Das neue Fernweh

Dass die Reiselust nach Corona enorm sein würde, war klar. Doch auch die Art zu reisen hat sich verändert. Im Überblick: Trends, Hindernissen und neue Vorlieben. 

Einfach kurz raus und weg vom Alltag. Ein verlängertes Wochenende steht an, und schon geht’s ab auf einen Kurztrip. Den Trend zu häufigeren Reisen, die auch kürzer sein können, gibt es bereits länger. Befeuert wurde er dieses Jahr allerdings durch den fast sommerlichen Start in den Herbst, der besonders viele Reiselustige zum spontanen Wochenendurlaub oder Ausflug angeregt hat. Doch es ist mehr als das. Es scheint, als hätte sich unser Reiseverhalten generell verändert. Auf alle Fälle trotzt es möglichen Beeinträchtigungen.

Laut ÖAMTC-Monitoring steht zum Beispiel fest, dass die Reiselust trotz enormer Teuerung besonders hoch ist. Was beweist: Reisen ist ein starkes Bedürfnis. Das hat auch der letzte Sommer gezeigt: "Sonne, Strand und Meer sind nach wie vor die große Sehnsucht. Es überrascht wenig, dass das Lieblings-Urlaubsland der Österreicher:innen Italien ist, gefolgt von Kroatien und Deutschland", erklärt Expertin Yvette Polasek vom ÖAMTC-Reiseservice. Zusätzlich gaben allerdings 42 Prozent an, Urlaub in Österreich zu machen.

Die Pandemie-Jahre haben unser Verhältnis zur Natur verändert. Viele Menschen zieht es nach wie vor in ländliche Gegenden. Wenn beeindruckende Naturszenen auf unsere gestresste Seele treffen, kann das nur gut sein für Erholung, Körper und Geist.

Die Reiselust ist wieder da

Hoch im Kurs: Österreich






Bevor bei Urlaubsreisen gespart wird, wird eher in anderen Bereichen der Gürtel enger geschnallt.






Astrid Steharnig-Staudinger , Geschäftsführerin, Österreich Werbung


Markus Gratzer, Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), fasst die Gründe für die Landlust zusammen: "Landschaft, Kulinarik und Kultur: ungeschlagen. Preis und Leistung: ebenfalls ungeschlagen. Es verwundert also wenig, dass Herr und Frau Österreicher am liebsten im eigenen Land urlauben." Doch nicht nur die erstarkte Liebe zu Österreich als Urlaubsdestination beeinflusst die Reiseströme. Laut Österreich Werbung werden auch immer mehr Reisen außerhalb der Hauptsaison geplant. Und: Immer öfter geht es mit geringerem Budget auf Urlaub. Fakt ist: Viele Menschen arrangieren sich mit Inflation und Geldsorgen. "Urlaub zählt zu den Top-Konsumprioritäten", betont Astrid Steharnig-Staudinger, Geschäftsführerin der Österreich Werbung. "Bevor bei Urlaubsreisen gespart wird, wird eher in anderen Bereichen der Gürtel enger geschnallt. Das zeigen Studien wie zuletzt die Deutsche Reiseanalyse: Ausgaben für Wohnen, Freizeit, Kleidung, Auto und Unterhaltung – das alles ist der Urlaubsreise nachgereiht."

Zwar führen Inflation und Preissteigerungen dazu, dass viele Menschen genauer darauf achten, wann und wie sie verreisen. Doch der Urlaub selbst wird nicht infrage gestellt.

Steharnig-Staudinger: "Wenn im Rahmen der Urlaubsreise gespart wird, dann zum Beispiel durch die Wahl einer günstigeren Unterkunft, durch die Verlegung der Reise in die Nebensaison oder bei der Reisedauer." Ebenfalls einer der Gründe, warum die Hauptsaison an Bedeutung verliert.

Immer mehr Reisen

Hohe Preise, gute Planung






Früh buchen, lohnt sich. Echte last minute-Angebote gibt es kaum noch.






Thomas Oppenheim, Geschäftsführer, ÖAMTC-Reisen


"Aufgrund der hohen Treibstoff- und Energiepreise sind Pauschal- und Fernreisen teurer geworden", berichtet Thomas Oppenheim, Geschäftsführer von ÖAMTC-Reisen. Doch: "Obwohl die Inflation der Bevölkerung das Geld aus der Tasche zieht, scheinen nicht wenige in den Pandemie-Jahren Geld angespart zu haben." Genau diese Reisehungrigen wollten sich nach Corona ihre Träume verwirklichen. Für sie gilt wie für jene mit kleinerem Budget: Früh buchen! "Dafür gibt es Vorteile und Aktionen, die letztes Jahr leider nicht ausreichend genutzt wurden. Wer heutzutage last minute buchen möchte, zahlt mehr, denn Flugkapazitäten sind dann meist keine mehr vorhanden", verrät Oppenheim (siehe dazu auch den auto touring-Artikel "Sparen im Urlaub", Mai 2023).

Auch der Luftfahrtexperte Kurt Hofmann bestätigt die Entwicklung: "Flugreisen boomten in diesem Sommer, obwohl die Ticketpreise merklich angezogen haben. Diese lagen auf europäischen Strecken um 25 bis 30 Prozent über dem Vorjahres-Preis." Was den Preisanstieg befeuert hat, kann Hofmann (siehe dazu auch den ÖAMTC-Podcast mit Kurt Hofmann, Episode 49) ebenfalls erklären: "Durch die Sperre des Luftraums der Ukraine und Russlands gab es viel Stau auf diversen Luftfahrtstraßen in Europa, obwohl die gleiche Kapazität wie vor Corona noch nicht erreicht ist." Zu den hohen Preisen kamen diesen Sommer zahlreiche Flugausfälle oder Verspätungen. Wasser auf die Mühlen jener, die das Auto als Verkehrsmittel bevorzugen.

Volle Straßen, viele Pannen

Tatsächlich zeigt eine aktuelle Studie von Spectra Marktforschung, die im August 1.000 Österreicher:innen ab 15 Jahren befragt hat, dass die Anreise zum Urlaubsort hauptsächlich mit dem Auto erfolgt, nämlich zu 57 Prozent. Ein Umstand, der auch aufgrund der bevorzugten Destinationen der Österreicher:innen wenig verwunderlich ist.

Entsprechend viel war auf den Straßen los. Dabei haben aber nicht so sehr die absoluten Zahlen des Verkehrsaufkommens zu Staus und Pannen geführt. Nach Auswertung sämtlicher Daten aus den Asfinag-Zählstellen ergeben sich für Juli und August dieses Jahres lediglich geringe Zuwächse im Sommerreiseverkehr. Im Mittel der zwei Monate legte der Pkw-Verkehr (Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen) um 2,7 Prozent zu.

Doch die Wetterkapriolen, vor allem aber die lang anhaltend hohen Temperaturen, hielten auch die Pannenhelfer:innen des ÖAMTC auf Trab: 182.220 Mal half der Club seinen Mitgliedern allein in den drei Monaten Juni, Juli und August in ganz Österreich bei Problemen mit ihrem Fahrzeug. Der einsatzreichste Tag war der 12. August 2023 mit 2.331 Pannenhilfe-Einsätzen.

Immer ältere Autos

Ein weiterer Grund, warum manche Reise nur nach tatkräftiger Hilfe weitergehen konnte, findet sich in den Zahlen der Statistik Austria. Laut deren Analysen lag das durchschnittliche Alter der zugelassenen Pkw im Vorjahr bei zehn Jahren und sieben Monaten, im Jahr 2013 waren es im Vergleich dazu noch neun Jahre (siehe Grafik "Pkw-Bestand wird immer älter").

Daraus lässt sich schließen, dass Fahrzeugbesitzer ihren Gebrauchten länger fahren – müssen.

An dieser Stelle kommt nämlich wiederum die Inflation ins Spiel: Der Gebrauchtwagenpreis-Index der Plattform Auto­Scout24 weist für Österreich in den letzten Jahren enorme Preissteigerungen aus (siehe dazu auch den auto touring-Artikel "Günstig und klein wird nicht mehr sein", Juni 2023). Hatte ein Gebrauchtwagen im Jänner 2019 noch durchschnittlich 19.750 Euro gekostet, kletterte der Durchschnittspreis im August 2023 auf 28.340 Euro – eine Steigerung von rund 43,5 Prozent. Mit den Lieferschwierigkeiten durch die fehlenden Teile für die Produktion bei Neuwagen stieg die Nachfrage für Gebrauchte an.

Eine Entwicklung, die laut Günther Kerle, Vorsitzender und Sprecher der österreichischen Automobilimporteure, bereits am Abklingen sein dürfte: "Der Rückstau konnte im ersten Halbjahr 2023 weitgehend abgebaut werden, sodass die derzeitigen Lieferzeiten wieder dem normalen Niveau entsprechen."

Womit die neue Reiselust zumindest eine Hürde überwunden hat.

Pkw-Bestand wird immer älter