, die durchaus als Vorbild gelten kann für den österreichischen Vorschlag sieht man das ganz deutlich. Hier bestimmen die Gemeinden, welche Art von Fahrverbot gelten soll, für wen es gelten soll, welche Ausnahmen es geben soll und das führt dann zu einer Reihe von Verletzungen von Menschen, die einfahren, obwohl sie das eigentlich nicht wollen. Die sich dann natürlich wehren und gegen einen Strafbescheid berufen. Viel Arbeit für Ämter und Behörden. Du kommst ja gerade von der Pressekonferenz zu diesem Thema, da war auch zugeschalten der Michele Germeno, das ist der ÖAMTC Vertrauensanwalt in Italien, der hat ein paar Beispiele genannt. Was kann man denn da oder wovor sollte man sich fürchten? Ja, und grundsätzlich muss man mal sagen, dass in Italien diese Regelung dazu geführt hat, dass es ein massives Anwachsen von zona traffico limitato Zonen gab. Die gibt es mittlerweile 374 in 130 Gemeinden. Also, die werden ständig mehr beziehungsweise ausgeweitet. Und generell beziehen sich die meisten Beschwerden auf eine schlechte Kundmachung. Schilder sind verdeckt oder sind kaum erfassbar, wenn man daran vorbeifährt. Es gibt Unklarheiten, welche Strafen jetzt wirklich zu zahlen sind. Mit der Eintreibung gibt es Probleme. Insgesamt also einen ganzen Rattenschwanz von Problemen. Deswegen ist das in Italien auch regelmäßig ein Thema für die Konsumentenschutzorganisationen. Sie können auf jede Homepage dort gehen und werden Berichte und Kritik finden, dass die zona traffico limitato eigentlich ein Problem ist und die Bürger hier abgezockt werden. Und das betrifft ja nicht nur die Italienerinnen und Italiener, sondern auch Österreicherinnen und Österreicher, die nach Italien fahren. Gibt es da Beschwerden beim ÖAMTC? Wenn ja nur, dass wir einmal einordnen können, wie viele sind das? Wie viele sind es denn ungefähr, aktuell? Also wir haben im Jahr mehr als 300 Beschwerden von Österreicherinnen und Österreichern, die Post aus Italien bekommen. Wenn wir das umrechnen ungefähr 10% beschweren sich oder wollen Rechtsmittel ergreifen. Und es gibt ja auch noch Nicht-ÖAMTC-Mitglieder, dann gehen wir davon aus, dass 7.000 bis 8.000 Österreicherinnen und Österreicher jedes Jahr in Italien Strafen wegen der zona traffico limitato bekommen. In seiner aktuellen Haltung, also der Ablehnung oder großen Kritik einmal daran, vertritt der ÖAMTC eine Mehrheitsmeinung in Österreich. Laut seiner aktuellen Online-Umfrage lehnen 57% der befragten Personen diese Maßnahme ab. Und der ÖAMTC nennt als einen der Gründe, der auch immer wieder angeführt wird ist, es könnte da eine Zweiklassengesellschaft entstehen. Warum? Grundsätzlich muss man mal sagen, bei dieser Art von Fahrverbot, wo man Anrainer ja fahren lässt im Gegensatz zu einer Fußgängerzone oder einer Begegnungszone, wo alle langsamer unterwegs sind, werden bestimmte Gruppen ausgenommen. Das heißt, einem Großteil an Menschen richtet man aus, du kommst hier nicht hinein, ein kleiner Teil ist berechtigt. Wenn das im Zentrum stattfindet, wer wohnt im Zentrum, wer kann sich eine Wohnung im Zentrum leisten? Dann geht das in die Richtung, dass jene, die genug Geld haben, um im Zentrum zu wohnen, auch noch bei der Mobilität bevorzugt werden. Und das halten wir für keine gute Entwicklung beziehungsweise man muss hier sehr vorsichtig sein. Grundsätzlich ist es so, wenn man die Menschen befragt, sie haben gesagt, sie haben das vorhin gesagt, gibt es eine mehrheitliche Ablehnung. Bei den Zentrumsbewohnern ist es umgekehrt, die sind natürlich mehrheitlich dafür. Warum? Weil sie davon Vorteile haben. Anders jedoch wieder, wenn man sie fragt, wenn es jetzt um eine Einfahrt geht, in eine andere Stadt, wo man selber kein Privileg genießt, dann gleichen sich die Werte der Ablehnung ungefähr an, daher sieht man, dass das ein typisches Not in my backyard"-Thema ist. Also zu einer gesellschaftlichen Spaltung führt, das muss man immer im Hinterkopf behalten. Jetzt haben wir genug kritisiert, kann man sagen, ja kritisieren geht immer ganz einfach. Man listet einfach die Kritikpunkte auf, aber ich nehme an, der ÖAMTC hat da auch Vorschläge, Wünsche, Forderungen, was sind denn diese? Was wir vorschlagen, ist, dass es einheitliche Regeln gibt, wo man so eine Kameraüberwachung machen kann. Aus unserer Sicht muss es einen hohen Nutzungsdruck geben. Das ist nicht nur in Wien im ersten Bezirk der Fall, beispielsweise in kleineren Orten auch wie Hallstatt ist das denkbar, aber es muss objektiv wirklich gegeben sein. Zweite Bedingung ist für uns, dass es Parkplätze gibt für die, die nicht einfahren können. Dieses Thema muss gelöst werden. Und drittens muss es eine öffentliche Erschließung geben, dass ich auch noch anders irgendwo in ein Zentrum komme. Das sind die Grundvoraussetzungen auf der anderen Seite braucht es auch einheitliche Ausnahmen, es kann nicht sein, dass ich beispielsweise mit einem Elektroauto in einer Stadt einfahren kann und 10 Kilometer weiter geht es nicht. Das führt zu einem Chaos, das wollen wir nicht, das lehnen wir ab. Absolut. Bernhard unterstelle ich euch richtig, dir und deinem Team, dass ihr an dem Thema dranbleiben werdet, solange bis es eine positive Lösung gibt? Natürlich, wir haben einen Vorschlag erarbeitet und wollen auch, dass der gehört wird. Perfekt, da wünschen wir euch viel Glück! Und wenn auch sie an diesem Thema dranbleiben wollen, dann finden Sie die aktuellen Entwicklungen und Informationen wie gewohnt auf unserer Website.